Markus Klintworth, VR Smart

Ein dicker Strich durch die Rechnung

Das kam zur Unzeit: Kurz nachdem die Transformation der früheren VR Leasing zur neuen VR Smart Finanz vollendet war, brach die Pandemie aus. Das Kernprodukt lag auf Eis, die Risikovorsorge zeigte steil nach oben. Der Weg zurück in die schwarzen Zahlen bleibt vorerst versperrt.

Ein dicker Strich durch die Rechnung

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Die Corona-Pandemie hat der DZ-Bank-Tochter VR Smart Finanz, zuvor VR Leasing, einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Eigentlich sollten mit dem Jahr 2020 endlich die roten Zahlen der Vergangenheit angehören. Nach Abschluss des radikalen und schmerzhaften Wandels vom Spezialisten im Leasing und Factoring nebst großem Bauchladen zu einem schlanken digitalen Gewerbekundenfinanzierer sollte das zurückliegende Jahr der Moment sein, in dem der Break-even erreicht wird. „Wir hatten ein gutes erstes Quartal, aber dann hat uns die Krise getroffen“, so der neue Vorstandsvorsitzende Markus Klintworth, der Anfang 2020 die Leitung von Theophil Graband übernommen hatte, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Risikovorsorge erhöht

Da VR Smart schwerpunktmäßig Kredite an kleine Gewerbetreibende wie Frisöre oder Gastronomen vergibt, musste wegen der Pandemie die Risikovorsorge von 30 auf 49 Mill. Euro hochgesetzt werden. Auch wenn dies pauschale Berichtigungen aufgrund der regulatorischen Vorgaben waren und tatsächlich weniger Ist-Ausfälle als im Vorjahr zu beklagen waren, war dies für den spezia­lisierten Gewerbekundenfinanzierer eine hohe Belastung.

Und nicht nur das. Wegen der hohen Unsicherheit musste das Kernprodukt, der Kredit „Smart flexibel“, für mehr als ein halbes Jahr auf Eis gelegt werden. Denn angesichts der unsicheren Situation im Frühjahr erschien es mit Blick nach vorn als zu gewagt, Blankokredite bis 100000 Euro zu bewilligen, die auf Basis historischer Daten automatisiert vergeben werden. „Solche Schock­ereignisse wie eine Pandemie kann man nicht durch die auf historischen Daten basierenden Risikomodelle vorhersagen, wie wir sie für die Vergabe des Smart flexibel nutzen“, berichtet Klintworth.

Zugleich zeichnete sich ab, dass die Corona-Förderkredite der KfW für kleinere und mittlere Unternehmen in der unsicheren Situation wegen der entgegenkommenden Konditionen auf eine höhere Nachfrage stoßen würden als ein klassischer Unternehmenskredit. Insofern wurde die Kreditprozessstraße von VR Smart innerhalb einer Woche auf den KfW-Förderkredit umgestellt. 14000 Förderkredite (genehmigtes Volumen mehr als 830 Mill. Euro) wurden vergeben, dies entspricht einem Anteil von einem Fünftel an allen 2020 bewilligten KfW-Coronaförderkrediten für kleinere Unternehmen. Da bei diesen Krediten die KfW 90% des Risikos trägt, ging bei VR Smart in der Folge die Zinsmarge im Neugeschäft sichtbar von 3,8 auf 2,4% zurück. Ohnehin verringerte sich das Neugeschäft um 6% auf 1,3 Mrd. Euro. „Das hat uns beim Ergebnis wehgetan“, räumt Klintworth ein.

Somit ist aus der geplanten schwarzen Null ein Minus von 45 Mill. Euro geworden, das Viereinhalbfache des Vorjahres. „Die Pandemie hat uns in unseren Plänen anderthalb bis zwei Jahre ausgebremst“, so der 47-Jährige. 2021 werde somit ein weiteres Übergangsjahr auf dem Weg zurück in die schwarzen Zahlen sein. Wobei der erneute Verlust davon abhängen werde, wie schnell die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Für 2021 rechnet Klintworth mit einem einstelligen Millionenverlust sowie einer gleich hoch bleibenden Risikovorsorge von rund 50 Mill. Euro. 2022 plant Klintworth dann die Rückkehr in die schwarzen Zahlen.

Immerhin wurde seit Ende November das Kernprodukt Smart flexibel auf einer neuen zweiten Prozessstrecke wieder ins Angebot aufgenommen. „Unsere bestehenden Risikomodelle wurden um einen differenzierten Branchenblick er­gänzt, und der Smart flexibel wird aktuell mit engeren Risikoleitplanken vergeben als vor der Krise“, so der Hamburger und verheiratete Vater von vier Mädchen. Für den Kunden ändert sich indes nichts: Vier Angaben aus der Einnahme-Überschuss-Rechnung oder Gewinn-und-Verlust-Rechnung der vergangenen beiden Jahre reichen für die Beantragung des Kredits im Internet oder bei einem Gespräch in der Bank.

Verhaltener Jahresstart

Bis Mitte des Jahres laufen nun der klassische Kredit wie der Förderkredit parallel, Letzterer läuft nach heutigem Stand dann aus. Der Start ins Jahr 2021 ist nach Darstellung von Klintworth angesichts der Pandemie im Vergleich zum guten Auftakt 2020 eher verhalten. Aktuell gebe es für Förderkredit und Flexibel-Kredit zusammengerechnet gleich viele An­fragen wie im Jahr zuvor nur für das Kernprodukt. Dennoch bleibt er optimistisch für das laufende Jahr, rechnet er doch mit einer starken Aufholjagd bei den Investitionen, die die Gewerbetreibenden vergangenes Jahr zurückgestellt haben.

VR Smart hat schon einiges hinter sich. Als eines der Sorgenkinder der DZBank mit reichlich Verlusten hatte Vorgänger Graband die Notbremse gezogen und viele Randbereiche veräußert. Die Bereiche Zentralregulierung und Factoring gingen an die DZBank, die Tochter BFL Leasing an die Bawag, das Immobilienleasing an die Firma Loancos. Die Mitarbeiterzahl schrumpfte von mehr als 1000 auf rund 430. Mitte 2018 folgte die Namensänderung zu VR Smart. 2020 wurden die IT und andere Funktionen an die DZBank ausgelagert, um die Kostenbasis dauerhaft zu senken.

„Trotz der sehr verkleinerten Mannschaft machen wir mittlerweile doppelt so viel Geschäft mit den Volks- und Raiffeisenbanken“, vergleich Klintworth die Zeit vor der Transformation mit heute. Per Ende 2020 arbeiteten mit über 700 fast alle Volks- und Raiffeisenbanken mit VR Smart zusammen. Die Provisionszahlungen an sie erhöhten sich auf 36,8 (i.V. 31,9) Mill. Euro.

Im Fokus der Kredite über VR Smart stehen kleine Unternehmen, kleine Gewerbetreibende und Soloselbständige mit einem Um­satz bis 6 Mill. Euro, wobei der Schwerpunkt zwischen 500000 Euro und 1 Mill. Euro liegt. „Wir wollen keine Eigenmarke im genossenschaftlichen Verbund sein, sondern verstehen uns als Lösungsanbieter für die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Kunden“, betont der Wirtschaftsmathematiker, der seit acht Jahren für VR Leasing/VR Smart arbeitet. Er hatte nach dem Studium seine berufliche Karriere zunächst im DZ-Bank-Konzern bei der DG Hyp (heute DZ Hyp) begonnen, um dann aber für zehn Jahre zwischendurch zur HSH Nordbank zu wechseln.

Vorteil Automatisierung

Kurz umrissen bietet VR Smart den Ortsbanken an, das bei ihnen aufwendige manuelle Kreditgeschäft automatisiert auf digitalem Wege für sie zu übernehmen. Das Darlehen nimmt VR Smart dann komplett auf die eigene Bilanz. Das hat für die Volks- und Raiffeisenbanken mehrere Vorteile: Zeit- und Kostenersparnis, weil kein Mitarbeiter Antrag, Überprüfung und Bewilligung selbst abarbeiten muss; Entlastung beim Eigenkapital, weil der Kredit aus der eigenen Bilanz verschwindet; keine Risikovorsorge für den Kredit; und nicht zuletzt eine stetige Gebühreneinnahme durch die Vermittlung des Kredits an VR Smart: bei niedrigen Kreditvolumina (75% des Geschäfts) sind es 200 Basispunkte, bei größeren Kreditbeträgen geht es sukzessive auf 25 Basispunkte runter.

Wie viel Einsparpotenzial durch einen voll automatisiert vergebenen Kredit eine Bank hat, vermag Klintworth nicht zu sagen. Aber er betont, dass ein Standardkredit über 50000 Euro, der auf manuelle Weise nach dem Vier-Augen-Prinzip vergeben wird, für Banken grundsätzlich nicht mehr profitabel sei.

Zur Kundenbindung und zur Neukundengewinnung gibt es bei VR Smart auch noch zusätzliche digitale Services. „Für die kleinen Gewerbetreibenden ist das Thema Finanzen oft ein lästiges Übel, insofern haben wir hierfür digitale Unterstützungsangebote im Angebot wie für die Buchhaltung oder das Rechnungsmanagement – hier geht es darum, den Kunden früher im Finanzalltag anzusprechen.“

Gewaltiges Potenzial

Das Potenzial, auf diese Weise auch noch an neue Kunden zu kommen, ist gewaltig: Immerhin 3 Millionen Gewerbetreibende gibt es in Deutschland, davon haben die Genossenschaftsbanken eine Reichweite von 50%, wie Klintworth schildert. Über das gesamte Angebot hinweg zählt VR Smart 90000 Kunden.

Für die genossenschaftliche Gruppe ist die VR Smart ein wichtiger Bestandteil bei der Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts geworden. Dies betont etwa Herbert Kohlberg, Vorstandsmitglied der Mainzer Volksbank: „VR Smart Finanz steht bei uns im Zentrum der Digitalisierung des Gewerbekundengeschäfts. Die Reaktionsschnelligkeit, mit der sie den KfW-Förderkredit auf die digitale Antragsstrecke gehoben hat, zeigt ihre Flexibilität und Handlungsfähigkeit auch in Krisenzeiten.“ Von den rund 1000 gewährten KfW-Coronakrediten der Mainzer Volksbank sei rund die Hälfe über die digitale Strecke von VR Smart gegangen. Dies ist für die Mainzer ein viel wichtigerer Aspekt als die vorübergehende Einstellung des Kernprodukts Smart flexibel.

Auch die Mutter DZBank stellt sich nach dem pandemiebedingten Rückschlag demonstrativ hinter ihre Tochter. „Natürlich tut der hohe Verlust im zurückliegenden Jahr weh, aber er ist klar auf die Pandemie zurückzuführen. Von der Ergebnisseite her muss es besser werden. VR Smart Finanz ist aber ein Fintech in unserer Gruppe, das in der Lage ist, sehr schnell und kreativ digitale Lösungen für Gewerbekundenkredite zu erstellen. Dieses Leistungsangebot werden wir zu einem Ökosystem weiterentwickeln, das der DZ-Bank-Gruppe wie den Genossenschaftsbanken dauerhaft Freude machen wird“, sagt Co-Vorstandsvorsitzender Uwe Fröhlich.

VR Smart Finanz
Kennzahlen nach IFRS
in Mill. Euro20202019
Zinsüberschuss138147
Provisionsüberschuss−24−10
Risikovorsorge4930
Verwaltungsaufwand102127
Sonst. betr. Ergebnis−89
Ergebnis vor Steuern−45−10
Cost-Income-Ratio (%) 96,2 86,4
Börsen-Zeitung