NOTIERT IN MADRID

Detektive und Anarchisten

Spaniens Banken müssen sich bald auf ungewünschten Besuch einstellen. Inspektoren der Marktaufsicht dürfen demnächst als Kunden getarnt am Schalter den Verkaufspraktiken der Banker auf den Zahn fühlen. Die Inkognito-Prüfungen sind Teil eines neuen...

Detektive und Anarchisten

Spaniens Banken müssen sich bald auf ungewünschten Besuch einstellen. Inspektoren der Marktaufsicht dürfen demnächst als Kunden getarnt am Schalter den Verkaufspraktiken der Banker auf den Zahn fühlen. Die Inkognito-Prüfungen sind Teil eines neuen Gesetzpakets des Wirtschaftsministeriums, mit dem die Macht und die Kompetenzen der Comisión Nacional del Mercado de Valores (CNMV) weiter gestärkt werden sollen. Mit dieser Reform, die voraussichtlich 2015 in Kraft tritt, hat die Regierung auf die Finanzskandale der jüngsten Zeit reagiert, wie die Pleiten der IT-Firma Gowex, den Lebensmittelkonzern Pescanova und andere kleinere Unternehmen, die den Aufsehern jahrelang gefälschte Bilanzen untergejubelt hatten.Bezüglich der Banken geht es dagegen darum, die Vermarktung riskanter Produkte unter den unwissenden Kleinkunden besser zu regulieren. Noch immer laufen in Spanien Dutzende Prozesse wegen der berüchtigten “participaciones preferentes”, hochrentabler, aber riskanter Beteiligungen, die zehntausenden von Stammkunden fast aller Banken als eine Art Festgeld-Konto angedreht wurden. Auf Anweisung aus den Chefetagen mussten die Angestellten in den Filialen den in spekulativen Anlageprodukten wenig versierten Sparern, darunter sogar Analphabeten, die “preferentes” aufschwatzen. Das Kleingedruckte liest auch hierzulande kaum jemand, zumal wenn man den Vertrag von seinem langjährigen persönlichen Bankberater vorgelegt bekommt. Viele der Geldhäuser haben mittlerweile ihre Kunden entschädigt und Besserung gelobt.Doch Kontrolle ist ja bekanntlich besser als Vertrauen, dachte sich Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Und so darf die CNMV, sobald das Gesetz in Kraft tritt, nicht nur die eigenen Leute als harmlose Kunden verkleidet in die Filialen schicken. Sollte das Personal nicht ausreichen, kann die Behörde sogar Privatdetektive beauftragen.Doch damit ist es noch nicht getan. Eine Farbtabelle macht den interessierten Kunden in Zukunft auf das Risikopotenzial eines Anlageproduktes aufmerksam. Das Spektrum, welches die Dokumente markiert, reicht von Dunkelgrün bis Dunkelrot. Damit braucht man wohl nicht mehr das Kleingedruckte genau zu lesen. *Auf der politischen Bühne richten sich derweil dieser Tage alle Blicke nach Schottland. Die jüngste Aufholjagd der Befürworter der Unabhängigkeit von England hat den Separatisten in Katalonien Auftrieb verliehen. An diesem Donnerstag, dem katalanischen Nationalfeiertag, hoffen die Nationalisten auf eine neue Demonstration der Kraft, nachdem in den letzten Jahren hunderttausende Menschen für die Abspaltung von Spanien demonstriert hatten. In Barcelona planen die Teilnehmer ein kilometerlanges “V” zu bilden, was sowohl für “wählen” (votar) als auch “siegen” (vencer) steht.Ob es, wie von den Nationalisten angekündigt, am 9. November tatsächlich zu einer Volksabstimmung kommt, steht aber weiterhin in den Sternen, denn die Positionen sind verhärtet. Ministerpräsident Mariano Rajoy versicherte am Montag, dass man alles vorbereitet habe, um das Referendum zu unterbinden, wenn das Verfassungsgericht wie erwartet die Abstimmung für unrechtmäßig erklärt. Bei den gemäßigten Nationalisten von Convergència i Unió (CiU), die in Barcelona an der Macht sind, haben sich in den letzten Wochen Risse bezüglich des Referendums aufgetan.Die Partei steht zudem unter Schock wegen eines Skandals um ihren Gründer Jordi Pujol, der zwei Jahrzehnte lang Landesvater Kataloniens war. Er hat zugegeben, jahrzehntelang ein Vermögen im Ausland vor dem Finanzamt versteckt zu haben, und gegen einige seiner Söhne wird wegen vermeintlicher Schmiergeldzahlungen ermittelt.Die radikalen linken Nationalisten der ERC, welche die Minderheitsregierung von CiU stützen, haben dagegen zu “zivilem Ungehorsam” aufgerufen und wollen das Referendum gegebenenfalls auch ohne rechtliche Grundlage durchziehen. Davon verstehen freilich die Anarchisten eine Menge. Diese wollen am Donnerstag das riesige “V” der Nationalisten mit einer eigenen Menschenkette in der Mitte durchkreuzen und so in das charakteristische “A” ihrer Bewegung verwandeln.