Der Nebel um den 1MDB-Skandal hat sich erst teilweise gelichtet

Malaysischer Staatsfonds wirft einen dunklen Schatten auf die politische Kultur der drittgrößten Volkswirtschaft Südostasiens

Der Nebel um den 1MDB-Skandal hat sich erst teilweise gelichtet

Von Ernst Herb, HongkongMit der Eröffnung eines Straffverfahrens seitens der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen die BSI sowie durch den Lizenzentzug des Singapurer Ablegers der Bank ist der Skandal um den malaysischen Staatsfonds 1 Malaysia Development Berhad (1MDB) in eine neue Phase eingetreten. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass das Dickicht um 1MDB auch nach wochenlangen Untersuchungen von Ermittlungsbehörden in mittlerweile sechs Staaten weiterhin nur teilweise klarer geworden ist.Sicher ist hingegen, dass 1MDB zwischen 2010 und 2015 insgesamt rund 42 Mrd. Dollar Schulden auf sich geladen hat und dabei größere Summen über mehrere ausländische Banken verschoben worden sind. Dabei sollen Milliardensummen veruntreut worden sein. Unter den Teppich gekehrtDie Bundesanwaltschaft hat bereits im vergangenen August im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen Personen im Umfeld von 1MDB wegen Bestechung fremder Amtsträger, ungetreuer Amtsführung sowie Geldwäsche die malaysischen Behörden um Rechtshilfe ersucht. Bemerkenswert ist dabei, dass der malaysische Staat als die direkt geschädigte Partei – anders als die Schweiz und als Singapur – kaum in der Angelegenheit tätig geworden ist. Premierminister Najib Razak, der zum Zeitpunkt des angeblichen Verschwindens der Gelder im Aufsichtsgremium des 1MDB saß, hat vielmehr alles getan, damit der Fall im eigenen Land weder von der Politik noch der Justiz vollständig aufgearbeitet wird.1MDB wurde im Jahr 2009 gegründet. Der Fonds sollte mit auf dem internationalen Kapitalmarkt aufgenommenen Geldern größere Infrastrukturprojekte finanzieren und damit die infolge der globalen Finanzkrise schwächelnde Binnenwirtschaft stützen. Für Aufsehen sorgte dabei die mit 9 % überdurchschnittlich hohe Kommission, die Goldman Sachs für die Beschaffung von Kapital für 1MDB kassiert hat. Die amerikanische Justiz hat in diesem Zusammenhang Ermittlungen gegen einen mittlerweile nicht mehr für die Bank arbeitenden Angestellten aufgenommen.Bis heute bleibt der Bausektor der Wachstumsmotor Malaysias. Das ist dahingehend von Bedeutung, als das rohstoffreiche Land unter dem tiefen Erdölpreis leidet. Die Regierung will bis 2020 im Rahmen des elften Entwicklungsplans zusammen mit privaten Anlegern 260 Mrd. Ringgit (65 Mrd. Dollar) in verschiedene Großprojekte investieren, so etwa eine Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke, die Malaysia mit Singapur verbindet, oder den Bau einer Untergrundbahn in der Hauptstadt Kuala Lumpur.Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kam in diesem Jahr zum Schluss, dass mindestens 4,2 Mrd. Dollar der von 1MDB getätigten Transaktionen fragwürdiger Natur gewesen seien. Der Staatsfonds wie auch Najib haben die gegen sie erhobenen Vorwürfe immer zurückgewiesen. Allerdings ist bekannt, dass der Stiefsohn des Premierministers mit von 1MDB stammendem Kapital den Hollywoodfilm “The Wolf of Wall Street” finanziert und Immobilien in New York und wahrscheinlich auch London gekauft hat. Zudem wurde im vergangenen Jahr publik, dass angeblich von 1MDB kommende 700 Mill. Dollar auf dem persönlichen Bankkonto Razaks gelandet sind. Autoritärer RegierungsstilInnenpolitische Kritiker hat der mit autoritärem Stil regierende Premierminister bisher ausschalten können. So entließ er unter anderem bereits im vergangenen Jahr den damaligen Staatsanwalt Abdel Ganai Patel, der wegen der verschwundenen Gelder Ermittlungen einleiten wollte. Mittlerweile hat der Skandal allerdings längst den Rahmen der innenpolitischen Bühne gesprengt. Das nicht nur, weil ausländische Untersuchungsbehörden auf die wahrscheinlich teilweise im Ausland gewaschenen Gelder aufmerksam geworden sind. Im Mai wurde 1MDB nach Ablauf einer Frist zur Bedienung einer Anleihe in Höhe von 1,75 Mrd. Dollar wegen eines Streits über eine Garantiefunktion eines Staatsfonds der Arabischen Emirate für zahlungsunfähig erklärt. Das hat weit über diesen konkreten Fall hinaus Bedeutung, Malaysia könnte infolge des Vertrauensverlustes zukünftig für Fremdgelder eine weit höhere Risikoprämie zahlen müssen als bisher.All das wirft indes vor allem auch ein grelles Licht auf die malaysische Innenpolitik, in der die Nähe von Geld und Macht seit Jahrzehnten für Skandale sorgt. Der seit 2009 amtierende Premierminister Najib Razak, der in seiner Doppelfunktion als Finanzminister der oberste Verantwortliche für 1MDB ist, kommt dabei nicht zum ersten Mal im Zusammenhang mit Schwarzgeldern ins Gerede. Als er 1997 Verteidigungsminister war, sind bei Rüstungsaufträgen mit Frankreich in größerem Umfang Schmiergelder bezahlt worden.Diese sind aber nicht in erster Linie in die Taschen von Politikern und Beamten geflossen, sondern für die Parteienfinanzierung verwendet worden. Razak stützt seine Macht auf eine fragile Parteienkoalition, die wohl nur mit entsprechend hohen finanziellen Anreizen zusammengehalten werden kann.Bei all dem bleibt die Frage offen, warum die Schweizer Bundesanwaltschaft den Skandal im 1MDB-Fall so hartnäckig verfolgt. Die Regierung Singapurs dürfte ihrerseits kein allzu großes Interesse daran haben, das Verhältnis zu Malaysia zu belasten. Denn lange waren die Beziehungen der bis zum Jahr 1965 in einer Staatenunion vereinten Länder denkbar schlecht. Erst unter Najib Razak wurde eine Normalisierung eingeleitet, die Tür und Tor für eine blühende wirtschaftliche Zusammenarbeit öffnete. Auch die Beziehungen der Schweiz dürften durch den 1MDB-Fall negativ belastet werden. Der stark auf den Schutz der malaysischen Regenwälder ausgerichtete Basler Bruno Manser Fonds kritisiert bereits seit längerem die geschäftlichen Beziehungen malaysischer Politiker mit Schweizer Banken.Das von der Bundesanwaltschaft eröffnete Strafverfahren scheint zumindest teilweise auf eine im Juni 2015 erfolgte Anzeige des 2005 in Malaysia verschollenen Schweizer Umweltaktivisten zurückzugehen. Ins Rollen kam der Fall auch nicht zuletzt wegen des Schweizer Geschäftsmannes Xavier Justo. Er hat den Medien Unterlagen seines Ex-Arbeitgebers Petro Saudi International zugespielt, die kompromittierende Details über Beziehungen des Unternehmens zum 1MDB enthalten.