LEITARTIKEL

Diesmal ist es anders

Die Deutsche Bank verändert ihren Konzernaufbau und ihre Führungsstruktur grundlegend. Die Konzernsparten werden neu zugeschnitten. Aufsichtsratschef Paul Achleitner: "Eine derartig grundlegende Reorganisation hat es selten zuvor in der Geschichte...

Diesmal ist es anders

Die Deutsche Bank verändert ihren Konzernaufbau und ihre Führungsstruktur grundlegend. Die Konzernsparten werden neu zugeschnitten. Aufsichtsratschef Paul Achleitner: “Eine derartig grundlegende Reorganisation hat es selten zuvor in der Geschichte der Deutschen Bank gegeben.” Haben Sie, verehrte Leser, das Gefühl, diese Zeilen schon einmal gelesen zu haben? Glückwunsch, Sie haben ein sehr gutes Gedächtnis: Am 18. Oktober 2015 setzte die Deutsche Bank eine Pressemitteilung in fast identischem Wortlaut ab. Seither dokterte sie fleißig an Strategie und Personal herum, während 70 % des Börsenwerts verdampften.Nun weht der Mantel der Geschichte offenbar wieder an der Frankfurter Taunusanlage vorüber. Vorstandschef Christian Sewing spricht von einer “Zeitenwende” und der “umfassendsten Transformation seit Jahrzehnten” – drunter will die Bank es nicht machen, gerade dann, wenn 18 000 Beschäftigte infolge jahrelangen Missmanagements den Arbeitsplatz verlieren. Immer dann aber, wenn in den blauen Doppeltürmen Pathos Einzug hielt, war es für Anleger höchste Zeit, in Deckung zu gehen. Denn je höher der Ton und je vager die hehren Begriffe, umso tiefer rutschte das Renditeziel der Bank: 2012 war noch von mindestens 12 % die Rede, 2014 von rund 12 %, 2015 von mehr als 10 % materieller Eigenkapitalverzinsung, 2017 von 10 % “in einem normalisierten operativen Umfeld”. Inzwischen ist das Haus bei materiell 8 % angekommen, die es für 2022 verspricht. Dabei ist alles andere als sicher, dass die Bank es wie angekündigt schaffen wird, die Kosten bis 2022 um ein Viertel zu senken und zugleich die Erträge um gut 2 Mrd. Euro hochzufahren.Viele Konzepte, die Sewing nun präsentiert, haben schon seine Vorgänger aus dem Hut gezaubert – und dort teils auch wieder verschwinden lassen. Wieder eine Bad Bank? Gab es schon 2012, und Jahre später stellte sich heraus, dass bei ihrer Zusammenstellung ein geheimnisvolles Altlasten-Portfolio von 60 Mrd. Euro glatt vergessen worden war. Ausgerechnet ein zusätzlicher Management-Layer soll “Entscheidungsprozesse beschleunigen”? Wer es glaubt. In Asien will die Bank weitere Berater im Wealth Management einstellen? Davon ist seit Jahren die Rede.Und dennoch: Sewing hat recht, wenn er erklärt: “Diesmal ist es anders.” Immerhin ist er seit Beginn der Krise des Instituts der erste Manager im Chefsessel, der Missstände im Konzern nicht nur erkennt, sondern auch handelt, um sie zu beseitigen. Wer den eigenen Aktienhandel schließt und an den europaweit ärgsten Konkurrenten BNP Paribas abgibt, der lässt fürwahr dem Wort von “schmerzhaften Einschnitten” Taten folgen. Weitreichend ist auch die Entscheidung, die Transaktionsbank aus dem Investment Banking herauszulösen und durch Zusammenlegung mit dem Firmenkundengeschäft das Zentrum des Konzerns zu verlagern: Die Investmentbank muss sich fortan allein an einer Renditevorgabe messen lassen, die mit 6 % zwar lange nicht so hoch ausfällt wie die Kapitalkosten, sich aber dennoch als unerreichbar erweisen könnte. Das hat disziplinierende Wirkung auf eine Sparte, in der die Vergütungen erkennbar aus dem Ruder gelaufen sind.Ob der Befreiungsschlag glückt, steht in den Sternen. So groß die Entschlossenheit des Managements ist – die Probleme könnten noch größer sein. 36 Mrd. Euro allein auf operationelle Risiken entfallende Aktiva, die in die Bad Bank wandern, mögen als Mahnmal dienen, wie die Bank sich in den vergangenen Jahren vergaloppierte, und haben das Commerzbank-Management nach dem Scheitern von Fusionsverhandlungen aufatmen lassen. Zudem: Wer Großkunden keinen Aktienhandel bieten kann, darf fortan vielleicht nicht beim Vorstandschef, sondern nur mehr beim Finanzvorstand vorsprechen. Und im überbesetzen Firmenkundengeschäft wartet auch niemand auf die Deutsche Bank.——Von Bernd NeubacherDas Management der Deutschen Bank um Christian Sewing reißt das Ruder herum. Es hätte keinen Tag länger warten dürfen. Denn die Zeiten werden hart.——