Die fruchtbare Scholle der Großbanken

Der Börsengang von ABN Amro ist nicht nur für Credit Suisse ein interessanter Test

Die fruchtbare Scholle der Großbanken

Von Daniel Zulauf, ZürichDie niederländische ABN Amro Bank gibt aller Voraussicht nach Ende kommender Woche ihr Comeback an der Amsterdamer Börse. “Ein logischer Schritt”, wird Konzernchef Gerrit Zalm in der am Montag vom Unternehmen verbreiteten Mitteilung zitiert. Sieben Jahre nach dem Zusammenbruch und der darauffolgenden Verstaatlichung hat sich der Finanzkonzern so weit aufgerappelt, dass er sich inzwischen wieder in die Reihe erfolgreicher Großbanken stellen darf.Doch die ABN Amro von damals, die mit ihren großen Ambitionen in allen Geografien und Geschäftsfeldern das Flaggschiff des internationalen Amsterdamer Finanzplatzes war, hat mit dem Image der ABN Amro von heute fast gar nichts mehr zu tun. Größe und globale Präsenz sind für die Bank längst keine relevanten Qualitätsmerkmale mehr. Das Unternehmen hat sich im Zuge der Sanierung ganz auf die Geschäfte im heimischen Markt konzentriert. Dort ist ABN Amro über alle Krisenjahre hinweg eine Macht geblieben.Die Analysten von der kanadischen Ratingagentur DBRS bezeichnen die Bank als eines der drei führenden Finanzinstitute im hochkonzentrierten niederländischen Bankenmarkt. Das Institut verfügt über einen Marktanteil von über 20 % im heimischen Hypothekengeschäft. Auch im lokalen Private Banking ist die Marke offensichtlich von einiger Strahlkraft, wie das verwaltete Vermögen von 206 Mrd. Euro erkennen lässt. Schließlich ist der Konzern auch ein starker Anbieter im Geschäft mit lokalen und internationalen Firmenkunden, von denen viele in den Niederlanden operieren.Die Bank ist dem Profil der Schweizer Großbanken in ihrem Heimmarkt qualitativ und quantitativ in vielerlei Hinsicht zum Verwechseln ähnlich. Der Vergleich ist deshalb interessant, weil auch die Credit Suisse voraussichtlich im nächsten Jahr ihre Schweizer Einheit an die Börse bringen möchte. Das hatte Konzernchef Tidjane Thiam am Kapitalmarkttag vom 21. Oktober zur großen Überraschung fast aller Beobachter angekündigt.Der CEO sagte, die Holding erwäge, 20 % bis 30 % der Aktien ihrer Schweizer Universalbank an Drittinvestoren zu veräußern und daraus 2 Mrd. bis 4 Mrd. sfr zu erlösen. Als Begründung für den Plan nannte er einerseits die Möglichkeit, dem Konzern eine zusätzliche Quelle zur Kapitalbeschaffung zu erschließen, und andererseits die Absicht, den in der Schweizer Universalbank schlummernden und von den Investoren bis dato unterschätzten Unternehmenswert zum Nutzen aller Aktionäre endlich sichtbar zu machen.Mit der Ankündigung hat sich Thiam in der Schweiz nicht nur Freunde gemacht. Viele Mitarbeiter klagen in den einschlägigen Internetforen, die Bank sei mit ihrem neuen Chef vom Regen in die Traufe geraten, Thiam betreibe den Ausverkauf der Schweizer Großbank.Doch der geplante Börsengang von ABN Amro zeigt, dass Thiam mit seinen Schätzung über den Wert seiner Schweizer Universalbank mindestens aus heutiger Sicht nicht schlecht gelegen haben dürfte und dass er das Potenzial eher unter- als übertrieben haben könnte. Der niederländische Staat möchte im Idealfall 23 % seiner ABN-Amro-Beteiligung loswerden und dafür maximal 4,3 Mrd. Euro oder 20 Euro pro Titel, aber mindestens 3,5 Mrd. Euro bzw. 16 Euro pro Titel einnehmen. Das wären also im besten Fall rund 50 % mehr als das, was vor drei Wochen dem Credit-Suisse-Chef als potenzieller IPO-Erlös vorschwebte. Dabei haben die beiden Konzerne 2014 fast exakt gleich viel verdient. Der von ABN Amro ausgewiesene Vorsteuergewinn erreichte 1,5 Mrd. Euro, während jener der Schweizer Universalbank der Credit Suisse gemäß den Angaben Thiams vom 21. Oktober bei 1,6 Mrd. sfr lag. Natürlich ist ein solcher Vergleich mit Vorsicht zu genießen, zumal die Credit Suisse bislang noch nie detaillierte und testierte Zahlen zu ihrem Schweizer Geschäft ausgewiesen hat. Doch dessen ungeachtet dürften in den nächsten Monaten noch viele solche Vergleiche in der europäischen Bankenlandschaft angestellt werden.Für Alexandre Birry, Kreditanalyst und Spezialist für Banken- und Bankenregulierung bei Standard & Poor’s, ist es “ziemlich wahrscheinlich”, dass die regulatorischen Entwicklungen und vor allem ein Trend zu einer stärkeren Nationalisierung der Aufsicht (“Ringfencing”) zu “weiteren grundlegenden Veränderungen in den Strukturen der Großbanken in Europa” führen werden. Der Kapitalbedarf steigt”Das geplante Teil-IPO von Credit Suisse Switzerland muss nicht das Hauptszenario sein, aber es ist ein Weg, wie sich Großbanken mehr Kapital beschaffen können.” Birry glaubt, dass die anhaltenden Diskussionen im Baseler Ausschuss über die Definition der Risikogewichtung von Bilanzaktiva in einem weiter steigenden Kapitalbedarf der Großbanken enden werden.”Wir beginnen erst jetzt zu sehen, welche Folgen die höheren Kapitalvorgaben und die verschärften Aufsichtsregime für die Großbanken in Europa haben werden”, sagt Birry. Das Vorgehen der Credit Suisse könnte somit auch für andere Großbanken zu einer Option werden. Das macht das IPO von ABN Amro umso interessanter.