Digitalwährung erhält ein Konzept

EZB-Direktor Bindseil entwirft zweistufig verzinstes Kontensystem für Kontrolle von Zentralbankkonten

Digitalwährung erhält ein Konzept

Wie sich digitale Zentralbankwährungen in der Praxis managen lassen, ohne dass es zu Verwerfungen kommt, das hat EZB-Generaldirektor Bindseil skizziert. Des Pudels Kern ist ein zweistufiges Kontensystem mit einem Gehaltskonto für den Zahlungsverkehr und einem unverzinsten für Überschussliquidität.bg Frankfurt – Der Generaldirektor der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Zuständigkeit für Marktinfrastruktur und Zahlungsverkehr, Ulrich Bindseil, hat in einem aktuellen Arbeitspapier Vorschläge zur möglichen Einführung einer zentralbankgestützten Digitalwährung (CBDC) gemacht. Unter der Überschrift “Tiered CBDC and the financial system” diskutiert er dabei zunächst zwei Argumente, die gegen eine Einführung einer CBDC sprechen. Risiken adressierenDas ist zum einen das Risiko einer strukturellen Disintermediation von Banken plus der Zentralisierung der Kreditallokationsprozesse in der Zentralbank. Zum anderen skizziert er die sich aus der Einführung einer CBDC ergebenden erhöhten Risiken eines Bank Run in Krisenzeiten. Die von Bindseil vorgeschlagene Lösung für beide Probleme: die Einführung eines zweistufigen Zinssystems, das auf CBDC-Konten für Volumina ab einer bestimmten Schwelle “unattraktive” Zinssätze bietet.Bindseil bezieht sich in seiner Analyse ausschließlich auf “General Purpose CBDC”, also eine neue Form des digitalen Euro, bei dem sowohl der Retail- als auch der Corporate-Sektor Zugang zu Zentralbankkonten hätte. CBDCs sind für Bindseil eine dritte Form von “Base Money” neben den Banken vorbehaltenen Übernachtdepositen bei der Zentralbank und überall akzeptiertem Bargeld, das aber “begrenzt effektiv” sei und auf “alter Technologie” beruhe.Dieser Übergang zu moderner Technologie wie Blockchains zur Übertragung und Verwaltung digitaler Assets via Token hat Zentralbanken weltweit auf den Plan gerufen, um insbesondere den Zahlungsverkehr effektiver zu gestalten. Es gibt auch schon einige Start-ups, die Fiat-Währungen über einen sogenannten Stablecoin spiegeln. In den Notenbanken laufen Untersuchungen, ob und wie sich solche Stablecoins in den Geldkreislauf integrieren lassen. Außerdem wird geprüft, mit welchen Nebenwirkungen es verbunden wäre, wenn Notenbanken selbst eine CBDC emittieren bzw. eine solche über die Banken als tokenisiertes Giralgeld in Umlauf bringen. Die Rolle der BankenWürde die Notenbank Zentralbankgeld für alle anbieten, würde Bindseil zufolge die Zahl solcher Konten von derzeit 10 000 auf 300 bis 500 Millionen Konten steigen. Das Kontenmanagement solle man Dienstleistern überlassen, die Banken könnten dann den Tausch von Depositen in CBDC oder Banknoten (also Bargeld) organisieren und dafür eine Gebühr vergleichbar mit der am Geldautomaten verlangen.Alternativ schlägt Bindseil vor, die Notenbank könnte eine “Digital Token Currency” dezentral zirkulieren lassen, was – analog zu Bargeld – eine gewisse Anonymität mit sich brächte. Die EZB hatte im Dezember einen Test dazu abgeschlossen, wie Transaktionen semianonym über einen Distributed Ledger durchgeführt werden können. Zum Schutz vor Geldwäsche und Terrorfinanzierung muss allgemein eine Vorabprüfung von elektronischen Überweisungen stattfinden. Die EZB hätte als Betreiberin einer solchen Blockchain Kontrolle und Einblick in Geldflüsse – gleichwohl will man der Bevölkerung ein Gefühl der Nichtüberwachung vermitteln, wie sie es vom Bargeld gewohnt ist.Bindseil zitiert auch Research, dem zufolge das Vertrauen der Bürger in die Währung bei Verschwinden des Bargelds einzig und allein von den Finanzintermediären abhänge – eine Vorstellung, mit der sich einige Zentralbanken unwohl fühlen. Deshalb arbeitet die schwedische Riksbank an der Einführung einer CBDC, die als E-Krona in Form eines Prepaid-Guthabens digital zur Verfügung gestellt werden könnte. Ein Pilotprojekt der Zentralbank von Uruguay gilt als das am weitesten fortgeschrittene Experiment zu CBDC.Diskutiert wird von Bindseil mit Bezug auf einschlägige Forschung auch, inwieweit die Verzinsung von CBDC ein zusätzliches Instrument bei der Steuerung der Geldpolitik sein kann – die akademische Welt ist da uneins. Bindsel geht für seine Überlegungen davon aus, dass CBDCs keinen Einfluss auf die geldpolitischen Wirkungsmechanismen haben. Um die Risiken von struktureller Disintermediation der Banken zu begrenzen, schlägt Bindseil vor, dass die Menge an auf Konten gehaltenen CBDCs begrenzt wird. Das würde als Regel in der Wallet des Nutzers definiert. Allerdings muss sichergestellt sein, dass ausreichend Guthaben auf Konten vorhanden ist, um Zahlungen zu finalisieren.Um die Akzeptanz von CBDC im Zeiten eines Niedrigzinsniveaus zu erhöhen, schlägt Bindseil vor, ein “Tiering System” für CBDC-Depositen zu installieren – was nicht unähnlich ist zum Management der Überschussliquidität, wie sie Banken bei der Notenbank deponieren. Bei der Digitalwährung soll das so gestaltet werden, dass bis zu einem gewissen Depositenvolumen eine “relativ attraktive Verzinsung” geboten wird und für alles oberhalb dieser Stufe niedrige Zinsen. Über die Steuerung dieser Zinssätze im Rahmen der Eurosystem Reserve Management Services (ERMS) ließe sich der Depositenzuwachs von CBDC im Währungsraum steuern. Interessant ist der Hinweis, dass die Notenbank Japans für ausländische institutionelle Einlagen (von Zentralbanken) ein dreistufiges Tiering eingeführt hat; sie erhalten drei Kontotypen: positive Verzinsung, Nullzinsen und Negativverzinsung für Überschussreserven. Nicht für WertaufbewahrungBindseil geht davon aus, dass solche “Remuneration Systems” auf CBDC-Konten übertragen werden könnten. Stufe 1 wäre dann für die Payment-Funktionalität und Stufe 2 für die Wertaufbewahrungsfunktion, wo dann die Maßnahmen zur Disincentivierung greifen könnten. So wäre Zentralbankgeld davor geschützt, in großem Maßstab als Wertaufbewahrung zu fungieren. Und was ist mit der Balance gegenüber Bargeld? Im Umlauf sind derzeit Banknoten im Wert von 1,2 Bill. Euro, Wertpapiere sind 3 Bill. Euro, die Überschussreserven des Bankensystems sind knapp 2 Bill. Euro. Bindseil empfiehlt den Cap für das Tier-1-Konto bei 3 000 Euro anzusetzen, das entspreche dem durchschnittlichen Nettoeinkommen im Euroraum, womit dieses so etwas wie ein “Gehaltskonto” für den Zahlungsverkehr wäre. Für 340 Millionen EU-Bürger würden bei voller Ausreizung 1 Bill. Euro auf CBDC-Konten lagern. Das wäre im Verhältnis zu den anderen Aggregaten nicht zu viel, es würde wohl vor allem das Bargeldvolumen substituiert. – Wertberichtigt Seite 6