Interview

„Die Regulierungswelle klingt nun ein bisschen ab“

Zunehmende Regulierung und Trends wie das Niedrigzinsumfeld oder die immer größere Bedeutung von ESG-Themen stellen bedeutende Herausforderungen für das Research der DZBank dar. Jan Holthusen, der seit dem Jahresbeginn den Research-Bereich der DZBank leitet, erläutert, wie das Institut die Herausforderungen bewältigt.

„Die Regulierungswelle klingt nun ein bisschen ab“

Christopher Kalbhenn.

Herr Holthusen, in den zurückliegenden Jahren sind in Deutschland viele Research-Kapazitäten abgebaut worden. Wie groß ist Ihr Research-Bereich?

Im Research der DZBank arbeiten rund 80 Analysten. Damit sind wir eines der größten Research-Häuser in Deutschland. Wir erstellen rund 12000 Publikationen pro Jahr, da wir viele Kunden mit unterschiedlichen Anforderungen bedienen. Durch die Volks- und Raiffeisenbanken haben wir Zugang zu 30 Millionen Kunden. Allenfalls noch die Sparkassen kommen in Deutschland auf ähnliche Größenordnungen.

Was waren die wichtigsten Veränderungen für Ihr Research in den zurückliegenden Jahren?

In den letzten Jahren sind die Genossenschaftsbanken mit unserer strategischen Ausrichtung Verbund First 4.0 noch stärker als bisher in den Fokus unserer Arbeit gerückt. Dass wir uns noch stärker auf den Genossenschaftsverbund konzentrieren, macht unsere Arbeit aber nicht einfacher. Denn der Sektor ist heterogen: Es gibt Institute mit Bilanzsummen unter 30 Mill. Euro, aber auch sehr große Häuser wie die Berliner Volksbank mit einer fast 15 Mrd. Euro schweren Bilanz. Die Erstellung unserer Publikationen ist also ein Spagat, da die Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind. Außerdem gibt es den Trend, dass sich Volks- und Raiffeisenbanken immer häufiger zu­sammenschließen. Mit der Größe steigt auch die Komplexität der Anforderungen. Wir müssen heute schneller sein als noch vor einigen Jahren, da die Welt in einem ständigen Wandel ist. Kurzum: Wir müssen maßgeschneiderte Studien erstellen. Und die Verantwortung, die wir mit unserer Arbeit haben, ist weiter hoch. Denn viele Volks- und Raiffeisenbanken nutzen unsere Analysen und Prognosen für deren Hausmeinung.

Wer nutzt Ihr Research?

Unsere Kunden innerhalb der Genossenschaftsbanken sind die Vermögensberater für Privatanleger sowie Berater für die Firmenkunden. Außerdem wird unser Research vom Treasury der Institute genutzt, vor allem für das Zinsgeschäft. Da die DZBank auch als Geschäftsbank agiert, zählen zu den Kunden des Research auch Firmenkunden, darunter Dax-Unternehmen und große Mittelständler. Hinzu kommen institutionelle Kunden be­ziehungsweise Kapitalsammelstellen. Unser Fokus liegt auf Deutschland und Europa, darüber hinaus betreuen wir aber auch zahlreiche ausländische Zentralbanken und supranationale Institutionen. Unser Research wird auf Deutsch erstellt, was unsere Kunden in Deutschland und Österreich sehr schätzen. Studien, die für unsere internationale Kundschaft interessant sind, übersetzen wir ins Englische.

Wie sind Ihre personellen Ressourcen nach Bereichen unterteilt?

Im Bereich Volkswirtschaft haben wir 11 Analysten. 25 Analysten arbeiten im Aktienresearch und decken rund 280 deutsche und internationale Unternehmen ab, wobei die Aufteilung hier nahezu hälftig ist. Im Fixed-Income-Bereich arbeiten 43 Mitarbeiter. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Zinsseite und den Zentralbanken beziehungsweise den Währungen, außerdem mit Staatsanleihen, Bank- und Unternehmensanleihen, Covered Bonds und Asset Backed Securities. Der Fokus liegt dabei auf Emittenten, die Euro-denominierte Anleihen begeben.

Wie wirkt sich die zunehmende Finanzmarktregulierung auf Ihre Arbeit aus?

Wir erleben seit der Lehman-Krise vor gut zwölf Jahren eine Regulierungswelle, und die ist natürlich auch im Research angekommen. Seit Inkrafttreten der Marktmissbrauchsrichtlinie II im Sommer 2016 haben wir umfangreichere Offenlegungspflichten, denen wir im Internet und in unseren Veröffentlichungen nachkommen. Es gibt detaillierte Vorgaben zur Identität der Analysten, die die Empfehlungen erstellen. Zudem sind bei der Erstellung der Empfehlungen an sich sowie zum Management und Ausweis von Interessenkonflikten klare Regelungen zu beachten. Zum Beispiel gibt es Auflagen dafür, was Analysten für ihr Privatdepot kaufen dürfen und was nicht. Wenn ein Analyst ein bestimmtes Unternehmen covert, darf er von diesem nach unserer Conflicts of Interest Policy nur in eingeschränktem Umfang Anteile kaufen. Auch ist zum Thema geworden, ob das, was wir schreiben, kurstreibend sein kann. Die Einhaltung regulatorischer Vorgaben wird regelmäßig geprüft. Hierzu zählen die elektronische Archivierung von Research-Publikationen, die wir unter anderem auch für die Genossenschaftsbanken praktizieren, sowie die Erstellung von Aktien-Produktinformationsblättern, die wir den Genossenschaftsbanken zur Verfügung stellen. Um diese Arbeit bei der Vielzahl der Publikationen bewältigen zu können, verwalten wir unsere Prognosedaten in Datenbanken und haben die Prozesse mittlerweile digitalisiert. Zuletzt haben wir die Research-Verteilung neu aufgesetzt, um unsere Kunden noch besser über verschiedene Verteilwege informieren zu können. Wir haben also erhebliche Mehrkosten im Bereich der Digitalisierung.

Eine der neueren Regulierungen schreibt die separate Bezahlung von Research vor. Welche Folgen hat das für Sie?

Richtig, die Finanzmarktrichtlinie Mifid II schreibt vor, dass Research für bestimmte institutionelle Kundengruppen bepreist werden muss und nicht mehr wie früher als Beigeschäft behandelt werden darf. Wer Research nutzt, um Finanzdienstleistungen gegenüber Dritten zu erbringen, muss mit uns eine kostenpflichtige Vereinbarung treffen. Für uns bedeutet dies einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand, von dem Preiswettbewerb ganz zu schweigen. Des Weiteren müssen wir jeden einzelnen Kunden, der Informationen aus dem DZBank Research beziehen möchte, im Vorfeld prüfen, ob er Research-Leistungen kostenlos oder kostenpflichtig beziehen darf, und arbeiten hier eng mit Compliance zusammen. Zur Erfüllung dieser regulatorischen Vorgaben haben wir im Jahr 2017 unser Research-Portal für institutionelle Kunden neu aufgesetzt. Die Digitalisierung fängt die Regulierungslast jedoch nur zum Teil auf. Außerdem ist die Digitalisierung mit relativ hohen Investments verbunden. Wir haben aber den Eindruck, dass die Regulierungswelle nun ein bisschen abklingt, es also weniger neue Vorgaben für Research gibt.

Müssen mit Mifid II die Volks- und Raiffeisenbanken mit Ihnen Verträge abschließen?

Wir haben schon seit vielen Jahren Nutzungsvereinbarungen, die wir mit den Genossenschaftsbanken abschließen und in denen die Bereitstellung und Archivierung unserer Research-Leistungen geregelt sind. Sie müssen in erster Linie die Teile des Research bezahlen, die sie für die Kundenberatung nutzen, für Research-Leistungen für das Eigengeschäft erheben wir nur eine geringe Schutzgebühr.

Sie haben zum Jahreswechsel die Nachfolge von Herrn Bielmeier übernommen. Welche Akzente wollen Sie setzen?

Wir haben beispielsweise eine Trennung der Posten von Bereichsleiter und Chefvolkswirt vorgenommen. Unser neuer Chefvolkswirt ist Michael Holstein, während ich die Bereichsleitung übernommen habe. Für uns ist es wichtig, den Teamgedanken weiter zu stärken, wenn wir unsere Research-Leistung nach außen tragen. Das tun wir mit vielen kompetenten Analysten auf unterschiedlichen Spezialgebieten. Damit schärfen wir nicht nur unser Profil als Bank, es trägt auch zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei, wenn sie wahrgenommen werden. Wir wollen in den kommenden Jahren unsere Kanäle diversifizieren und weiter modernisieren. Dabei denken wir an Videos, Podcasts und eine noch stärkere Nutzung unserer Researchportale und von Social Media.

Welche großen Trends haben einen besonders starken Einfluss auf Ihre Arbeit?

Das Niedrigzinsumfeld verschiebt unsere Schwerpunkte. Dadurch spielen schon seit einigen Jahren Credits im Bereich Fixed Income eine größere Rolle, da viele Kunden angesichts negativer Renditen für Bundesanleihen bereit sind, etwas höhere Bonitätsrisiken einzugehen. Auch Kryptowährungen wie Bitcoin nehmen an Bedeutung zu, und wir beschäftigen uns ebenfalls mit den Möglichkeiten digitaler Zentralbankwährungen. Wir müssen mit unseren Analysten fortlaufend neue Trends erkennen und uns danach ausrichten. Natürlich ist auch ESG ein sehr wichtiges Feld geworden. Wir haben die Zahl der Mitarbeiter, die sich im Research ausschließlich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, erhöht. Hier müssen wir uns beispielsweise mit der Frage beschäftigen, wie groß die Wirkung von ESG-Themen auf die Bonität eines Unternehmens ist. Das Thema wird auch in der Wertpapierberatung zunehmend wichtig. Wir wollen und müssen die neue EU-Taxonomie für nachhaltiges Investieren begleiten und verstehen – das ist für unser Research von zentraler Bedeutung.

Das Interview führte

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.