Deutsche Grunderwerbsteuer steht auf dem Prüfstand
Deutsche Grunderwerbsteuer steht auf dem Prüfstand
Die Grunderwerbsteuer ist für den deutschen Fiskus eine Erfolgsgeschichte. Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer hat sich von 5,29 Mrd. Euro im Jahr 2010 auf 17,12 Mrd. Euro im Jahr 2022 mehr als verdreifacht. Dies ist ein überproportionaler Anstieg im Vergleich zu dem Gesamtsteueraufkommen, das sich im gleichen Zeitraum von 530,60 Mrd. Euro auf 895,70 Mrd. Euro nicht einmal verdoppelt hat.
Preise und Steuersätze steigen
Die Gründe für den starken Anstieg des Grunderwerbsteueraufkommens sind vielfältig. Dazu zählen der Anstieg des Transaktionsvolumens, der Immobilienpreise und der Grunderwerbsteuersätze.
Entscheidend zum hohen Grunderwerbsteueraufkommen beigetragen hat aber insbesondere auch die Ausweitung der Besteuerungstatbestände durch den Gesetzgeber. In Deutschland wird nicht nur der unmittelbare Erwerb von Grundstücken der Grunderwerbsteuer unterworfen, sondern auch die direkte und indirekte Übertragung von Anteilen an Gesellschaften, die Immobilien halten.
Mehrfache Besteuerung möglich
Diese Besteuerung ist so umfassend, dass die Umstrukturierung von Unternehmen teilweise mehrfach Grunderwerbsteuer auslöst. Damit schränkt die Grunderwerbsteuer die Flexibilität von Unternehmen ein, die gerade in Zeiten disruptiver Entwicklungen notwendig ist, um sich schnell an neue Marktbedingungen anzupassen und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der Blick über die Grenzen zeigt, dass es in den meisten EU-Staaten derartige Belastungen bei Umstrukturierungen nicht mehr gibt. Dort bestehen vielfach weitgehende Befreiungen bei Umstrukturierungen. Woran liegt das?
Bereits im Jahr 1969 wurde in der EU die sogenannte Kapitalverkehrsteuerrichtlinie verabschiedet und seitdem mehrfach geändert. Diese Richtlinie verbietet die Erhebung jeder Art von indirekten Steuern oder Abgaben auf Umstrukturierungen.
Deutsche Regelung greift nicht
In Deutschland gibt es zwar seit 2009 eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Umstrukturierungen im Konzern. Diese Regelung bleibt aber weit hinter den Vorgaben der Kapitalverkehrsteuerrichtlinie zurück und wird darüber hinaus in der Praxis von der Finanzverwaltung so restriktiv ausgelegt, dass die Steuerbefreiung von Umstrukturierungen nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist.
Dies musste auch eine Aktiengesellschaft erfahren, die im Jahre 2017 eine Umstrukturierung durchführte. Da die Aktiengesellschaft mittelbar über Zwischengesellschaften Grundstücke in Deutschland hielt, setzte das Finanzamt Grunderwerbsteuer auf die Umstrukturierung fest. Die Voraussetzungen der Konzernsteuerbefreiung waren nicht erfüllt.
Dagegen legte die Aktiengesellschaft zunächst Einspruch und später Klage ein. Sie berief sich dabei auf die unmittelbare Anwendung der Kapitalverkehrsteuerrichtlinie und beantragte die Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Das Verfahren ist derzeit beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.
Auf der Grundlage neuer Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht dürfte der BFH in der Sache zunächst nicht selbst entscheiden, sondern den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen. Betrachtet man die EuGH-Rechtsprechung zur Anwendung der Kapitalverkehrsteuerrichtlinie in
anderen EU-Staaten, ergeben sich gewichtige Argumente dafür, dass Umstrukturierungen umfassend von der deutschen Grunderwerbsteuer auszunehmen sind.
Steuerfall von enormer Bedeutung
In diesem Fall würde mit dem Wegfall der Grunderwerbsteuer ein erhebliches steuerliches Hindernis entfallen. Der Steuerfall ist damit nicht nur für die betroffene Gesellschaft, sondern für alle Unternehmen mit deutschem Grundbesitz von enormer Bedeutung.