Die Nationalbank setzt die Schweiz auf Diät
Schweizer Nationalbank zwingt den Fiskus zur Diät
Die Notenbank wird voraussichtlich zum dritten Mal in der Geschichte keine Ausschüttung vornehmen
dz Zürich
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat in den Monaten Juli bis September einen Verlust von über 12 Mrd. sfr erlitten. Damit ist ihr Neunmonatsergebnis auf nur mehr 1,7 Mrd. sfr zusammengeschmolzen. Die Wahrscheinlichkeit einer Wiederaufnahme der schon im Frühjahr sistierten Ausschüttung an die Eidgenossenschaft und deren 26 Kantone tendiert nun gegen null. Es wäre das dritte Mal in der fast 120-jährigen Geschichte der SNB, dass deren Aktionäre und der Fiskus leer ausgehen.
Rekordverlust hallt nach
Seit dem Rekordverlust von 132 Mrd. sfr im Jahr 2022 schiebt die SNB einen Bilanzverlust von 39,5 Mrd. sfr vor sich her. Die im Januar 2021 zwischen Eidgenössischem Finanzministerium und der Notenbank erneuerte Ausschüttungsvereinbarung für die Periode 2021 bis 2025 sieht vor, dass eine Mindestausschüttung an den Bund und die 26 Kantone in Höhe von 2 Mrd. sfr erst erfolgen kann, wenn auch nach der jährlichen Reservedotierung der Nationalbank noch ein Überschuss bleibt.
Diese Chance ist allerdings minimal. Ernst Stocker, Finanzdirektor des Kantons Zürich, des wirtschaftlich stärksten der 26 Stände, also Kantone, sagt in seiner Funktion als Präsident der nationalen Konferenz aller kantonalen Säckelmeister: "Auch im Fall eines Jahresgewinns ist eine Gewinnausschüttung der Nationalbank für das Geschäftsjahr 2023 aufgrund des heutigen, hohen Bilanzverlustes unwahrscheinlich", sagt der Zürcher Regierungsvertreter der Börsen-Zeitung.
Nachdem die Nationalbank im Jahr 2022 einen Rekordverlust von 132 Mrd. sfr erlitten hatte, mussten die Kantone und der Bund schon dieses Jahr auf den Gewinnbeitrag der Notenbank verzichten. Die Folgen für die Kantonsbudgets 2023 sind einschneidend. Nicht weniger als 16 Kantone kalkulieren für das laufende Jahr ein Defizit. In 25 von 26 Kantonen kommt es zu einer teilweise dramatischen Verschlechterung der Finanzlage – wenn auch ausgehend von einem hohen Niveau. 2022 hatten alle Kantone ihre Staatsrechnungen mit schwarzen Zahlen abgeschlossen – zum ersten Mal seit 14 Jahren. Die außergewöhnlich guten Ergebnisse waren nicht zuletzt einer hohen Gewinnausschüttung der Nationalbank zu verdanken gewesen.
2021 hatte die SNB einen Jahresgewinn von 26 Mrd. sfr erwirtschaftet und den kumulierten Bilanzgewinn damals auf über 100 Mrd. sfr ausgeweitet. Als Folge davon wurde die 2021 vereinbarte Maximalausschüttung von 6 Mrd. sfr an den Bund (ein Drittel) und die Kantone (zwei Drittel) schon rückwirkend abgeführt. Zu dieser maximalen Ausschüttung war es bereits im Jahr davor gekommen.
Stocker hält die geltende Vereinbarung auch unter den gegebenen Bedingungen noch für gelungen: "Ausschüttungen an Bund und Kantone sind nur möglich, wenn die Bilanzsituation der SNB dies zulässt", sagt er.
Schwankende Riesenbilanz
Die SNB hat seit der Finanzkrise eine massive Bilanzausweitung erlebt. Im Bestreben, eine übermäßig rasche und starke Aufwertung des Frankens einzudämmen, kaufte die Notenbank seither große Mengen an Euro und Dollar gegen Franken ein. Per Ende September belief sich die Bilanzsumme auf 822 Mrd. sfr. Die Summe übersteigt das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz im Jahr 2022 um rund 10%. Von den Aktiva entfallen 85% auf Anlagen in Staatsanleihen und Aktien, die in ausländischen Währungen denominiert sind. Im Berichtsquartal sorgten der starke internationale Zinsanstieg und der Rückfall der Aktienmärkte für Verluste von 7 Mrd. bzw 6 Mrd. sfr. Die Wertschwankungen in der Riesenbilanz sorgen regelmäßig für starke Ergebnisausschläge. Das Eigenkapital der SNB betrug per Ende September noch 8% der Bilanzsumme. Seit Jahresbeginn hat die SNB aber einen schrittweisen Bilanzrückbau eingeleitet und rund 60 Mrd. sfr Liquidität aus dem System abgezogen.