„Die Bank hatte Fehler gemacht“
Stefan Kroneck
Herr Schlaberg, Sie sind seit 2019 Vorstand der Deutschen Handelsbank. Wie haben Sie das Institut neu ausgerichtet?
Wir haben das Geschäftsmodell der Deutsche Handelsbank von einst vier auf zwei Geschäftsfelder reduziert. Wir fokussieren uns heute auf die beiden Bereiche Zahlungsverkehr und Bankdienste inklusive Kredite. Kernaktivität des Instituts ist die Finanzierung softwarebasierter Technologieunternehmen in deren Wachstumsphasen. Wir sind davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist, um das Geschäftsmodell dauerhaft profitabel zu gestalten.
Warum gab es diesen Handlungsbedarf, die Bank strategisch zu reorganisieren?
Die Deutsche Handelsbank war zu breit, zu komplex aufgestellt. Das Institut erwies sich in der Strategie als zu wenig fokussiert. Die Bank ist relativ klein. Bei einer Bilanzsumme von über 800 Mill. Euro und rund 70 Mitarbeitern führte die bisherige Aufstellung zu Ineffizienzen und zu höheren Risiken. Aus diesem Grunde mussten wir das Kreditportfolio bereinigen. Heute sind wir klar positioniert als Bank für Technologie-Start-ups und -Wachstumsunternehmen mit einer digitalen Ausrichtung.
Erweist sich das Geschäftsmodell in der Coronakrise als widerstandsfähig?
Wir haben Komplexität abgebaut und Risiken reduziert. Das Geschäftsmodell der Deutschen Handelsbank ist heute viel stabiler als in der Vergangenheit. Aufgrund unserer Ausrichtung auf digitale Wachstumsunternehmen ist unser Kreditportfolio allerdings risikoreicher als im klassischen Bankgeschäft, wo der Darlehensnehmer meist über eine längere Unternehmensvita verfügt. Wir sind daher zum Beispiel im Rahmen einer allgemeinen Wirtschaftskrise nach wie vor risikoanfälliger als andere Institute. Wir fühlen uns heute mit Blick auf unser Kreditportfolio trotzdem sehr komfortabel aufgestellt.
Hält die Eigentümerfamilie weiterhin zur Deutschen Handelsbank?
Ja, zweifellos. Die Unternehmerfamilie Reimann-Dubbers unterstützt die Bank weiterhin finanziell, um die Wachstumsstrategie umzusetzen. Im vergangenen Dezember führte sie der Deutschen Handelsbank 5 Mill. Euro an frischem Kapital zu, im laufenden Monat März sind es planmäßig weitere 10 Mill. Euro. Die Eigentümer sind von der Strategie der Bank überzeugt.
Die Pandemie macht unter anderem dem Bankgewerbe zu schaffen. Viele Institute mussten ihre Risikovorsorge deutlich erhöhen. Wie sieht es bei Ihrer Bank aus?
Wir konnten uns dieser Entwicklung nicht vollständig entziehen. 2020 haben wir eine Risikovorsorge in ähnlicher Höhe angesetzt wie im Jahr zuvor. 2019 hatten wir im Zuge der Neuaufstellung des Instituts die Risikovorsorge um über 14 Mill. Euro erhöht. Wir mussten in der Coronakrise der Tatsache Rechnung tragen, dass unser Kreditportfolio aufgrund unserer Ausrichtung risikoreicher ist als im Durchschnitt des Bankensektors. Unsere Ausfallrisiken sind höher.
Wie wirkt sich das auf das Ergebnis aus?
Wir gehen davon aus, dass der Fehlbetrag nach Steuern für 2020 höher ausfallen wird als für 2019. Wir sind sehr konservativ in der Risikovorsorge aufgestellt. Im Jahr 2019 mussten wir einen Verlust von 5,3 Mill. Euro verbuchen nach einem Gewinn von 3,7 Mill. Euro im Jahr 2018. Der Geschäftsbericht für 2019 wurde im Februar dieses Jahres im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Die Covid-19-Pandemie dauert an. Was bedeutet das für Ihre Ergebniserwartung im laufenden Jahr?
Die Deutsche Handelsbank ist vor Risikovorsorge profitabel. Es ist schwer vorherzusehen, welche Wirkung die Pandemie auf die Wirtschaft, unsere Kunden und damit auch auf unser Ergebnis in diesem Jahr hat. Somit ist aus unserer Sicht kaum prognostizierbar, in welche Richtung das Ergebnis nach Steuern 2021 geht.
2019 hat die Deutsche Handelsbank ihr Kreditvolumen deutlich um 80 Mill. auf 208 Mill. Euro ausgebaut. Welches Volumen ist aus Ihrer Sicht für die Bank nach der Neuaufstellung vertretbar?
Aus meiner Sicht ist ein Kreditvolumen in einer Spanne von 150 Mill. bis 200 Mill. Euro für die Deutsche Handelsbank angemessen.
Die Bank wollte einst das maximale Kreditengagement pro Darlehensnehmer im Neugeschäft auf bis zu 10 Mill. Euro verdoppeln. Wie sieht es nun aus?
Das war das Ziel noch vor meiner Zeit bei der Deutschen Handelsbank. Dieser Ansatz hätte Klumpenrisiken für das Institut mit sich gebracht. Das war für das überarbeitete Geschäftsmodell nicht tragbar. Wir streben im Durchschnitt ein Darlehensvolumen pro Kunde von 3 Mill. Euro an.
Wie ist die Position Ihrer Bank im Wettbewerb?
Wir sind in einem stark wachsenden Segment unterwegs. Bei der Finanzierung von Tech-Start-ups mit digitalem Geschäftsmodell sind nur wenige Spezialbanken aktiv. Zu unseren Wettbewerbern zähle ich unter anderem die Silicon Valley Bank und das Tech-Team der HypoVereinsbank sowie angelsächsische Venture Debt Funds. Volkswirtschaftlich betrachtet fördern unsere Aktivitäten die Modernisierung der deutschen Wirtschaft.
Warum ist der Markt auf der Angebotsseite überschaubar?
Viele Banken mit herkömmlicher Ausrichtung haben sich aus diesem Segment zurückgezogen. Die Anforderungen der Finanzaufsicht – unter anderem in Bezug auf die Unterlegung mit Eigenkapital – sind gestiegen. Das macht das Segment für manche Institute nicht mehr so attraktiv, obwohl es aufgrund teils zweistelliger Kreditzinssätze sehr lukrativ sein kann.
Arbeiten Sie mit Gesellschaften zusammen, die mit öffentlichem Förderauftrag sich auf die Finanzierung des Mittelstands spezialisiert haben wie etwa die Bayerische Beteiligungsgesellschaft BayBG?
Ja, das tun wir. Förderinstitutionen sind für uns potenzielle Geschäftspartner. Wir arbeiten auch mit der BayBG zusammen.
Fehlgeschlagene Engagements im britischen Konsumentenkreditgeschäft mit dem damaligen Partner Fidor Bank haben das Institut vor wenigen Jahren beinahe in eine Schieflage gebracht, wenn die Eigentümerfamilie nicht mit frischem Kapital ausgeholfen hätte. Sind diese Altlasten heute endgültig bilanziell verarbeitet?
Ja, das Thema Fidor ist für uns heute auf der Passivseite der Bilanz abgeschlossen. Die Bank hatte damals Fehler gemacht. Man hatte sich zu sehr auf das Controlling der Fidor Bank verlassen. Heute ist unser Controlling auf dem neuesten Stand. Wir können monatlich die Risikolage überwachen und – bei Bedarf – rasch reagieren.
Ihr Institut hatte seinerzeit erwogen, aufgrund des Schadens gegen die Fidor Bank Rechtsmittel einzulegen. Was ist daraus geworden?
Bereits vor meiner Zeit bei der Deutschen Handelsbank war ein Arrangement mit der Fidor Bank getroffen worden. Infolgedessen wurden keine rechtlichen Schritte eingelegt.
Das Interview führte.