Wettbewerb mit Private Credit

Drang der US-Banken in Leveraged Finance gefährdet Kreditqualität

Ratingagenturen fürchten am Markt für fremdfinanzierte Übernahmen ein Rennen in den Abgrund. Denn Investmentbanken dürften demnach bald aggressiv darum ringen, an Private-Credit-Anbieter verlorene Marktanteile zurückzugewinnen.

Drang der US-Banken in Leveraged Finance gefährdet Kreditqualität

Gefährlicher Wettbewerb um Buy-outs

Konkurrenzkampf zwischen Investmentbanken und Private-Credit-Anbietern bedroht laut Moodys Finanzstabilität

Von Alex Wehnert, New York

Der Markt für fremdfinanzierte Übernahmen kommt nach schwierigen Monaten wieder in Gang – nun weckt die vorsichtige Erholung bereits Sorgen um die Finanzstabilität. Zuletzt hat die Ratingagentur Moody‘s Alarm geschlagen: Bei Leveraged Buy-outs (LBOs) drohe ein „Rennen in den Abgrund“ zwischen Banken und Private-Credit-Fonds.

Denn Banken, die üblicherweise an Finanzierungen über syndizierte Kredite beteiligt seien, hätten in den vergangenen beiden Jahren signifikante Anteile an Anbieter alternativer Fremdfinanzierungsformen verloren. Der langfristige Boom von Private Credit wird anhand der Entwicklung der Assets under Management deutlich, die kurz nach der Finanzkrise 2008 bei 231,5 Mrd. Dollar lagen und inzwischen auf 1,5 Bill. Dollar gewachsen sind. Damit übertreffen sie die verwalteten Mittel im Markt für Leveraged Loans, die sich auf 1,4 Bill. Dollar belaufen.

Beispiellose Volumina

Die Summen, die Private-Credit-Fonds inzwischen für riskante Deals zur Verfügung stellen können, haben beispiellose Ausmaße erreicht: Für die Akquisition des Software-Unternehmens Zendesk schnürten Anbieter um Blackstone und Apollo Global 2022 ein Kreditpaket im Volumen von 5 Mrd. Dollar – mehr als das 30-Fache des Gewinns des Übernahmeziels vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen.

Angesichts dieser Entwicklung steht laut Moody‘s zu erwarten, dass Investmentbanken aggressivere Strategien verfolgten, um verloren gegangene Marktanteile zurückzugewinnen. Dies führe zu weniger strengen Konditionen und einer nachlassenden Kreditqualität – was wiederum systemische Risiken befeuere.

Hinzu kommt, dass Banken ebenfalls unter Druck stehen, weil Debt Funds zunehmend weitere Dienstleistungen anbieten, für die bislang traditionelle Geldhäuser zuständig waren. Dazu zählt die Bereitstellung revolvierender Kreditfazilitäten. Die Furcht davor, dass ihre Marktmacht auch in solchen Geschäftsbereichen bröckle, könnte die Risikofreudigkeit der Banken laut Analysten anheizen.

Noch kehren zahlreiche Wall-Street-Häuser zwar nur zögerlich in den Markt für Leveraged Loans zurück. Zu frisch ist wohl die Erinnerung an die Rückschläge aus dem vergangenen Jahr, als zahlreiche große Institute wie Bank of America, Goldman Sachs oder die britische Barclays milliardenschwere Kredite auf die eigenen Bücher nahmen, die zur Finanzierung riskanter Buy-outs von Firmen wie dem Softwareanbieter Citrix, dem Autozulieferer Tenneco oder dem TV-Ratinganbieter Nielsen begeben worden waren.

Infolge der restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve stießen die beteiligten Banken bei Versuchen, die Hochzinsanleihen am Markt abzuladen, auf massive Schwierigkeiten – und mussten sie schließlich zu herben Verlusten abstoßen. Die an der Übernahme des ehemals als Twitter bekannten Kurznachrichtendienstes X beteiligten Banken haben noch großvolumige Ramschkredite auf den Büchern.

Interesse an High Yield wächst

Allerdings macht eine Kurserholung im Markt für Junk Bonds diesen Geldhäusern nun Mut. Denn Fondsmanager und Investoren hoffen auf ein baldiges Ende des Fed-Zinserhöhungszyklus und zeigen auch angesichts abnehmender Rezessionsängste wieder größeres Interesse an Anleihen mit niedrigem Bonitätsrating.

So zeigten Marktteilnehmer zuletzt enorm hohes Interesse, die Mehrheitsbeteiligung der Chicagoer Private-Equity-Firma GTCR am Zahlungsabwickler Worldpay zu finanzieren. Im Rahmen der Transaktion gingen Orders im Volumen von 20 Mrd. Dollar ein, das Unternehmen nahm an den Bond- und Kreditmärkten schließlich 8,65 Mrd. Dollar auf. Worldpay war in der Lage, ein institutionelles Kapitalmarktdarlehen (Term Loan) zweimal aufzustocken. Statt des erwarteten Spreads von 3,75% zurrte sie angesichts des enormen Andrangs eine Verzinsung von 3% über der Benchmark-Rate fest.

Hinzu kommt, dass das Neuangebot im High-Yield-Segment immer noch niedrig ausfällt: Im laufenden Jahr kamen laut Dealogic-Daten bis Ende September 146 Primärmarkt-Deals im Volumen von rund 117,1 Mrd. Dollar zustande. Damit zeigt sich zwar eine stärkere Aktivität als in den ersten neun Monaten 2022, als die gelpolitische Wende auf der Stimmung lastete. In allen anderen Jahren seit der Finanzkrise erreichten die Volumina und die Zahl der Deals im gleichen Zeitraum aber höhere Niveaus. Dies gilt insbesondere für 2020 und 2021, als jeweils über 400 Transaktionen im Gesamtumfang von mehr als 300 Mrd. Dollar zustande kamen.

Die Moody‘s-Analysten rechnen nun damit, dass gerade die niedrigen Volumina der vergangenen Monate den Weg für einen unverhältnismäßig starken Anstieg der LBO-Aktivität die Tür öffnen. Zudem stehe zu erwarten, dass Kredite höherer Qualität im Zuge des aufgeheizten Wettbewerbs eher syndiziert würden, während jene mit niedrigerer Qualität über den Private-Debt-Markt aufgenommen würden, an dem die Anbieter auf enorm hohen Kapitalzusagen („Dry Powder“) sitzen. Damit gerieten aber gerade diese riskanteren Darlehen zunehmend außerhalb regulatorischer Kontrolle.

Grenzen verschwimmen

Verkompliziert wird die Lage dadurch, dass die Grenzen zwischen dem Segment der Alternatives-Anbieter und jenem der klassischen Investmentbanken zunehmend verschwimmen. Denn US-Geldhäuser wagen sich zunehmend in den Private-Credit-Markt vor. Goldman Sachs ist dort schon seit 1996 aktiv und hat in ihren entsprechenden Vehikeln 110 Mrd. Dollar an Assets under Management angesammelt, doch auch die traditionell schärfste Konkurrentin Morgan Stanley und die größte US-Universalbank J.P. Morgan haben Direct-Lending-Strategien lanciert.

Zuletzt sind sogar bei der traditionell vor allem dem Consumer Banking verbundenen Wells Fargo Begehrlichkeiten gewachsen: Das Kreditinstitut hat eine Partnerschaft mit der Private-Equity-Firma Centerbridge geschlossen – die beiden Häuser wollen einen 5 Mrd. Dollar schweren Debt Fund lancieren. Das unter dem Namen Overland Advisors angekündigte Vehikel soll sich vor allem auf Deals um mittelgroße Unternehmen in Nordamerika konzentrieren.

Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie bei Nomura, hebt unterdessen die Effekte der Umsetzung des Basel-III-Rahmenwerks in den USA hervor. „Härtere Kapitalvorgaben werden zu einer Konsolidierung im Finanzsektor führen“, betont Hertrich. Es stünden künftig also weniger Institute bereit, die im Markt für klassische Bankkredite und Kapitalmarktdarlehen aktiv seien. „Dagegen steht zu erwarten, dass sich das Segment der Intermediäre ohne Einlagengeschäft weiter überfüllt“, sagt der Nomura-Stratege.

Derweil stoßen Schuldner, die vor 2022 variabel verzinsliche Darlehen am Private-Credit-Markt aufgenommen haben, angesichts der restriktiven Geldpolitik zunehmend auf Probleme. Mitunter kommt es zu Insolvenzen: Im September stellte der Zahnschienen-Anbieter Smile Direct Club Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 – noch im Vorjahr hatte das Unternehmen über die New Yorker Investmentfirma HPS einen 255 Mill. Dollar schweren Private Loan erhalten.

Bank of America rechnet – wenn nicht gleich mit einer Insolvenzwelle – doch damit, dass die Ausfallraten im Segment klettern werden. Für 2024 prognostizieren die Analysten einen Anstieg der Default-Raten auf 5%. Eine höhere Leveraged-Buy-out-Aktivität droht den Finanzsektor damit noch vor massive Herausforderungen zu stellen.

Ratingagenturen fürchten am Markt für fremdfinanzierte Übernahmen ein Rennen in den Abgrund. Denn Investmentbanken dürften demnach bald aggressiv darum ringen, an Private-Credit-Anbieter verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. Dies schade der Kreditqualität und berge systemische Risiken.

Von Alex Wehnert, New York
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