Im GesprächAstrid Stange

Digitalversicherer Element wächst am schnellsten

Unter den deutschen Versicherungs-Start-ups legt Element das höchste Wachstumstempo vor. An der Spitze des White-Label-Anbieters steht seit kurzem eine frühere Topmanagerin aus der etablierten Assekuranz. Lehrgeld muss Element an mancher Stelle trotzdem zahlen.

Digitalversicherer Element wächst am schnellsten

Es war die vielleicht bemerkenswerteste Personalie in der deutschen Versicherungswirtschaft im vergangenen Jahr: Astrid Stange, frühere Top-Managerin der Axa und ehemalige Senior-Partnerin bei Boston Consulting, übernahm den CEO-Posten des jungen Digitalversicherers Element. Das 2017 vom Start-up-Inkubator Finleap gegründete Unternehmen hat sich als White-Label-Versicherer positioniert und konzipiert Versicherungsprodukte für andere. Unter den jungen Digitalversicherern auf dem deutschen Markt war Element im vergangenen Jahr der am schnellsten wachsende – allerdings auch mit Hilfe einer Übernahme. Astrid Stange will jetzt das hohe Tempo beibehalten. „Wir stehen an dem Punkt vom klassischen Start-up hin zum Scale-up“, erläutert sie im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Unsere großen Themen sind Wachstum und Skalierung.“

Im Gespräch: Astrid Stange

Versicherer Element will 2023 Geschäft erneut verdoppeln

Frühere Axa-Topmanagerin trimmt Start-up auf Wachstum – Lehrgeld im Rechtsschutz

Von Antje Kullrich, Köln

Der Vorteil des Geschäftsmodells von Element: Über den Vertrieb muss sich die Führung nicht ganz so viele Gedanken machen wie andere. „Es ist ein sehr harter und teurer Weg, ein Endkundengeschäft aufzubauen“, sagt Stange. „Wir dagegen machen Partnergeschäft, also klassisches B2B.“ Zu den Kunden zählen andere Versicherer, die von der schnellen Produktentwicklung profitieren wollen, oder Unternehmen wie VW Financial Services, BMW oder 1&1, die Versicherungen als Zusatzangebote ins Portfolio nehmen wollen.

Die Produktpalette von Element umfasst Autogarantieversicherungen, private Haftpflicht oder Tierversicherungen. „Wir sind ein ganz klarer Kompositversicherer“, betont Stange und erteilt Spekulationen über einen Einstieg in die Lebensversicherung eine Absage.

Das Beitragsvolumen von Element hat sich 2022 auf fast 20 Mill. Euro mehr als verdoppelt. Damit sei das Ziel um 15% überschritten worden, schreibt der Vorstand im Solvenzbericht. Dazu beigetragen hat die Übernahme des Bestands von Mailo, einem Start-up in der Gewerbeversicherung, das künftig nur noch als sogenannter Mehrfachvertreter am Markt auftreten will.

Zinswende trifft hart

Auf der Ergebnisseite hat Element 2022 an zwei Stellen Lehrgeld zahlen müssen: Im Rechtsschutz hat sich Element im vergangenen Jahr eine blutige Nase geholt. Beitragseinnahmen von 0,3 Mill. Euro stand ein Schadenaufwand von gut 2,8 Mill. Euro entgegen.  „Das ist ein sehr spezielles Geschäft, das nicht einfach ist und spezielles Know-how erfordert. Daher überlegen wir derzeit, wie wir es weiter betreiben“, sagt Stange.

In den Kapitalanlagen wirkte sich die abrupte Zinswende erheblich aus: Denn Element legt die Mittel aus den Finanzierungsrunden in Anleihen an, braucht diese Liquiditätsreserve jedoch sukzessive, um die laufenden Kosten zu finanzieren. Dafür musste das Unternehmen im vergangenen Jahr Anleihen verkaufen, die nach dem Zinsanstieg im Wert stark gefallen waren. Die Folge waren hohe realisierte Verluste sowie ein negatives Kapitalanlageergebnis von 64.000 Euro.

Noch verschlingt der Aufbau des Geschäfts viel Geld: Das Gesamtergebnis von Element belief sich im vergangenen Jahr auf −17 Mill. Euro. Mittelfristig soll jedoch der Break-even erreicht werden. „Wir machen seit vier Jahren Umsätze im Versicherungsgeschäft. Bis zum Break-even wird es nicht noch einmal vier Jahre dauern“, plant Stange.

Investoren haben bei Element bislang insgesamt 88 Mill. Euro investiert. Neben Finleap zählen das Versorgungswerk Zahnärztekammer Berlin sowie der Versicherer Signal Iduna zu den größten Geldgebern, doch auch internationale Adressen wie die Softbank-Ausgründung SBI, Sony Financial Ventures und Alma Mundiventures haben sich beteiligt. Im Juli 2022 fand die bislang jüngste Finanzierungsrunde (Series B) statt, die einen Umfang von 21,4 Mill. Euro hatte. „Wir sind ausfinanziert“, betont Stange. Jedes Versicherungsunternehmen müsse immer davon ausgehen, dass es für das geplante Geschäft kein weiteres Fremdkapital benötigt. Dieses Prinzip bilde auch den Kern der Geschäftstätigkeit von Element. Nur wenn sich Wachstumsopportunitäten ergäben, könnten weitere Finanzierungsrunden anstehen. An ein IPO denkt Stange derzeit nicht: „Ein Börsengang ist nicht unser Thema.“

Sie beschäftigt sich vor allem mit dem Ausbau des Geschäfts: „Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr unser Beitragsvolumen erneut verdoppeln können.“ Danach soll es mit hohen Wachstumsraten weitergehen, die Marke von 100 Mill. Euro ist folglich mittelfristig das Ziel. Einen Grund für ihren Optimismus sieht Stange in der Partnerbindung. Element habe in den vergangenen fünf Jahren nur einen von 60 Partnern verloren. Der White-Label-Versicherer will das Geschäft sowohl mit bestehenden Kunden ausbauen als auch weiterhin neue hinzugewinnen. Heute mache Element im Durchschnitt mit einem Partner 2,4 Produkte.

Nur um eine Sparte macht Element einen Bogen: In das klassische Kfz-Versicherungsgeschäft, die größte Sparte in der deutschen Schadenversicherung, will der junge Versicherer nicht einsteigen. Zu umkämpft sei der Markt und nicht immer nachhaltig profitabel, findet Stange.

Unter den deutschen Versicherungs-Start-ups legt Element das höchste Wachstumstempo vor. An der Spitze des White-Label-Anbieters steht mit Astrid Stange seit kurzem eine frühere Topmanagerin aus der etablierten Assekuranz. Lehrgeld muss Element an mancher Stelle trotzdem zahlen.

Seit August 2022 führt Astrid Stange Element. Sie war Partnerin bei Boston Consulting und COO der Axa.