Die Deutsche Bank hat Nachholbedarf
Mit einem Abbau von bis zu 20 000 Stellen würde die Deutsche Bank einen Befreiungsschlag wagen, zugleich aber nur nachholen, was unter Ertragsdruck geratene Wettbewerber schon vor Jahren beschlossen. Bei Aktionären werden Zweifel laut, ob die Kürzungen tatsächlich so tiefgreifend ausfallen werden.Von Bernd Neubacher, FrankfurtSpekulationen über den Abbau von 15 000 bis 20 000 und damit bis zu gut jeder fünften Stelle haben die Deutsche Bank in den Fokus gerückt. Die Restrukturierung, dem Vernehmen nach großteils in den USA, aber auch im Retail-Geschäft und in den Infrastrukturbereichen vorgesehen, wirkt rabiat und wird auch nicht ohne Weiteres umsetzbar sein – der Umbau dürfte sich über Jahre hinziehen. Zugleich würde die Bank damit nur einen guten Teil des Rückstands aufholen, den sie gegenüber Konkurrenten hat, deren Erträge infolge der Finanzkrise ebenfalls erodiert sind.Tatsächlich hat der Konzern in den vergangenen Jahren von Kostenbewusstsein und Stellenkürzungen vor allem geredet – stattgefunden hat es andernorts. Das verdeutlicht ein Vergleich mit neun Wettbewerbern, welche das Haus mit Ausnahme von Unicredit selbst in seinem Vergütungsbericht als Vergleichsgruppe heranzieht (siehe Grafik). Kein einziges dieser Institute hat seit 2006, dem letzten Abschluss vor Beginn der Finanzkrise, ungeachtet fallender Einnahmen einen derartigen Beschäftigungsaufbau betrieben. Zwar haben auch BNP Paribas und J.P. Morgan kräftig Leute eingestellt. Dies hat sich aber jeweils in steigenden Erträgen niedergeschlagen.Neben der Deutschen Bank hat nur Credit Suisse, ebenfalls ein Sorgenkind der Anleger, Ertragsdruck ignoriert. Die Deutsche Bank sparte in der Vergangenheit immer wieder Jobs ein, zugleich musste sie aber auf Betreiben der Aufseher Hunderte von Compliance-Spezialisten einstellen. Auch trieb die Übernahme der Deutschen Postbank die Zahl der Beschäftigten, ohne dass der Konzern bisher die entsprechenden Synergien realisiert hätte. All dies trug dazu bei, dass die Aufwandsquote der Deutschen Bank zwischen 2006 und 2018 von 70,2 % auf sagenhafte 92,7 % gesprungen ist, während die Eigenkapitalrendite von 19,5 % auf 0,4 % kollabierte.Sollte der Konzern nun tatsächlich zum personellen Kahlschlag ausholen, wäre dies das Eingeständnis, dass die von Vorstandschef Christian Sewing bereits nach Amtsantritt im vergangenen Jahr angekündigten Einschnitte nicht ausreichen. Auf der anderen Seite wird Sewing im Markt Respekt dafür gezollt, dass er sich überhaupt an die schwierige Aufgabe macht, das defizitäre Investment Banking zur Ader zu lassen. Ein Paket soll es seinBeschlüsse sind dem Vernehmen nach bald zu erwarten. Bereits am Sonntagabend könnte Gewissheit herrschen, wie zu erfahren ist. Die Sparmaßnahmen sollen demnach möglichst im Paket mit einem Umbau im Vorstand bekannt gegeben werden. Konkret geht es um die Entfernung von Investment-Banking- und Konzern-Vizechef Garth Ritchie sowie Regulierungsvorstand Sylvie Matherat, die bei den Investoren und der Aufsicht in Ungnade gefallen sind. Gespräche über Nachfolgeregelungen dauern noch an.Offen bleibt dabei, wie die Bank den Umbau zu finanzieren gedenkt, da eine Kapitalerhöhung angesichts des verfallenen Aktienkurses schwierig wäre. Es geht um Milliardenbeträge. Als die Commerzbank 2016 den Abbau von 9 600 Vollzeitstellen ankündigte, knapp der Hälfte der nun maximal im Raum stehenden Kürzungen, sprach sie von 1,1 Mrd. Euro Restrukturierungskosten. Nun will die Deutsche Bank allerdings vor allem im hoch bezahlten Investment Banking kürzen und nicht, wie die Commerzbank, im Massengeschäft streichen, was entsprechende Abfindungen kaum reduzieren dürfte. Mancher Investmentbanker dürfte seine Energie nunmehr darauf verlegen, seine Abfindung zu maximieren. Fallen Jobs in den USA weg, wirkt sich für die Bank gleichwohl günstig aus, dass Kündigungen dort leichter durchzusetzen sind als in Deutschland.Bei Investoren wird schon geargwöhnt, dass der Umbau letztlich nicht ganz so groß ausfallen wird wie momentan kolportiert. Schon in der Vergangenheit habe die Bank möglichst große Zahlen präsentiert, um den Markt zu beeindrucken, und dabei noch nicht abgearbeitete Abbauprogramme einbezogen. Geäußert wird nun die Erwartung, dass die Bank den Abbau von 15 000 Jobs ankündigt. Davon dürfte ein Zehntel auf Stellen entfallen, deren Fortfall schon 2018 angekündigt wurde mit dem Vorhaben, die Zahl der Jobs im Konzern unter 90 000 zu drücken. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht verwunderlich, wenn darin auch rund 2 000 Jobs enthalten wären, die der Postbank-Integration zum Opfer fallen sollen. Nach Einigung auf den Abbau von 750 Stellen am Freitag haben sich Management und Arbeitnehmer am Montag auf weitere 1 300 verständigt.