Renditen unter Druck

Distressed-Credit-Fonds müssen sich neu erfinden

Kreditrestrukturierungsfonds finden immer weniger Schnäppchen am Markt, wo sie sich günstig in Schuldtitel angeschlagener Unternehmen einkaufen können. Die Renditen dieser Fonds stehen daher massiv unter Druck.

Distressed-Credit-Fonds müssen sich neu erfinden

Distressed-Credit-Fonds vor Neuerfindung

Das aggressive Geschäftsmodell von Kreditrestrukturierungsfonds bringt zu wenig Rendite, sagen Restrukturierungsexperten

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Es gibt aggressive Kreditfonds, die ausstehende Schulden einer angeschlagenen Firma kaufen, um diese dann im Rahmen einer Restrukturierung in Eigenkapital umzuwandeln und dadurch das Unternehmen zu übernehmen. Doch diese „Loan-to-Own-Strategien“ funktionieren nicht mehr, sagen Experten aus der Szene.

„Traditionelle Loan-to-Own-Strategien sind ein Auslaufmodell“, sagt ein deutscher Distressed-Investor, der anonym bleiben möchte. Viele dieser Fonds hätten gerade Probleme, von Investoren frisches Kapital für diese Strategien zu bekommen. „Keiner in der Szene sagt, dass es gerade gut läuft.“ Das Fundraising verlaufe schleppend und es gebe zu wenige Investment-Opportunitäten, die preislich attraktiv seien, moniert der Manager. 

Loan-to-Own-Investoren kaufen sich in ausstehende, liquide Schuldtitel wie Anleihen oder handelbare Bankkredite von Unternehmen ein, die sich in finanzieller Schieflage befinden. Dabei verfolgen die Investoren das Ziel, diese Schuldtitel – oder einen Teil davon – günstig zu erwerben, um anschließend bei einer bilanziellen Restrukturierung der Firma, ihr Fremd- in Eigenkapital umzuwandeln und somit die Schlüssel zum Unternehmen zu übernehmen. Gelingt anschließend die Sanierung und der Verkauf des Unternehmens, machen Loan-to-Own-Investoren einen guten Schnitt. 

Kaum noch Schnäppchen für Distressed-Credit-Fonds

Soweit die Theorie. In der Praxis haben die Schnäppchenjäger aber ein großes Problem: Zwar gibt es aktuell genügend Unternehmen, die finanziell unter Druck stehen. Den größten Stress spüren in Europa gerade der Einzelhandel und die Konsumgüterbranche, wo das Distressed-Level dem Europäischen Distressed-Index von Weil, Gotshal & Manges zufolge auf den höchsten Stand seit der globalen Finanzkrise 2009 gestiegen ist. 

Doch es gibt keine Schnäppchen mehr. Die liquiden Fremdkapitalmärkte seien mit derart viel Liquidität geflutet, dass die Distressed-Investoren kaum noch preislich attraktive Einstiegsmöglichkeiten fänden, meint der Manager. Der Druck ist einfach nicht groß genug am Markt. Die Folge: Alle großen Loan-to-Own-Investoren stürzen sich auf die wenigen, preislich wirklich attraktiven Assets. „Entsprechend niedrig sind auch die tatsächlich erwarteten Renditen“, sagt der Manager.

Offiziell sprechen Distressed-Credit-Investoren bei ihren Fonds von Zielrenditen zwischen 16 und 20%. „Das ist allerdings ein Ziel, das aktuell so gut wie kein Manager mehr erreicht“, sagt der Investor. In der Realität würden die meisten nach Abzug der Kosten deutlich weniger als 15% verdienen. Das sei kaum mehr, als mit deutlich weniger riskanten High Yield Bonds zu holen sei. Deren Rendite sei aktuell mit 10 bis 12% zu veranschlagen. 

Hohes Risiko für wenig Rendite

Warum also sollte ein institutioneller Investor das um ein Vielfaches höhere Risiko eingehen und in einen Distressed-Fonds investieren, wenn er für ein paar wenige Prozentpunkte weniger Rendite nachts deutlich ruhiger schlafen kann? Man darf nicht vergessen: Loan-to-Own-Investoren tragen immer ein substanzielles Eigenkapitalrisiko, da sie Eigentümer eines Unternehmens werden. Gelingt der Turnaround nicht, droht dem Investor der Totalausfall. Auch Hochzinsanleihen (High Yield Bonds) sind natürlich spekulativ, stehen als Fremdkapital im Insolvenzrang aber vor dem Eigenkapital und haben daher ein besseres Risikoprofil. 

„Wenn ich als institutioneller Investor Equity Exposure möchte, dann investiere ich in einen Private-Equity-Fonds, der hoffentlich 20% abwirft. Will ich Credit Exposure, dann investiere ich von mir aus in einen Direct-Lending-Fonds, der mir 8% bringt. Aber die Loan-to-Own-Fonds mit ihrem Eigenkapitalrisiko und nicht mal 15% Rendite sind gerade irgendwo zwischen diesen beiden Welten gefangen“, so der Manager. Der Datenanbieter MSCI gibt ihm recht: Keine andere private Anlageklasse – abgesehen von den Immobilien – hat im ersten Quartal so schlecht performt, wie Distressed-Credit-Fonds.

Passen Distressed-Credit-Fonds ihre Strategien an?

Ein bekannter deutscher Restrukturierungsberater stimmt dem Investor zu und weist außerdem auf die hohen Folgekosten hin, die für den Kreditfonds bei der anstehenden operativen Restrukturierung entstünden und die ohnehin schon reduzierten Renditen zusätzlich belasten würden. „Dann nimm doch gleich einen Private-Equity-Turnaround-Investor, der dafür strukturell besser aufgestellt ist“, sagt der Restrukturierungsberater.

Es verwundert daher nicht, dass immer mehr Loan-to-Own-Investoren mit dem Gedanken spielen sollen, ihre Strategien etwas aufzuweichen. Im Fachjargon ist dann nicht mehr von „Loan-to-Own“ oder „Distressed Credit“ die Rede, sondern von sogenannten „Capital Solutions“ oder „Special Situation“ Fonds. Diese finanzieren dann immer noch riskantere oder komplexere Unternehmen, verfolgen aber nicht das Ziel, diese auch zwingend zu übernehmen. Und: „15% Rendite sind für einen Capital Solutions Fonds nicht verrückt“, meint der Distressed-Investor. 

Chancen abseits der Börse

Die Zukunft für Distressed-Investoren sieht er abseits der liquiden Kapitalmärkte, wo sich alle Schnäppchenjäger um dieselben öffentlich einsehbaren großen Assets prügeln und einander die Preise kaputt machen. „Ich würde stärker auf die privat finanzierten Unternehmen in Stresssituationen schauen“, sagt der Manager. Mittelständler, die sich nicht über High Yield Bonds oder an CLO-Investoren syndizierte Kredite finanzieren, sondern über eine einzelne Bank. 

Diese Unternehmen zu finden und die Bank dann auch noch zu überzeugen, ihren Kredit an den Investor zu verkaufen, ist zwar extrem schwierig. Vor allem, wenn der Fonds angelsächsisch ist und seine Deals zentral aus London oder den USA heraus steuert. Doch wenn das gelingt, dann rückt die Zielrendite von 20% schon eher wieder in Reichweite.

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