Im Gespräch zu SERIE GELDWÄSCHE

„Ein maximal angstgetriebener Job“

Die meisten Geldwäschebeauftragten treibt die Befürchtung um, sich der Beihilfe zur Geldwäsche strafbar zu machen – auch wenn schon einiges passieren muss, bis es so weit kommt, sagt Christian Tsambikakis, Chef des Regtechs Kerberos und Initiator des Bundesverbandes der Geldwäschebeauftragten.

„Ein maximal angstgetriebener Job“

Im Geldwäschegesetz klingt es ganz simpel: „Der Geldwäschebeauftragte ist für die Einhaltung der geldwäscherechtlichen Vorschriften zuständig“ heißt es in § 7. Der Arbeitsalltag aber sei derart mit Fallstricken gespickt, dass vielen Geldwäschebeauftragten die Lust an ihrer Tätigkeit verleidet werde, sagt Christian Tsambikakis. Er ist CEO des Kölner Regtechs Kerberos, das digitale Lösungen für die Geldwäscheprävention entwickelt, und hat im vergangenen Jahr mit Mitstreitern aus dem Unternehmen den Bundesverband der Geldwäschebeauftragten gegründet.

„Ich kenne viele Geldwäschebeauftragte, die Ängste haben und sehe eine Erlahmung, weil ihnen wegen der unklaren gesetzlichen Vorgaben die Entscheidungen schwerfallen“, sagt er. Die Vorstellung sei oft: „Wenn etwas schiefläuft, ist der Geldwäschebeauftragte schuld. Das heißt, es ist ein maximal angstgetriebener Job.“ Vor allem die Tatsache, bei Verstößen unmittelbar zu haften, treibe die Beauftragten um. Gesetzestexte seien oft vage formuliert oder schlicht realitätsfern, wobei die Auslegungs- und Anwendungshinweise der Aufseher nicht selten nicht nur wenig Hilfestellung leisteten, sondern noch mehr Verwirrung stifteten. Folge für die für die Geldwäscheprävention in Banken und Versicherungen, bei Schmuck- und Autohändlern, Glücksspielanbietern und Kanzleien Verantwortlichen seien häufig Konfusion sowie Ärger mit Kunden und Chefs.

Frustrierte Mitarbeiter

Kein Wunder, kritisiert Tsambikakis, seien doch die einschlägigen Rechtstexte zum Thema in typischer Manier von Juristen formuliert, deren Lieblingsantwort auf die Frage, wie zu verfahren sei, laute: „Kommt ganz drauf an.“ Das passt ins Bild einer Umfrage des US-Datendienstleisters Lexis Nexis unter weltweiten Compliance-Entscheidungsträgern aus der Finanzindustrie. Die hatte im vergangenen Frühjahr zutage gefördert, dass sich zwei Drittel aller Befragten besorgt zeigen angesichts des Frusts und Stresses ihrer Mitarbeiter, der sich in Produktivitätsschwund niederschlage.

Tsambikakis hatte Ende 2017 Kerberos mitgegründet, das mittlerweile für gut 1500 nach dem Geldwäschegesetz Verpflichtete aus verschiedenen Branchen im Nichtfinanz-, aber auch im Finanzsektor tätig ist, häufig Juweliere, Autohändler oder Lotto-Toto-Annahmestellen. Das Fintech mit rund 60 Mitarbeitern übernimmt eine Vielzahl von Tätigkeiten wie Transaktionsmonitoring, Legitimationsprüfung von Neukunden (Know your Customer, KYC) und Schulungen. Im Fokus stehen digitale Prozesse, welche Geldwäschebeauftragte unterstützen. Das Start-up stellt auch auf Wunsch für ein verpflichtetes Unternehmen den Geldwäschebeauftragten bzw. seinen Stellvertreter. Diese Tätigkeiten dürfen laut Gesetz an qualifizierte Dritte wie Kerberos übertragen werden.

Um die Interessen der Geldwäschebeauftragten unterschiedlicher Sektoren zu bündeln, hat Kerberos die Gründung des Bundesverbandes initiiert, der – mit neuem Vorstand und neu gewonnenen Mitgliedern – dieses Jahr die Arbeit richtig aufnehmen will. Ziel sei, Ende 2021 eine mindestens dreistellige Zahl an Mitgliedern in dem Verband zu vereinen, heißt es. Dort sollen sich, auch im Vorstand, Vertreter aus Finanzindustrie und den Sektoren des Nichtfinanzsektors wiederfinden.

Die meisten Geldwäschebeauftragten treibe die Befürchtung um, sich der Beihilfe zur Geldwäsche strafbar zu machen – auch wenn schon einiges passieren müsse, bis es so weit komme, sag Tsambikakis. Zwar stehen in erster Linie die Vorstände in der Pflicht, doch ist auch die Position des Geldwäschebeauftragten mit Haftungsrisiken belegt. Gut 80 Bußgeldtatbestände zähle das Geldwäschegesetz inzwischen auf, sagt Tsambikakis. Vor vier Jahren seien es noch 17 gewesen.

Verdachtsfall Kanzlerwitwe

Unruhe bei den Verantwortlichen hat vor allem ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main im Oktober 2018 verbreitet. Es hatte eine frühere Geldwäschebeauftragte einer europäischen Großbank persönlich mit drei Bußgeldern in Höhe von insgesamt gut 4000 Euro belegt, weil diese ihren Meldepflichten gemäß Geldwäschegesetz nicht rechtzeitig nachgekommen war. In dem betreffenden Fall, der sich im Jahr 2013 abspielte, hatte die Witwe eines früheren Bundeskanzlers in drei Fällen insgesamt eine halbe Million Euro in bar bei der Bank eingezahlt. Den Vorgang meldete die Geldwäschebeauftragte jedoch nicht unverzüglich, sondern ließ sich monatelang Zeit, um eigene Nachforschungen anzustellen. Das, befand das OLG, sei aber nicht ihre Aufgabe, sondern der Ermittlungsbehörden.

Selbstverständliches fehlt

Zu den vielfältigen betriebsinternen Pflichten eines Geldwäschebeauftragten, bei deren Verstoß mit Strafen zu rechnen sein müsse, zählen unter anderem die Erstellung einer Risikoanalyse der jeweiligen Gesellschaft und die Ableitung von entsprechenden Maßnahmen. Sichergestellt werden müsse auch ein Überprüfungsprozess bei Neueinstellungen. So sei ein Führungszeugnis nötig, damit kein Hehler im Juwelierladen kassiere, wie Tsambikakis es spitzfindig ausdrückt. Doch selbst solche Selbstverständlichkeiten seien nicht gewährleistet, berichtet er aus seiner Erfahrung. „Es ist kaum vorstellbar, wie wenig das beachtet wird. Die Trefferquote, dass es nicht so gehandhabt wird, liegt bei 90%.“

Anders als im Finanzsektor ist die Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzsektor zersplittert und obliegt den Ländern. Die fatalen Lücken dieses Systems hat der Fall Wirecard offenbart. Unterlag die Wirecard Bank in Sachen Geldwäsche der BaFin-Aufsicht, so war für den größeren Teil des Konzerns eigentlich die Bezirksregierung Niederbayern verantwortlich – die sich letztlich aber nicht für zuständig erklärte.

Der Geldwäschebeauftragte muss des Weiteren für die Schulung von Mitarbeitern Sorge tragen sowie für die Einrichtung eines anonymisierten Hinweisgebersystems, über das Verstöße gegen Anti-Geldwäsche-Vorgaben gemeldet werden können. Was er zur Geldwäschebekämpfung tut, muss dokumentiert und archiviert werden. „Es gibt im Wesentlichen drei Fragestellungen, die sich ein Geldwäschebeauftragter stellen muss, berichtet Tsambikakis: Was weiß ich oder hätte ich wissen müssen? Was habe ich daraufhin getan? Wo ist das alles dokumentiert?“

Neben diesen Aufgaben, die intern anfallen und sich an Adressaten im eigenen Betrieb richten, sind Pflichten gegenüber Dritten einzuhalten, also (potenziellen) Kunden oder Lieferanten. So müssen Vertragspartner identifiziert werden, wenn bestimmte Schwellenwerte bei einem beabsichtigten Barkauf überschritten werden, so etwa 2000 Euro bei Edelmetallen und 10000 Euro bei Autos.

Lasse sich im Finanzsektor kein Konto eröffnen ohne Kundenidentifizierung, so sei die Identifizierung von Kunden in manchen Berufszweigen des Nichtfinanzsektors eher unüblich, berichtet Tsambikakis. Dies drohe Stammkunden zu vergrätzen und stelle den Geldwäschebeauftragten, der seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen müsse, gleichzeitig aber auch mit dem Interesse des Geschäftsinhabers, Umsatz zu machen, konfrontiert sei, vor ein Dilemma. „Stellen Sie sich vor, dass ein Kunde in einem Geschäft plötzlich den Ausweis vorzeigen soll, obwohl er dort seit Jahren und Jahrzehnten bekannt ist.“

Wie im Fall der Kanzlerwitwe muss aber auch geprüft werden, ob es ein Verpflichteter mit einer sogenannten politisch exponierten Person (PEP) zu tun hat. Die Definition eines PEP, gibt Tsambikakis zu bedenken, ist in Italien aber anders geregelt als in Deutschland. Zähle dort beispielsweise der Bürgermeister dazu, so es das hierzulande nicht der Fall. Geklärt werden müsse nicht nur, ob theoretisch ein Abgeordneter aus Chile an der Kasse stehe, sondern auch, ob es sich um einen Verwandten eines PEP handele – die Ehefrau eines hohen türkischen Militärs etwa. Selbst eine einem PEP nahestehende Person müsse identifiziert werden. „Was sich dahinter verbirgt, bleibt aber unklar“, sagt er.

Zu den Sorgfaltspflichten eines Verpflichteten gehört es ferner, die wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, also die natürlichen Personen, die hinter Transaktionen stehen. Wirtschaftlich Berechtigter eines Unternehmens ist, wer mehr als 25% der Kapitalanteile hält oder Stimmrechte kontrolliert bzw. „auf vergleichbare Weise“ Kontrolle ausübt. „Hier wird es total komplex“, befindet Tsambikakis. „Wir finden oft internationale Konstrukte, die dann auf den Kanalinseln oder in Russland enden. Was aber tun, wenn der wirtschaftlich Berechtigte die XY Jersey Island Limited ist?“.

Vereinfachung in Sicht

Zumindest dies soll mit dem geplanten Ausbau des Transparenzregisters einfacher werden. Das Transparenz-Finanzinformationsgesetz Geldwäsche wird voraussichtlich im August in Kraft treten. „Insgesamt wird den Verpflichteten des Geldwäschegesetzes hiermit die Erfüllung der Sorgfaltspflichten grundsätzlich erleichtert und die Rechtssicherheit gestärkt“, schrieb der Bundesverband der Geldwäschebeauftragten in einer Stellungnahme an das Bundesfinanzministerium.

Zuletzt erschienen:

Die USA im Kampf gegen die Geldwäsche (22. Januar)

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