Deutsche-Bank-Verlust verdeckt Fortschritte

Deutschlands große Institute verringern Kapitalbedarf infolge Basel III - Perspektiven für die Ertragskraft verbessern sich in der Breite

Deutsche-Bank-Verlust verdeckt Fortschritte

Deutschlands große Banken machen Fortschritte in Vorbereitung auf die künftige Regulierung. Der Rekordverlust der Deutschen Bank verzerrt das Bild für 2015, wie eine VÖB-Studie zeigt.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDer Rekordverlust der Deutschen Bank im vorvergangenen Jahr verzerrt den Blick auf Fortschritte der deutschen Kreditwirtschaft in Vorbereitung auf den Abschluss von Basel III. Dieser Schluss drängt sich mit einer quantitativen Studie des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) auf.Den Ergebnissen der Erhebung zufolge benötigten die 17 deutschen Geschäftsbanken (siehe Kasten) unter direkter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) Ende 2015 noch 58 Mrd. Euro hartes Kernkapital, um auf eine harte Eigenkapitalquote von 13 % zu kommen. Diese wird dem Verband zufolge aufgrund des Regelpakets Basel III künftig mindestens nötig sein. “Nicht tragfähig”Im Vergleich zu einer ersten Erhebung per Ende 2014 haben die Banken ihren Kapitalbedarf damit 2015 zwar um immerhin 20 Mrd. Euro reduziert. Auch 58 Mrd. Euro freilich sind nach Einschätzung des Verbands noch immer zu viel, entspricht dies doch 38 % des aggregierten harten Kernkapitals dieser 17 Institute. Um das Delta ohne frisches Kernkapital zu schließen, müssten die Banken 450 Mrd. Euro oder 36 % ihrer Risikoaktiva abbauen oder ihre Kreditvergabe um 27 % reduzieren, wie der VÖB vorrechnet.Die Eigenkapitalrendite der Banken wird der Regulierungsaufwand den Angaben nach um 1,5 Punkte auf noch 0,5 % drücken. Eine erste Quantifizierung kommender regulatorischer Anforderungen hatte für 2014 bereits einen Rückgang der Eigenkapitalverzinsung um 2,2 Punkte auf 2 % zutage gefördert.Schon diese Analyse hat gezeigt, dass das Geschäftsmodell der durchschnittlichen Bank “perspektivisch nicht tragfähig ist”, wie der Verband unter Verweis auf Kapitalkosten von durchschnittlich 8,8 % kommentiert. Nach Auswertung der aktualisierten Simulationsparameter heißt es nun, die bereits geringe Eigenkapitalrentabilität der Institute werde “durch die simulierten Effekte nahezu aufgebraucht”. Allerdings verzerre das Ergebnis der Deutschen Bank die Lage.In der Tat: Denn rechnet man Deutschlands größtes Kreditinstitut, das für 2015 einen Rekordverlust von 6,8 Mrd. Euro gezeigt hatte, heraus, schrumpft der Kapitalbedarf von 58 Mrd. auf 34 Mrd. Euro – per 2014 hatte der VÖB allein für die Gruppe abzüglich Deutsche Bank ein Delta von 57 Mrd. Euro ermittelt. Die noch ausstehende Regulierung macht dann aus dem aggregierten Nachsteuerergebnis der Institute 2015 von 3,5 Mrd. Euro nicht 1,3 Mrd. Euro, sondern aus einem Ergebnis von 7,8 Mrd. 6,5 Mrd. Euro. In der Folge sinkt die simulierte Eigenkapitalverzinsung nicht um 1,5 Punkte auf anämische 0,5 %, sondern von 6,1 % auf 3,9 %. Dieser Wert ist zwar recht dünn. Er war aber schon dünner, wie die VÖB-Analyse auch zeigt. Denn auf Basis der Jahresabschlüsse 2014 weist der Verband, die Deutsche Bank ausgenommen, eine Verringerung der aggregierten Rendite durch die noch ausstehende Regulierung von 4,7 % auf 2,3 % aus. Die Verbesserung der simulierten Renditekennziffer um 1,6 Prozentpunkte verdanken die Institute einer Erhöhung ihres Nachsteuerergebnisses um 2,1 Mrd. Euro im Jahr 2015, aber auch dem Abbau von Risiken. Da diese Banken im vorvergangenen Jahr zudem 17 Mrd. Euro an hartem Eigenkapital aufgebaut haben und die Kapitalkosten auch deswegen insgesamt gegenüber 2014 um 0,9 Punkte auf 7,9 % gesunken sind, hat sich die Lücke zwischen Kapitalkosten und Eigenkapitalrendite in der Gruppe ohne die Deutsche Bank von 6,5 auf 4 Punkte verkleinert. IFRS 9 kostet KapitalquoteEntspannung ist für diese Banken deshalb allerdings nicht angezeigt, wie der VÖB deutlich macht. Schließlich bezieht sich die Untersuchung allein auf das Baseler Reformpaket. Auswirkungen weiterer Regelwerke wie der Trennbankenverordnung, Mifid II, des Derivateregelwerks Emir, einer Finanztransaktionssteuer oder des Bilanzstandards IFRS 9 blieben außen vor. Allein die 2018 in Kraft tretende Bilanznorm zur Bildung von Risikovorsorge dürfte die 17 deutschen Institute 59 Basispunkte harte Kernkapitalquote kosten, wie es unter Verweis auf eine Auswirkungsstudie der European Banking Authority (EBA) heißt. Dies entspräche einem Mehrbedarf von 7 Mrd. Euro harten Kernkapitals.Auf Basis dieser Erkenntnisse sollten “alle in Vorbereitung befindlichen Regulatorikvorhaben” überdacht werden, fordert der Verband. Die fehlende Rentabilität limitiere die Fähigkeit der Banken, Gewinne zu thesaurieren oder auszuschütten. Kurzfristige Maßnahmen, um die Renditelücke zu schließen, gebe es nicht. Zugleich werde es für unregulierte Anbieter immer attraktiver, ihre Aktivitäten auszubauen, heißt es.Bei seinen Berechnungen hat der Verband unterstellt, dass sich der Baseler Ausschuss zum Abschluss des Regelpakets Basel III, wie von den deutschen Vertretern dort angestrebt, auf einen Output Floor von 70 % einigen wird. Laut VÖB würde damit ein Anstieg der Risikoaktiva um 30 % einhergehen. Legt der Ausschuss den Floor, wie von seinem Chairman Stefan Ingves vorgeschlagen, auf 75 % fest, zögen die Risikoaktiva um 35 % an.Man sei “sehr froh”, dass die deutsche Aufsicht auf einem Output Floor von 70 % beharre, erklärte Lothar Jerzembek, Mitglied der VÖB-Geschäftsleitung, auf einem Pressegespräch am Freitag. Zwar rege der Ausschuss lange Übergangsfristen an, um den Aufwand zur Umsetzung eines Output Floor von 75 % abzumildern. Die Erfahrung zeige aber, dass ein solches Phasing-in am Kapitalmarkt nicht akzeptiert werde und Institute umgehend an den endgültigen Zielvorgaben gemessen würden.Selbst wenn die Aufseher ihr erklärtes Ziel erreichen würden, die Risikoaktiva “nicht signifikant” steigen zu lassen, also um nicht mehr als 10 %, entstehe den Banken ein Bedarf an hartem Kernkapital von 25 Mrd. Euro, heißt es.