Investors-Marketing-Chef erwartet starke Bank-Ergebnisse

„Dieses und nächstes Jahr werden Rekordjahre"

Banken finden sich aktuell in einer Welt wieder, in der sie bei niedrigen Risiken üppige Zinsüberschüsse einstreichen. Das wird nicht so bleiben, erwartet Investors-Marketing-Chef Oliver Mihm. 2023 und 2024 dürften die Institute aber noch mit Rekordjahren rechnen.

„Dieses und nächstes Jahr werden Rekordjahre"

Im Gespräch: Oliver Mihm

„Dieses und nächstes Jahr werden Rekordjahre“

Investors-Marketing-Chef Mihm erwartet kurzfristig starke Bankergebnisse, perspektivisch aber höhere Kosten und schwindende Zinsmargen

Von Tobias Fischer, Frankfurt
fir Frankfurt

Banken finden sich aktuell in einer Welt wieder, in der sie bei niedrigen Risiken üppige Zinsüberschüsse einstreichen. Das wird jedoch nicht so bleiben, erwartet Investors-Marketing-Chef Oliver Mihm. In diesem und im nächsten Jahr dürften die Institute allerdings noch mit Rekordergebnissen rechnen.

Banken und Sparkassen winken vor allem dank des wieder sprudelnden Zinsgeschäfts und niedriger Risikovorsorge auf Sicht prächtige Gewinne. „Dieses und nächstes Jahr werden Rekordjahre für die Bankenbranche“, sagt Oliver Mihm, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Beratungsgesellschaft Investors Marketing. Klar sei den Bankern aber auch, dass der Zauber bald vorbei sei. Die günstige Konstellation verschiedener Faktoren werde voraussichtlich keinen Bestand haben.

Risiken unterbelichtet

Derzeit zentraler Ertragstreiber der meisten Institute sei die Rückkehr des Zinses, auch wenn manche im Zuge des rapiden Zinsanstiegs hohe Korrekturen bei Eigenanlagen zu verdauen hatten. Von den üppigen Zinsüberschüssen abgesehen, profitierten die Institute im Großen und Ganzen von ordentlichen Provisionserträgen, gerade im Zahlungsverkehr. Das Firmenkreditgeschäft laufe ebenso wie das Wealth Management grundsätzlich gut, befindet Mihm, und im Wertpapiergeschäft seien zwar angesichts der Zinssteigerungen Dämpfer zu verzeichnen, doch handele es sich um einen normalen Rücklauf. Risiken finden sich Mihm zufolge noch nicht in den Büchern wieder. Hier lautet sein Rat, lieber Vorsicht walten zu lassen.

Preisvorstellungen müssen sich einpendeln

Das eingebrochene Immobiliengeschäft werde sich wieder einrenken, ist sich Mihm sicher, auch wenn in den nächsten neun bis zwölf Monaten keine wesentliche Änderung in Sicht sei. „Das Baufinanzierungs-Neugeschäft wird langsam anziehen, weil die Preise sinken und sich mehr Leute Eigentum leisten können“, sagt er. „Wir sind noch nicht in der Phase, dass sich die Preiserwartungen der Verkäufer und der Käufer eingependelt haben.“

Teurere Regulierung und IT

Nach einer Übergangsphase werden Mihm zufolge vor allem zwei Faktoren schlagend, die sich negativ auf die Gewinne der Banken auswirken: wachsende Kosten und schwindende Zinsmargen. „Auf der Passivseite werden sich die Margen weiter verringern, wenngleich sie immer noch höher sind als zuvor. Gleichzeitig schlagen die Kosten der Inflation zu Buche, und es gibt permanent steigende Kosten der Regulatorik“, erwartet er. Immer schwieriger wird es seines Erachtens werden, die Kostenseite angesichts höherer Personalaufwendungen, Regulierungsvorgaben und zunehmender Fixkosten der IT im Griff zu behalten. Um alte Systeme zu erneuern und die steigenden Anforderungen an Datenschutz und Cybersecurity zu erfüllen, seien enorme Investitionen vonnöten. Hinzu komme der Engpass an IT-Experten.

Die Erträge aus der Einlagen-Nichtverzinsung werden kontinuierlich sinken.

Oliver Mihm, Vorstandsvorsitzender von Investors Marketing

„2023/24 schlagen die negativen Faktoren noch nicht so stark in den Bankbilanzen durch“, erwartet der Investors-Marketing-CEO. Noch gäben Banken und Sparkassen Zinsen nur in geringem Maße an die Kundschaft weiter. „Derzeit sind es im Schnitt im Markt circa 18% im Privatkunden- und etwa 25% im Firmenkundengeschäft.“ Zum Vergleich: Die Weitergabe der Zinsen habe beispielsweise 2006 – in einem ähnlich hohen Zinsumfeld – bei 70% gelegen. „Das heißt: Die Erträge aus der Einlagen-Nichtverzinsung werden kontinuierlich sinken.“ Er gehe etwa im Jahr 2025 im Gesamtmarkt von einer Weitergabe der Zinsmarge von 40 bis 50% aus. „Das heißt auch in etwa eine Halbierung der jetzigen Erträge“, macht Mihm deutlich.

200 Milliarden Euro Einlagen verschoben

Alles in allem rund 200 Mrd. Euro an Einlagen seien bislang im Zuge der Zinswende verschoben worden. „Sie sind von den klassischen Banken und Sparkassen zu den Direktbanken, Plattformen und Autobanken geflossen“, sagt Mihm. „Das darf man nicht unterschätzen: Gerade im Firmenkundengeschäft ist das Geld schnell unterwegs. Das gilt auch für institutionelles Geld, das international fließt.“ Momentan seien circa 30% aller Kunden – in unterschiedlicher Intensität – in Bewegung.

Zu den aktivsten zählten die sogenannten online-affinen Preisentscheider, typische Direktbanken-Klientel, die als sehr preisreagibel gelten und ihre Einlagen rasch zu anderen Banken und Plattformen bringen, wenn dort höhere Zinsen zu holen sind. Jeder Vierte zähle im deutschen Bankenmarkt zu dieser Kundengruppe. „Sie machen ungefähr 60 bis 65% der DKB- und ING-Kunden aus“, weiß Mihm. Bei Sparkassen seien sie im Durchschnitt nur mit 7 bis 8% vertreten.

J.P. Morgan braucht für Markteintritt Geld und Zeit

Den von der US-Großbank J.P. Morgan Chase angepeilten Einstieg in den deutschen und europäischen Retailmarkt bewertet Mihm als Kraftakt. „J.P. Morgans Markteintritt sehe ich grundsätzlich herausfordernd. Sie müssen erst einmal die Marke hierzulande aufbauen. Die Neukundengewinnung wird zunächst Geld kosten, andernfalls generieren sie keine Masse. Jedenfalls braucht es einen sehr langen Atem und sehr tiefe Taschen: Um etwa 5% Marktanteil zu erreichen, brauchen Sie zehn Jahre Zeit – wenn Sie Gas geben.“

Er glaube schon, dass die Amerikaner bereit wären, über einen längeren Zeitraum viel Geld auszugeben. Gleichwohl seien die Bedingungen nicht zu unterschätzen: „Der deutsche Markt ist ganz schön teuer, mühsam und kompliziert.“

Sorgenvoller Blick auf Bankwettbewerber Apple

Deutlich sorgenvoller blickt er auf Big Techs und auch mögliche neue Plattformen. Wenn sich das Wachstum von Akteuren wie Apple im Kerngeschäft abschwäche und sie ins Banking drängten, habe das das Zeug, den Banken die Kundenschnittstelle abspenstig zu machen und den Markt richtig durcheinanderzuwirbeln. Er rechne damit, dass es in der zweiten Hälfte der 20er Jahre dazu komme. „Wir leben in einer Welt der Plattformökonomie, und wenn beispielsweise Apple Kunden gewinnen will und 4,5% oder 5% Zinsen auf Einlagen zahlt, dann kommt der Markt hier in Bewegung.“

Vom Untergang der Bankenlandschaft könne aber keine Rede sein. „Banken wird es weiterhin brauchen", resümiert Mihm. "Fraglich ist nur, wie sehen sie aus, was können sie, wie groß sind sie noch und was verdienen sie? Es geht darum, welche Art von Geschäftsmodell man dauerhaft profitabel betreiben kann.“