Im Gespräch:Wolfgang Berger

„Digitaler Euro darf kein Nischenprodukt bleiben“

Beim Pro und Contra zur möglichen Einführung eines digitalen Euro gilt es viele Faktoren abzuwägen. IBM-Consulting-Experte Wolfgang Berger hofft auf ein positives Votum der EU-Kommission.

„Digitaler Euro darf kein Nischenprodukt bleiben“

IM GESPRÄCH: WOLFGANG BERGER

„Der digitale Euro darf kein Nischenprodukt sein“

Der CTO Banking von IBM Consulting hofft auf ein positives Votum der EU-Kommission zur Einführung einer Central Bank Digital Currency (CBDC)

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Weit vorn im Pro und Contra um die Einführung eines digitalen Euro steht die Frage, inwieweit eine digitale Zentralbankwährung für Privatkunden anonyme Zahlungen zulassen soll. „Als Gegenstück zum herkömmlichen Bargeld wird das von den Bürgern einfach erwartet“, so der IBM-Experte Wolfgang Berger.

Die Diskussion über die Einführung des digitalen Euro geht in die entscheidende Phase. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihr Konzept einer digitalen Zentralbankwährung für Privatkunden (Retail Central Bank Digital Currency, Retail CBDC) verfeinert und zudem die Tür geöffnet für eine sogenannte Wholesale CBDC, die unter anderem auch im Interbanken-Zahlungsverkehr zum Einsatz käme. Da aber nicht alle Fragen von einer Notenbank nach Konsultation mit der Finanzbranche zu beantworten sind, wird die EU-Kommission im Herbst 2023 ihre Haltung zum digitalen Euro mitteilen.

Das Für und Wider wurde auch schon in einem Blockchain-Roundtable der FDP Ende April im Bundestag diskutiert, an dem auch Experten wie Wolfgang Berger, Partner und CTO Banking bei IBM Consulting im deutschsprachigen Raum, teilnahmen. „Es gab dort einen guten Austausch von Industrie, Politik, Notenbanken und Intermediären wie den Banken. Man merkt deutlich, dass sich die Konzepte und damit auch die Diskussionen konkretisieren. Aber es sind auch noch eine Reihe von Themen zu bearbeiten“, sagt Berger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Notwendigkeit einer digitalen Zentralbankwährung für Geschäftsbanken und andere Finanzinstitutionen (Wholesale CBDC) liege hingegen auf der Hand. Allein im Wertpapiergeschäft, mit Delivery versus Payment (DvP) für unmittelbares Settlement, habe eine Distributed-Ledger-Infrastruktur ihren Nutzen gezeigt.

Für eine von Privatkunden genutzte digitale Zentralbankwährung (Retail CBDC) seien die Vorteile schwerer zu greifen. Von einigen Marktteilnehmern wird offen in Frage gestellt, ob es überhaupt einen Nutzen für einen digitalen Euro gibt. „Und für die Banken spielen mögliche Eingriffe in den Privatsektor eine wichtige Rolle. Limits für Guthaben auf den Konten/Wallets sind dabei ein Bestandteil der Lösung. Insbesondere ist aber eine einfache Integration in die bestehende Landschaft erforderlich. Andererseits darf der digitale Euro auch kein Nischenprodukt bleiben, es braucht also eine gewisse Verbreitung und Akzeptanz.“

Knackpunkt Anonymität

Ganz weit vorn in der Diskussion steht die Frage, inwieweit eine Retail CBDC anonyme Zahlungen zulassen soll. „Als Gegenstück zum herkömmlichen Bargeld wird das von den Bürgern einfach erwartet. Die Frage wird nur sein, inwieweit die EU-Kommission dafür die Tür öffnet.“ Für Berger ist es zudem wichtig, dass für eine Retail CBDC bei Einführung in das System gleiche Maßstäbe gelten, etwa für Onboarding mit allen Know-Your-Customer- und Anti-Geldwäsche-Vorschriften – auch wenn von da aus dann in einem festgelegten Rahmen anonyme Zahlungen möglich sind. Gegebenenfalls seien diese Vorschriften hinsichtlich der finanziellen Integration zu adjustieren.

Dabei geht die Integration einer Retail CBDC über das traditionelle Finanzsystem hinaus in digitale Ökosysteme, z.B. basierend auf Distributed-Ledger-Technologien. Insbesondere da müsse man einen digitalen Euro verwenden können, wofür Interoperabilität herzustellen sei, sagt Berger. Außerdem sei davon auszugehen, dass im digitalen Zahlungsverkehr noch sehr viel mehr Innovationen Fuß fassen würden. „Es entsteht eine zunehmend komplexe Landkarte im Zahlungsverkehr. Zudem ist seit Oktober mit der Verordnung zu Instant Payment das Tempo erhöht worden. Instant Payment als Idee ist auch im digitalen Euro enthalten.“

Andererseits wäre es fatal, wenn man eine Retail CBDC einführt, diese aber kaum genutzt würde. Die Akzeptanz bisheriger digitaler Zentralbankwährungen, beispielsweise in China und Nigeria, ist vergleichsweise gering. Soll die EZB nun eine Retail CBDC einführen? Ein einfaches Ja oder Nein ist schwer, Berger will das differenziert betrachten. Innovation und digitale Prozesse müssen mit geeigneten Zahlungsdiensten gefördert werden. Die klassischen, auf Depositen angewiesenen Intermediäre dürften nicht zu stark tangiert werden, gleichzeitig müsse das Akzeptanzlevel ausreichend sein. „Es ist schwer, hier eine geeignete Mitte zu treffen.“ Das hört sich so an, als ob man ein System braucht, das man nachjustieren kann, wenn man die Marktwirkungen nicht nur simuliert, sondern tatsächlich erlebt hat. Die Stellschrauben für ein Feintuning auf der technologischen Ebene seien vorhanden, so der Experte.

Mit anderen CBDCs verbinden

Auch das Argument der Finanzstabilität spricht für die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung. Die Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit des Zahlungsverkehrs ist mit zunehmenden geopolitischen Spannungen als systemrelevant erkannt worden – und Zentralbankgeld ist im Gegensatz zum Giralgeld ein direkter Anspruch gegenüber der Notenbank. Außerdem müsse man laut Berger dafür gerüstet sein, sich später mit Chinas Digitalwährung oder der von anderen Währungsräumen zu verbinden. Dazu gibt es Projekte. „Es ist wichtig, jetzt auch in eine Umsetzung zu gehen. Denn aus der Kombination globaler Zahlungsdienstleister, Stablecoins und Big Tech kann sich eine große Dominanz gegenüber Europa entwickeln.“

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