WIRECARD BEANTRAGT INSOLVENZ

Ein Ausfall der Wirecard Bank ist zu verkraften

EU-Abwicklungsbehörde dürfte einer Havarie gelassen zuschauen - Bankenverband: Die Einlagensicherung hat ausreichend Mittel zur Einlegerentschädigung

Ein Ausfall der Wirecard Bank ist zu verkraften

Nach dem Insolvenzantrag des Zahlungsabwicklers Wirecard steht die Zukunft der konzerneigenen Banktochter in Frage. Bräche die Wirecard Bank zusammen, dürfte dies auf eine Insolvenz anstatt auf eine Abwicklung hinauslaufen. Die private Einlagensicherung sollte Einleger entschädigen können.Von Bernd Neubacher, FrankfurtWer hätte das gedacht? Seit Beginn der Coronakrise haben sich Aufseher mit Szenarien beschäftigt, in welchen die Pandemie und deren Effekte ein Kreditinstitut destabilisieren und letztlich dahinraffen. Nun ist das Risiko real, dass zuvor ein Haus infolge der Erschütterungen durch den beispiellosen Bilanzskandal und den Insolvenzantrag eines Dax-Wertes zusammenbricht: die Wirecard Bank. Zahlungen auf dem Prüfstand Wenige Tage nachdem EY der Muttergesellschaft das Testat verweigert hatte, hat die in die Kritik geratene Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einen Sonderbeauftragten für das Institut eingesetzt, der jegliche Zahlungen der Bank fortan anschaut, wie Wirecard am Donnerstag erklärte. Damit will die Behörde die Bank so gut es geht von dem Chaos, in das ihre Mutter, der Zahlungsabwickler Wirecard, gestürzt ist, abschirmen und verhindern, dass Mittel der Bank dazu dienen, Löcher in der Bilanz der Mutter zu stopfen. Wirecard-Finanzvorstand Alexander von Knoop etwa sitzt auch im Vorstand der Banktochter. Seit Tagen schon dürfte sich die Aufsicht intensiv mit der Situation bei der Wirecard Bank befassen. Wenn wie in den vergangenen Tagen Kunden der Muttergesellschaft das Weite zu suchen beginnen, kann man sich schon einmal Gedanken über die Treue der Einleger machen. Prognose unklarNun hat die BaFin zwar eine Art Zaun um die Bank gezogen. Ob das auf die Mutter zugeschnittene Institut in diesem Areal aber eine Zukunft hat, muss sich zeigen. Wie der Offenlegungsbericht der Wirecard Bank für 2019 – der konzernweit einzige Bericht, der fürs vergangene Jahr bis auf Weiteres zur Verfügung stehen dürfte – zeigt, hatte das Institut Ende vergangenen Jahres durchaus genug auf den Rippen, um Begehrlichkeiten in einem Konzern zu wecken, der 1,9 Mrd. Euro vermisst: Eine Gewinnzuweisung sowie die Reduktion von Abzugsposten erhöhten das Eigenkapital der Bank 2019 um 27 Mill. Euro. Die Verschuldungsquote lag Ende Dezember bei sehr komfortablen 8,4 %, die Eigenkapitalquote bei 20,8 %, die Liquiditätsdeckungsquote bei 144 %.Die Risikotragfähigkeit war den Zahlen zufolge locker gegeben, auch wenn die Risikoaktiva im vergangenen Jahr um knapp ein Zehntel auf 762 Mill. Euro angeschwollen sind (siehe Tabelle), was das Management auf vermehrte Geschäftstätigkeit zurückführt. Allein: Wenn im Konzernverbund ein Dax-Konzern die Insolvenz beantragt und falls dies einen Run auf die Einlagen auslöst, können auch 158 Mill. Euro Eigenkapital in einer Banktochter sehr rasch verdampfen. Nicht relevant genugWie sehen die Optionen im Fall eines Zusammenbruchs aus? Die Aufsicht würde zunächst feststellen müssen, ob das Institut infolge Systemrelevanz eine Entsorgung nach dem Bankenabwicklungsregime erfordert. In diesem Fall würde die BaFin gemeinsam mit der Brüsseler Behörde Single Resolution Board (SRB) das Institut nach einem bereits vorbereiteten Plan abwickeln. Tatsächlich dürfte die Wirecard Bank jedoch mit ihrer Bilanzsumme von 1,6 Mrd. Euro per Ende 2018 und ihrem Grad an Vernetzung nicht relevant genug sein, damit Brüssel auf den Plan tritt. Diese Vermutung legen zumindest die beiden Pleiten der Dero Bank 34 Mill sowie der Maple Bank 4,6 Mrd. nahe, die mit Bilanzsummen von gut 30 Mill. bzw. 4,6 Mrd. ungefähr in der gleichen Gewichtsklasse agierten wie die Wirecard Bank und welche die Aufsicht sang- und klanglos in die Insolvenz gehen ließ.Der erste Schritt auf diesem Wege wäre zunächst, dass die Aufsicht ein Moratorium über die Wirecard Bank verhängt und prüft, ob das Institut weitergeführt werden kann. Verneinen die Aufseher dies, werden sie den Entschädigungsfall feststellen. Laut den gesetzlichen Bestimmungen zur Einlagensicherung steht dabei jedem Einleger eine Entschädigung seiner Depositen von bis zu 100 000 Euro zu. Darüber hinaus käme dann die freiwillige Einlagensicherung des privaten Bankensektors ins Spiel. Es reicht nochDeren Topf ist nach den Entschädigungsfällen der zurück liegenden Jahr dem Vernehmen nach zwar bei weitem nicht so üppig gefüllt wie jener der Institutssicherungsmechanismen im öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Lager. Für die Wirecard Bank AG aber sollte es dennoch reichen.Auf Anfrage erklärte ein Sprecher des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) am Donnerstag: “Die Einlagensicherung hat ausreichend Mittel, um Einleger der Wirecard Bank zu entschädigen.”Wie zuletzt im Markt zu hören war, befinden sich im Topf der freiwilligen Einlagensicherung der privaten Banken gut 2 Mrd. Euro – der BdB-Sprecher kommentiert dies nicht. Die Wirecard Bank AG wies per Ende 2018 Depositen von 1,39 Mrd. Euro aus. Der Anteil der Einlagen, für welche die freiwillige Einlagensicherungseinrichtung der privaten Banken gerade stehen müsste, sollte indes deutlich niedriger liegen. Depositenvolumen steigtZwar hat die Wirecard Bank mit ihrem Einlegerprogramm “Boon” zuletzt gezielt Retail-Einleger mit hohen Depositenzinsen angelockt und das Volumen ihrer Depositen allein 2018 um rund 1 Mrd. Euro erhöht. Andererseits aber dürften zahlreiche Unternehmenskunden des Instituts angesichts der Nachrichtenlage in den vergangenen Tagen bereits in erheblichem Umfang Mittel abgezogen haben, was den Umfang der von der Einlagensicherung zu ersetzenden Depositen denn auch merklich reduzieren würde. Die Wirecard Bank äußert sich auf Anfrage nicht dazu, ob zuletzt Einlagen abgeflossen sind, wie zu anderen Fragen zuletzt auch nicht.Für die Einlagensicherung der privaten Banken könnte es sich nun auszahlen, dass sie per Anfang vorvergangenen Jahres den Umfang ihrer Sicherung eingeschränkt hat.Seither werden professionelle Investoren und Finanzinstitute sowie Bund, Länder und Kommunen nicht mehr vom freiwilligen Depositenschutz erfasst, und seine Reichweite für Unternehmen, Versicherer und halbstaatliche Stellen wie Versorgungswerke ist beschränkt. Die Sicherungsgrenze der privaten Banken bemäße sich im Falle der Wirecard Bank auf 19,7 Mill. Euro pro geschütztem Einleger, wie eine Anfrage beim BdB zutage fördert. Gute InsolvenzquotenMit der Entschädigung der Einlager übernähme die private Einlagensicherung die Forderungen der entschädigten Kunden und träte dann als Gläubigerin im Insolvenzverfahren auf. Dabei hat sie in der Vergangenheit durchaus noch Mittel hereingeholt. Denn im Falle von Banken gilt die Insolvenzquote, also der prozentuale Anteil, den die Gläubiger nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens an der Insolvenzmasse erhalten, als deutlich höher als bei Industrieunternehmen – einer strengeren Regulierung und Aufsicht im Finanzsektor sei Dank.Somit deutet derzeit zwar nicht viel darauf hin, dass eine Pleite der Wirecard Bank AG Aufseher, Abwickler oder die Einlagensicherung überfordern würde. Sehr wohl könnte sie allerdings dazu beitragen, die Schutzmechanismen der privaten Banken näher an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen, wenn die Coronakrise den Häusern, die nicht selten Kredite an Wirecard ausgereicht haben, weiter zusetzen sollte.