Deutsche Börse auf der Suche
Von Dietegen Müller, FrankfurtDas Verdikt am Aktienmarkt ist eindeutig: Während die Aktien der LSE nach Bekanntwerden der Übernahmepläne für den Finanzdatendienstleister Refinitiv um 15,3% auf 6 542 Pence anzogen, fielen die Aktien der Deutschen Börse in einem behaupteten Gesamtmarkt 2,4 % tiefer auf 124,35 Euro. Für Deutsche-CEO Theodor Weimer, der noch am Donnerstag in einer Investorenkonferenz erklärt hatte, weiter an der Übernahme der zu Refinitiv gehörenden Devisenhandelsplattform FXall zu arbeiten (vgl. BZ vom 26. Juli), ist dies ein Rückschlag. Die Börse geht nicht mehr von einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen aus, teilte sie am Samstag ad hoc mit.Gelingt LSE die Übernahme von Refinitiv, gerät die Deutsche Börse, die mit knapp 23,7 Mrd. Euro Marktkapitalisierung nun hinter LSE (25,4 Mrd. Euro) liegt, in Bedrängnis. Das Börsen- und Datengeschäft ist skalengetrieben, lässt sich also mit wenig zusätzlichem Aufwand ausbauen, da auf bestehende Strukturen zurückgegriffen werden kann. Der Markt für Finanzdienstleistungen ist aber nicht friktionslos. Regulatorische Hürden mindern mitunter erhoffte Skaleneffekte. Doch die Deutsche Börse ist sich bewusst, dass sie nicht nur aus eigener Kraft wachsen kann, um im Wettbewerb zu bestehen, sondern auf Zukäufe angewiesen ist. “Wir sind zum Wachsen verdammt”, sagte Weimer bereits im Februar 2018. Swaps und ElektronisierungDie Übernahme von FXall hätte gut ins Konzept der Deutschen Börse gepasst, einen wachstumsträchtigen Bereich – den Devisenhandel über eine elektronische Plattform, an der verschiedene Marktteilnehmer miteinander handeln – stärker anzuzapfen. Das eigene Devisengeschäft 360 T wächst derzeit besonders stark im Konzernvergleich, doch mangelt es an kritischer Größe. Auch fehlt der Börse noch ein breites währungsbezogenes Angebot, wie Devisenswaps.Gelingt LSE die Übernahme von Refinitiv und damit von FXall, sichert sie damit ihre Stellung im internationalen Swap-Geschäft ab, etwa bei Währungsswaps (NDFs) oder im Clearing von Währungs-Optionen. Zusammen mit der Beteiligung an Tradeweb, die von einer langsamen, aber fortschreitenden Elektronisierung des europäischen Fixed-Income-Handels profitiert (vgl. BZ vom 19. Februar), wächst der Deutschen Börse hier ein schlagkräftiger Konkurrent heran, der die Bemühungen der Eschborner erschwert. Dies trotz des anstehenden Brexit, der sich voraussichtlich nur auf den relativ überschaubaren, auf Euro lautenden Anteil des Geschäfts (Euro-Clearing) der Briten negativ auswirken dürfte.So bekräftigt die Börse, sie wolle weitere Akquisitionen angehen. Nur gestaltet sich die Suche schwierig, mögliche Objekte sind rar und teuer. Als interessant gilt Market Axess. Ein möglicher Verkauf der Borsa Italiana durch LSE wäre dagegen nach Einschätzung der Deutsche-Bank-Analysten eher für die Mehrländerbörse Euronext interessant.