Umfrage bei Immobilienexperten

Deutscher Immobilienmarkt steht vor dem Aufschwung

Investoren halten sich stärker zurück als im übrigen Europa – der Wohnungsbau zieht insgesamt an, nicht aber der Neubau.

Deutscher Immobilienmarkt steht vor dem Aufschwung

Deutscher Immobilienmarkt dürfte Tiefpunkt erreicht haben

Investoren halten sich stärker zurück als im übrigen Europa – Wohnungsbau zieht insgesamt an, nicht aber der Neubau

tl Frankfurt

Investoren sind am deutschen Immobilienmarkt zurückhaltend. Das gilt sowohl im europäischen als auch im weltweiten Vergleich. „Deutschland hat Nachholbedarf“, sagte Susanne Eickermann-Riepe, Vorsitzende des European World Regional Board (EWRB) des Berufsverbands der Immobilienfachleute und Immobiliensachverständigen RICS. „Wir sehen eher ein Süd-Nord-Gefälle als ein Nord-Süd-Gefälle. Spanien und Italien sind schon durch ein tieferes Tal gegangen und schon wieder im Aufwind.“

Ein Faktor, der noch gar nicht in der Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes berücksichtigt ist, sei die Demografie, gab Jens Böhnlein, RICS Deutschlandchef, zu bedenken. Andererseits dürfte die Lage besser sein als die Stimmung. Wenn es der Gesamtwirtschaft gut geht, geht es auch der Immobilienwirtschaft gut.

Wenig Neubauten

Immerhin zieht hierzulande die Bautätigkeit im Wohnbereich kräftig an. Auch bei Gewerbeimmobilien zeigt sich ein deutlicher, wenn auch nicht ganz so ausgeprägter Anstieg. Das zeigt der von RICS vierteljährlich erhobene Global Construction Monitor. Allerdings zeigt der Trend bei den Neubauprojekten weiterhin nach unten. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Eine Mehrheit der Immobilienspezialisten glaubt jetzt, dass der deutsche Markt seinen Tiefpunkt erreicht hat. Die Nachfrage von Investoren hat sich zwar ganz leicht verbessert, verharrt aber im Indexwert (als Saldo von positiven und negativen Aussagen der Befragung) immer noch im negativen Bereich. Bei den Kapitalwerten und Mieten sind die Erwartungen für die kommenden Monate für die zentralen Lagen insbesondere im Bürobereich positiv, in den Nebenlagen aber deutlich negativ. „Im Office-Bereich gibt es eine Flight to Quality, man will tolle Büros in den Toplagen. Die Büros in den Nebenlagen fallen hinten runter. Das wird uns noch viele Jahre beschäftigen“, sagt Eickermann-Riepe. Es dürfte zu vielen Umnutzungen zu Wohnungen oder Hotels kommen. „Im Moment decken die Einnahmen aus den laufenden Mietverträgen noch die operativen Kosten. Wenn das zu Ende geht, wird es kritisch.“

Kapitalwerte und Mieten bei Mehrfamilienhäusern und Rechenzentren steigen

Sehr viel positiver ist die Lage bei Mehrfamilienhäusern und Rechenzentren. Hier sind die Erwartungen besonders groß, dass Kapitalwerte und Mieten in den kommenden zwölf Monaten stark steigen werden. Allerdings ist das Management von Wohnungen nicht einfach. „Das kann nicht jeder“, betont Eickermann-Riepe. „Da braucht man schon einen guten Track Record.“ Für Investoren ist die zukünftige Mitentwicklung besonders wichtig. „Da vertun sich manche mit dem Mietendeckel hierzulande“, gibt die RICS-Europachefin zu bedenken.

Erwartungen und Umsetzung sind zweierlei paar Schuhe. Als große Hürden bei Wohn-Neubauprojekten erweist sich, Investoren zu finden und eine ausreichende Finanzierung zu bekommen. „Die Kommunen fragen sich, ob sie weiteres Bauland ausweisen. Passt die Infrastruktur dazu? Überlaste ich meine Stadt mit den Zuzüglern?“ Der neue Infrastrukturfonds könnte helfen, diese Bedenken auszuräumen.

Lange Genehmigungszeiten

Eine weitere große Hürde beim Neubau sind die langen Genehmigungszeiten für Bauanträge. Ein gutes Zeichen sind die zunehmenden Konzeptvergaben der Kommunen. „Da gibt es zumindest in den kleinen und mittleren Städten gute Beispiele“, hat Eickermann-Riepe beobachtet. Projektentwickler müssen sich im Rahmen solcher Vergaben um qualitative Verbesserungen bemühen im Sinne einer angenehmen Nachbarschaft, einer guten Durchmischung der Bewohner oder der Mitfinanzierung von Infrastruktur. Das geht dann in Richtung Social Impact Investing.

Schlechtere Kreditkonditionen

Die Kreditkonditionen haben sich im ersten Quartal deutlich verschlechtert, so die Wahrnehmung der Befragten im Rahmen des Global Commercial Property Monitor (GCPM). Dies liegt zum einen an den höheren Zinsen, die Banken verlangen, wenn sie mehr Risiken zum Beispiel durch eine geringere Energieeffizienz des Projekts übernehmen müssen. Außerdem wird bei Projekten ein höherer Eigenkapitalanteil als früher erwartet. Auch bei Prolongationen verlangen die Banken aufgrund der niedrigeren Objektbewertung mehr Eigenkapital. Unterstützen könnten eine geringere Grundsteuer und bessere Abschreibungsmöglichkeiten. „Ich bin gespannt, was da noch kommt“, sagt Eickermann-Riepe. Auf der anderen Seite führten Pläne zur Ausweitung der Mietpreisbremse (die inzwischen wieder einkassiert wurden) dazu, dass ganze Businesspläne wieder platzten.

Von Thomas List, Frankfurt
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.