Der Gatte der Strohfrau
Von Antje Kullrich, KölnDer vermutlich ärgste Gegner ist persönlich anwesend: Josef Esch, der Immobilienunternehmer und einstige Vermögensverwalter von Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, hat sich mit seinem Anwalt ganz hinten platziert. Er ist gekommen, um die Aussage von Leo Herl zu verfolgen. Im Prozess um 1,9 Mrd. Euro Schadenersatz, die Schickedanz von Esch, dem Bankhaus Sal. Oppenheim und weiteren Ex-Geschäftspartnern fordert, hat die Beweisaufnahme begonnen. Esch ist der einzige der prominenten Prozessbeteiligten, der an diesem Dienstag im Sitzungssaal 112 des Kölner Landgerichts erschienen ist – obwohl die Kammer Anwesenheit angeordnet hatte.Schickedanz-Gatte Herl, einstiger Quelle-Manager und langjähriges Aufsichtsratsmitglied bei KarstadtQuelle, unterstützt die Darstellung seiner Frau, dass sie von ihren Beratern und Bankiers hintergangen worden sei. Beim berühmten ADG-Kredit – 380 Mill. Euro, die über eine Briefkastenfirma aufgenommen, für den Zukauf von KarstadtQuelle-Aktien 2005 eingesetzt wurden und ein Teil des Klage-Komplexes sind – sei Schickedanz zugesichert worden, nur Strohfrau zu sein. Sie, die bereits 30,66 % der Aktien hielt, sollte Aktien für Sal. Oppenheim zukaufen, damit nicht sofort Meldeschwellen ausgelöst würden. Mit Hilfe der Bank und eines weiteren Finanzinvestors sollte der schon damals kriselnde Handelskonzern von der Börse genommen und in Einzelteilen verkauft werden, um stille Reserven zu heben, schilderte Herl den abenteuerlichen Plan, den Esch und Thomas Middelhoff ersonnen haben sollen. “Du sollst zukaufen, die Bank finanziert, du hast kein Risiko”, habe Esch seiner Frau gesagt. Diese habe wegen ihrer eigenen finanziell klammen Situation selbst keine Aktien mehr kaufen wollen, sondern habe geplant, sich von ihrem Paket zu trennen. Dass Esch auch für Sal. Oppenheim gesprochen habe, war nach Darstellung von Herl klar. Der habe ihm bei früheren Gelegenheiten eine Generalvollmacht von Baronin von Ullmann senior, Matriarchin des einflussreichsten Oppenheim-Stammes, sowie Blankobriefbogen des Bankhauses mit der Unterschrift von Matthias Graf von Krockow, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter, vorgelegt.Als die Kammer unter Vorsitz von Richter Stefan Singbartl nach zweieinhalb Stunden die erste Pause einlegt, ist der 71-jährige Herl bereits sichtlich erschöpft. In dem Zivilverfahren, einem der größten Schadenersatzprozesse in Deutschland überhaupt, geht es um jedes Wort und jede Formulierung. Die Zeugenbefragung verläuft mühsam – auch weil der Richter der Gerichtsschreiberin eine Zusammenfassung der Herl-Aussage für das Protokoll jeweils diktieren muss. Mit einem Bruchteil des Stundenlohns der rund 20 anwesenden hoch bezahlten Wirtschaftsanwälte hätte wohl auch ein Stenotypist engagiert werden können. Zweifel des GerichtsNaive Hausfrau oder zockende Ex-Milliardärin, die sich am Ende selbständig dafür entschied, auf die hochfliegenden Pläne eines Thomas Middelhoff zu setzen, um den Börsenwert von KarstadtQuelle zu steigern? Die Kammer bleibt dabei, dass Madeleine Schickedanz den Beweis bringen muss, dass sie tatsächlich nur als nicht haftende Strohfrau eingesetzt wurde. Bei der Befragung von Herl lässt Richter Singbartl weiter Zweifel erkennen. Ähnlich hatte er sich bereits beim ersten mündlichen Verhandlungstermin geäußert, der wegen der umfangreichen zwischenzeitlichen Stellungnahmen aller Parteien bereits fast zwei Jahre zurückliegt. Weitere Zeugen sollen Licht in das Dunkel bringen – in den nächsten Tagen sagen unter anderem Thomas Middelhoff und Schickedanz-Sohn Matthias Bühler aus.