Die Angst vor der zweiten Welle

Bedarf an Coronahilfen der KfW ebbt ab, zugleich droht verspätete Notlage

Die Angst vor der zweiten Welle

Von Jan Schrader, FrankfurtEs sieht so aus, als liege KfW-Chef Günther Bräunig mit seiner Prognose richtig: Binnen weniger Wochen werde das Coronahilfsprogramm, das die Vergabe günstiger KfW-Darlehen an Unternehmen vorsieht, ein Antragsvolumen von 50 Mrd. Euro erreichen, vielleicht auch mehr, sagte er in einer Telefonkonferenz Anfang April. Die Marke von 100 Mrd. Euro, die über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes für die Refinanzierung der KfW bereitgestellt wird, werde die Bank mutmaßlich nicht erreichen. Eine Welle der Anträge skizzierten er und seine Vorstandskollegin Ingrid Hengster für April und Mai, ehe sich die Lage beruhigen werde.Und siehe da: Die Prognose trifft bisher weitgehend zu. Die Schwelle von 50 Mrd. Euro war Anfang Juli erreicht, mit 53,5 Mrd. Euro zur zurückliegenden Wochenmitte hat der Umfang seither aber nur geringfügig zugelegt. Fest zugesagt hat die Förderbank bis vor wenigen Tagen annähernd 43 Mrd. Euro, etliche Hilfen sind also noch nicht genehmigt. Kommen wie zuletzt nur noch wenige Anträge herein, hat das Programm die meisten Mittel bereits ausgezahlt.Sehr leicht aber könne die zuletzt geringe Nachfrage wieder zulegen, warnt Peter Barkow, Geschäftsführer der Beratungsfirma Barkow Consulting, der die Daten der KfW analysiert hat. Er rechnet mit einem Nachholeffekt aus der Wirtschaft: Etliche Firmen brauchen demnach erst ihre Reserven auf, ehe sie nach Hilfe fragen. Manchmal beantragen Unternehmen Kredite auch in einer weiteren Runde: Der Reisekonzern Tui hatte zur Wochenmitte den Bezug neuer Staatshilfen angekündigt, einschließlich weiterer Kredithilfen der Förderbank. Mühsame RückkehrDie KfW zeichnet in einer volkswirtschaftlichen Analyse ein differenziertes Bild: Während etwas mehr als die Hälfte aller Unternehmen in einer Umfrage vor einigen Wochen zu Protokoll gab, gerechnet ab Anfang Juni für bis zu sechs Monate oder auch länger über ausreichende Reserven zu verfügen, haben andere Firmen nur wenige Mittel. Gut ein Fünftel hätte schlimmstenfalls innerhalb von vier Wochen oder noch schneller die liquiden Mittel aufgebraucht, ehe sie ihre Geschäftstätigkeit aufgeben müsste, wie die KfW-Volkswirte berichten. Eine leichte Entspannung zeichne sich zwar bereits ab. “Die Rückkehr zu voller Wirtschaftsaktivität wird allerdings mühsam und ist für die meisten Unternehmen nicht vor dem Frühjahr 2021 absehbar.”Entscheidend ist aus Sicht der Förderbank, ob es zu einer weiteren Lockdown-Phase wie im März, April und Mai kommt. Ohne erneute tiefgreifende Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft sieht die Förderbank eher kein Aufflammen der Nachfrage, wie einer Sprecherin am Freitag erklärte. Kämen jedoch neue Einschränkungen, wäre eine weitere Antragswelle nach ihren Worten plausibel. Prognosen seien aber unsicher, schränkte sie ein. KfW-Managerin Hengster, die im Vorstand das Inlandsgeschäft verantwortet, hatte sich Anfang April zuversichtlich gezeigt, dass das Programm bis Jahresende auslaufen könne. Weder der rasche Rückgang der Neuinfektionszahlen in den darauffolgenden Wochen noch der schleichende Anstieg seit etwa Mitte Juli war damals schon absehbar. Nach Daten des Robert-Koch-Instituts steigt die Zahl der Neuinfektionszahlen seit ungefähr Mitte Juli wieder an. Am Freitag meldete das Institut bundesweit 1 449 neue Fälle, das ist der höchste Stand binnen eines Tages seit Anfang Mai. Hilferuf wird zur GewohnheitDer Ruf nach immer neuen Hilfen reißt nicht ab: Das im März lancierte Sonderprogramm sah eine Bundesgarantie von bis zu 90 % vor, um die Vergabe der KfW-Sonderkredite über Banken und Sparkassen anzufachen. Der Forderung nach einer vollständigen Garantie kamen Bund und Förderbank nur wenig später mit dem “Schnellkredit” nach, der wegen der maximalen Höhe von 800 000 Euro für kleine Firmen in Frage kommt.Weil sich das Darlehen aber an Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern richtet, fielen die meisten Firmen und Selbstständige durch das Raster, kritisiert die Finanzierungsplattform Fincompare, die sich an Unternehmen richtet. Die KfW will ihr Hilfsprogramm derweil als Baustein verstanden wissen, der andere Coronahilfen der Bundesregierung flankiere. Für kleine Unternehmen und Selbstständige gibt es etwa Zuschüsse. Das Neugeschäft der KfW hat jedenfalls inklusive regulärer Programme mit 76,2 Mrd. Euro im ersten Halbjahr alle Rekorde gebrochen.