Frankfurt Digital Finance

Ein Hoch auf die Kapitalmarktunion

Vertreter der Finanzindustrie ließen bei der Konferenz Frankfurt Digital Finance keinen Zweifel daran, wie wichtig die Vollendung der Kapitalmarktunion ist.

Ein Hoch auf die Kapitalmarktunion

Ein Hoch auf die Kapitalmarktunion

Vertreter der Finanzindustrie beschwören Stärkung der Kapitalmärkte

fir Frankfurt

Vertreter der europäischen Finanzindustrie forderten am Mittwoch in einer Diskussionsrunde bei der Konferenz Frankfurt Digital Finance die EU auf, die Kapitalmarktunion bald zu vollenden. Es müsse ein echter Binnenmarkt für Kapital geschaffen werden, so das deutsch-französische Gespann Bettina Orlopp, Finanzvorständin der Commerzbank, und der Vorstandsvorsitzende von Oddo BHF, Philippe Oddo. Beide waren sich einig, dass das Projekt zügig vorangetrieben werden muss, um Gelder etwa für die nachhaltige und digitale Transformation bereitzustellen und gegenüber anderen Finanzmärkten wie den USA aufzuholen.

Orlopp befand zwar, dass bereits eine Menge Initiativen liefen, diese aber nur Flickwerk gleichkämen. "Wir brauchen mehr und das kurzfristig", sagte sie. Am wichtigsten ist ihrer Ansicht nach, den Verbriefungsmarkt zu beleben. Liege das Verbriefungsvolumen in Europa im Verhältnis zur Größe europäischer Bilanzen bei 2%, so seien es in den USA 60%. Ohne die Fehler aus der Finanzkrise zu wiederholen, sei Verbriefung der Schlüssel zur Stärkung der Kapitalmärkte.

Kreditfinanzierung reicht nicht

In Deutschland und Europa fänden viele Start-ups und mittelständische Unternehmen nur unter Mühe oder keinen Zugang zu den Kapitalmärkten, anders als Großunternehmen. Die Finanzierung über die Kapitalmärkte sei aber unabdingbar, so Orlopp, weil Kreditfinanzierung via Banken allein nicht ausreichen werde. Im Moment sei das zwar in Deutschland noch möglich, weil es angesichts trüber Wirtschaftsaussichten und verschiedener Probleme im Land an Investitionsappetit mangele. Doch mit zunehmender Investitionsbereitschaft dürfte sich dies ändern.

Angelsächsische Kapitalmärkte dominieren

Oddo führte mehrere Gründe an, weshalb die Kapitalmarktunion wichtig sei. Zum einen dominierten die angelsächsischen Kapitalmärkte, wenn Unternehmen Börsengänge wagten. Das Geld sei dann in Großbritannien oder den USA. Als Beispiel nannte er den Industriegase-Konzern Linde, der die Frankfurter Börse verlassen habe und in New York notiert sei. "Es ist eine Frage der Souveränität", sagte Oddo, dessen Ausführungen vorher aufgezeichnet worden waren und in der Konferenz gezeigt wurden. "Wenn wir wollen, dass unsere Unternehmen in Europa börsennotiert bleiben und sich im Besitz von Europäern befinden, ist es wichtig, in Europa in Aktien zu investieren."

Zum anderen werde viel Geld benötigt, um etwa in neue Technologien zu investieren und in die Energiewende. "Es gibt einen Weg", sagte Oddo. "Europas Bürger haben 23 Bill. Euro an Ersparnissen." Nur 15% davon würden in Aktien investiert, wohingegen es in den USA 45% seien. Kämen die Europäer auf eine ähnlich hohe Quote, wäre es um den hiesigen Kapitalmarkt besser bestellt.

Bilanzen werden entschlackt

Zudem machten US-Banken viel mehr Gebrauch von Verbriefungen, was ihre Bilanzen entschlacke und mehr Möglichkeiten zur Kreditvergabe biete. In Europa ist der Verbriefungsmarkt seines Erachtens zu klein. Und schließlich plädierte er dafür, Regulierung simpler zu gestalten.

Auch Marc Roberts vom Fintech Raisin und Co-Präsident der European Fintech Association (EFA) verwies auf die tieferen und größeren Taschen in den USA. Den Hauptgrund, weshalb die Europäer nicht so stark am Kapitalmarkt investiert seien, sieht er in der Steuerlast. Altersvorsorge in Aktien werde in den USA steuerlich gefördert. Ferner sprach er sich für Erleichterungen in der Regulierung aus, um Europas Kapitalmärkte attraktiver zu machen.

Selbstverschuldet ins Hintertreffen geraten

Matthias Voelkel, CEO der Gruppe Börse Stuttgart, bemängelte, dass Europa selbstverschuldet ins Hintertreffen geraten sei. "Der Abstand zu den USA vergrößert sich." Gleichwohl fiel sein Ausblick wohlwollend aus, denn mit Blick auf neue Technologien stehe Europa erstaunlich gut da. Der AI Act zur Regulierung künstlicher Intelligenz biete große Chancen. "Das ist gut für uns. Wir sprechen von einem Produktivitätsgewinn von 10% für die europäische und deutsche Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren, wenn wir uns die Technologie zu eigen machen." Es dürfe nicht der Fehler begangen werden, sich auf die Risiken zu konzentrieren, denn dann drohe Europa in einem weiteren Sektor zurückzufallen.

Gutes Beispiel für Regulierung

Zudem führte Voelkel die Mica-Verordnung für Kryptowerte an, die ein positives Beispiel für europäische Regulierung sei. "Sie betrachtet die Risiken, reguliert, aber unterstützt dennoch die Innovation", so der Börsenchef. Bei Kryptowährungen sei die europäische Gesetzgebung nun weiter fortgeschritten als die US-amerikanische. "Wo kann man schon behaupten, dass Europa bei Finanzdienstleistungen fortschrittlicher und innovationsfreundlicher ist als die USA?", fragte Voelkel.

Michael Hock, Partner und Head of Portfolio Management der Beteiligungsgesellschaft Motive Partners, warb für eine Vereinfachung der Regulierung. Kritisch sieht er, dass es zwar nicht an EU-Richtlinien mangele, jeder Mitgliedstaat sie aber anders auslege und umsetze. Besser sei es, sich an den besten Beispielen zu orientieren und sie auf die anderen europäischen Länder zu übertragen.

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