Im InterviewEdith Weymayr

„Die Gefahr ist, dass wir uns an gute Nachrichten gewöhnen“

Weder Pandemie noch Energieknappheit haben Unternehmen und Banken bisher in eine Krise gestürzt. Edith Weymayr, Chefin der L-Bank, des Förderinstituts in Baden-Württemberg, mahnt jedoch zur Vorsicht.

„Die Gefahr ist, dass wir uns an gute Nachrichten gewöhnen“

„Gefahr, dass wir uns an gute Nachrichten gewöhnen“

Baden-Württembergs Förderinstitut L-Bank sieht bisher keine tiefen Spuren einer Krise, mahnt aber zur Vorsicht – Fachkräftemangel treibt Bankchefin um

Weder Pandemie noch Energieknappheit haben Unternehmen und Banken in eine Krise gestürzt. Edith Weymayr, Chefin der L-Bank, mahnt jedoch zur Vorsicht. Im Interview der Börsen-Zeitung verteidigt sie die Kosten für die Abwicklung von Coronahilfen, plädiert für Wagniskapital und beklagt den Fachkräftemangel.

Frau Weymayr, in den vergangenen Wochen griff die Sorge vor einer Bankenkrise um sich. Wie stehen Sie dazu?

Das lässt keinen Banker kalt – egal, wo man tätig ist. Aber ich vertraue auf die Sicherungsmechanismen, auf die Aufsicht und auf die Notenbanken. Als L-Bank fühlen wir uns gut aufgestellt.

Förderinstitute wie die L-Bank profitieren von einer staatlichen Garantie. Verdienen sie dieses Privileg?

Förderbanken sind keine Geschäftsbanken, die auf dem Markt frei agieren können. Sie sind Institute, die im öffentlichen Auftrag tätig werden. Für ihre Funktion steht der Staat im Gegenzug ein. Das ist aus meiner Sicht legitim.

Eine Förderbank trägt damit keine existenzbedrohenden Risiken. Besteht ein Anreizproblem?

Wir sind nicht nur unserem Eigentümer und Haftungsnehmer, dem Land, verpflichtet, sondern auch der Bankenaufsicht. Falsche Anreize bestehen somit nicht. Es ist auch unsere Pflicht und unser Anspruch als Tochterunternehmen des Landes, solide zu haushalten.

Die BaFin hat Ihr Haus einer Sonderprüfung unterzogen. Was ist das Ergebnis?

Die Prüfung, wie sie in ähnlicher Form auch bei anderen Banken stattfindet, ist noch nicht abgeschlossen. Wir arbeiten professionell mit den Prüfern zusammen und berichten, sobald das Ergebnis da ist.

Wann wird das der Fall sein?

Vermutlich gegen Mitte des Jahres oder im dritten Quartal.

Für die Unternehmensführung erhielt die L-Bank gerade noch die Note 2. Sehen Sie Defizite in der Führung?

Nein. Wenn Sie die Noten aller beurteilten Banken nebeneinanderlegen, dann sehen Sie, dass die Note 2 eine gute Note ist. Viele Banken würden sich freuen, diese Note zu erhalten.

Auch innerhalb der Förderbankenlandschaft?

Auch innerhalb der Förderbankenlandschaft.

In Stuttgart residiert die L-Bank im Friedrichsbau am Börsenplatz. Außerdem ist die Förderbank Baden-Württembergs in Karlsruhe zu finden.

Die L-Bank hatte sich vor dem Europäischen Gericht gegen eine Aufsicht durch die EZB gewehrt. Am Ende wurde die Bank wie auch andere Förderbanken per Gesetz der BaFin unterstellt. Hat sich der Einsatz gelohnt?

Uns war es wichtig, von einer nationalen Stelle beaufsichtigt zu werden, da sie unser Geschäftsmodell besser versteht und näher dran ist.  

Auch die EZB versteht ihr Handwerk. Das macht doch keinen Unterschied.

Doch, die BaFin betreut auch andere Förderbanken und hat in diesem Feld Erfahrung. Das ergibt angesichts der Spezialitäten, die uns ausmachen, durchaus Sinn.

Was sind denn Ihre Spezialitäten? Auch andere Banken reichen Kredite aus.

Wir sind aber kein reines Kreditinstitut, sondern wickeln auch Verwaltungsakte ab. Denken Sie an die Coronahilfen oder an das Elterngeld, wofür wir in Baden-Württemberg verantwortlich sind. Wir genießen nicht die gleiche Freiheit wie eine gewöhnliche Bank, sondern sind an unseren öffentlichen Auftrag gebunden.

Für die Abwicklung der Coronahilfen an Unternehmen benötigte die L-Bank Unterstützung durch externe Berater. Bis Mitte 2022 belaufen sich die Kosten auf 88 Mill. Euro, mittlerweile sind es mehr. War das gerechtfertigt?

Die Kosten sind angemessen im Verhältnis zur Förderleistung. Wir sprechen über viele Milliarden an Hilfen und hunderttausende Anträge. Über Nacht haben wir die Kapazität auf die Beine stellen müssen.

Die oppositionelle FDP-Fraktion im Landtag kritisiert die Koalition aus Grünen und CDU für die Kosten.

Führen Sie sich vor Augen, in welcher Lage wir damals waren. In der Pandemie herrschte inmitten der Lockdowns bei vielen Betrieben und Selbständigen blanke Panik, weil die Einnahmen von einem Tag auf den nächsten weggebrochen waren. Es war wichtig, die Hilfen schnell an die Bedürftigen zu bringen. Das zeigte sich übrigens auch in anderen Bundesländern.

Sind alle Mittel richtig eingesetzt worden?

Grundsätzlich ja. Aber überall dort, wo Sie Mittel zur Verfügung stellen, gibt es leider Versuche, das System auszunutzen. Das war auch bei uns der Fall, wie in allen Bundesländern. Aber all das blieb in Baden-Württemberg im überschaubaren Rahmen. Im Übrigen überprüfen wir die Schlussabrechnungen der Hilfsempfänger und fordern im Einzelfall auch Geld zurück.

Eine schwere Wirtschaftskrise ist bisher ausgeblieben. Bleibt es dabei?

Das ist eine schwierige Frage. Zum Glück lief das vergangene Jahr deutlich positiver als befürchtet. Die Gefahr ist, dass wir uns an gute Nachrichten gewöhnen.

Wie sehen Unternehmen die Lage?

Sie kämpfen mit gestiegenen Preisen, an einigen Stellen mit Rohstoffengpässen, und sie beklagen vor allem den Fachkräftemangel. Wir sollten vorsichtig sein, aber ein dickes Ende sehe ich derzeit nicht.

Wie entwickelt sich aktuell die Kreditrisikovorsorge in Ihrem Haus?

Die Risikovorsorge ist auf dem Niveau der Vorjahre. Wir sehen bisher keine Anzeichen, dass wir unsere Bewertung grundsätzlich ändern müssen. Wir sind aber sehr wachsam im Moment – so wie andere Banken auch.

Die Bundesbank hatte im November davor gewarnt, die niedrige Risikovorsorge in die Zukunft fortzuschreiben. Sind Banken vorsichtig genug?

Die Risikoerkennung wird mit Modellen ermittelt, die sich schon lange bewährt haben. Es kommt auf eine realistische Einschätzung an, denn die Bilanz muss Wahrheit und Klarheit ausdrücken. Vorsichtsmaßnahmen müssen begründet sein. Eine Bank kann also nicht beliebig die Risikovorsorge erhöhen.

Die L-Bank will strukturell 21 Mill. Euro pro Jahr aus der Kostenbasis herausnehmen und 100 Stellen nicht nachbesetzen. Warum?

Die prozessuale Abwicklung soll künftig stärker automatisiert und digital ablaufen. Dabei geht es uns darum, das Haus modern aufzustellen. Auch künftig werden wir Stellen nachbesetzen, überall da, wo es zur Erfüllung unseres Förderauftrags nötig ist.

Bank- und IT-Fachleute sind rar. Macht Ihnen das Sorgen?

Ja und nein. Der allgemeine Fachkräftemangel ist besorgniserregend. Wir profitieren als Förderbank aber davon, dass junge Menschen sich mit unserem Geschäftszweck identifizieren können. Natürlich kommt es heute darauf an, nicht bloß Stellenausschreibungen zu veröffentlichen, sondern aktiv auf Leute zuzugehen.

Sie konkurrieren mit Banken und Technologiefirmen. Zahlt die L-Bank genug, um attraktiv zu sein?

Als Förderbank sind wir mit unserem nachhaltigen Geschäftsmodell attraktiv und ziehen damit sehr, sehr gute Fachkräfte an. Für das Gehalt gibt es keine Schablone. Wir zahlen eine Vergütung, die für beide Seiten angemessen ist.

Das klingt nach einem Aufruf: Habt Mut, über das Gehalt zu verhandeln.

Diesen Mut haben die Leute, dazu müssen wir sie nicht auffordern.

Die L-Bank fördert nicht nur den Mittelstand mit Krediten, sondern stellt im Auftrag des Landes Wagniskapital bereit. Warum?

Es geht uns darum, Unternehmen in Phasen zu unterstützen, in denen sie bereits viel Kapital brauchen, aber noch keine hohen Cashflows haben. Zum Glück haben wir in Deutschland bereits eine größere Venture-Capital-Landschaft als noch vor einigen Jahren. Aber im Vergleich zu internationalen Standorten ist es immer noch zu wenig.

Ähnlich argumentiert auch die KfW, die über ihre Tochter KfW Capital Wagniskapital bereitstellt. Wozu braucht es dazu noch eine Landesförderbank?

Weil alles, was da ist, noch nicht genug ist, um das zu fördern, was gefördert werden sollte. Und hier sehen wir uns für Baden-Württemberg in der Verantwortung.

Die L-Bank und das Land haben den Wagniskapitalfonds LEA Venturepartner initiiert. Folgt bald der nächste Fonds?

Das Geschäft braucht seine Zeit. Einen ersten Fonds hatten wir vor sechs Jahren auf den Weg gebracht, einen zweiten Fonds haben wir gerade gestartet. Bisher haben wir sehr auf Technikfirmen geachtet. Künftig werden wir auch weitere Branchen wie beispielsweise Medizintechnik oder Nachhaltigkeitsthemen in den Blick nehmen.

Einige Förderbanken emittieren rege Green Bonds, vorneweg die KfW, aber auch die Landwirtschaftliche Rentenbank und die NRW.Bank. Warum ist die L-Bank nicht dabei?

Das ergibt sich aus unserem Verständnis: Wir sind als Förderbank an sich nachhaltig ausgerichtet, das gilt somit auch für all unsere Emissionen. Aber wir schauen uns natürlich immer wieder die Entwicklungen ergebnisoffen an. Ein solcher Schritt sollte dann nicht nur in eine Emission münden, sondern sollte darüber hinaus fortgesetzt werden.

Die Förderbanken aus Rheinland-Pfalz, Hamburg und Brandenburg haben im vergangenen Jahr einen gemeinsamen Social Bond emittiert. Wäre eine Kooperation für die L-Bank denkbar?

Dazu verfolgen wir kein konkretes Projekt. Aber wir sind offen, falls sich die Möglichkeit ergibt.

Vor zwei Jahren führte die L-Bank ähnlich wie andere Förderinstitute Negativzinsen im Kreditgeschäft ein. Seit der Zinswende ist das Projekt obsolet. War das Projekt für die Katz?

Es hat sich gelohnt, denn wir haben unsere Darlehen zeitweilig mit Negativzinssatz an Banken und Sparkassen weitergeleitet. Weil die Institute ihrerseits eine Marge aufschlagen, haben Kunden stets einen positiven Zinssatz gesehen. Wir sind jetzt vorbereitet für etwaige kommende Negativzinsphasen. Das wird hoffentlich nicht mehr so schnell der Fall sein.

Warum nicht? Je tiefer der Zins, desto günstiger sind Förderdarlehen!

Es ist verquer, wenn jemand dafür bezahlt, dass er Geld anlegt, und etwas erhält, wenn er einen Kredit bezieht.

Aber real betrachtet – nach Abzug der Inflation – ist das auch heute der Fall.

Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass die Zentralbanken die Zinsen weiter anheben, um die Inflation einzudämmen. Die Zinswende ist notwendig.

Das Interview führte Jan Schrader.

Im Interview: Edith Weymayr

Das Interview führte Jan Schrader.

Überall dort, wo Sie Mittel zur Verfügung stellen, gibt es leider Versuche, das System auszunutzen.

Es ist richtig, dass die Zentralbanken die Zinsen weiter anheben, um die Inflation einzu- dämmen. Die Zinswende ist notwendig.