Bundesbank-Präsident beim vdp-Jahresempfang

"Ein Stück weit den Druck aus dem Kessel nehmen"

Bundesbank-Chef Joachim Nagel hat Unverständnis über die aufgeregte Debatte im Bankensektor über die Mindestreserve geäußert. Bei einer VDP-Veranstaltung äußerte er sich auch skeptisch zu Forderungen nach weniger Regulierung.

"Ein Stück weit den Druck aus dem Kessel nehmen"

"Ein Stück weit den Druck aus dem Kessel nehmen"

Bundesbank-Präsident Nagel rät Banken in Debatte um Mindestreserve und Regulierung zu mehr Zurückhaltung

ahe Berlin

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat Unverständnis über die derzeit aufgeregte Debatte im Bankensektor über eine mögliche Erhöhung der Mindestreserve geäußert. Er selbst werde unruhig, wenn er höre, dass bereits eine mögliche Erhöhung dieser Mindestreserve von 1% auf 2% der Kundeneinlagen zu so großer Nervosität bei den Geschäftsbanken führe, sagte Nagel beim Jahresempfang des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP) in Berlin. Er schätze die Solidität höher ein und glaube nicht, dass eine solche Erhöhung den Banken großes Ungemach bereiten würde. Nagel verwies in diesem Zusammenhang auch auf die jüngsten Entwicklungen bei den Zinsergebnissen. "Ich würde an der Stelle bei diesem Thema ein Stück weit den Druck aus dem Kessen nehmen."

Der Bundesbank-Präsident räumte ein, dass es auch schon Vorschläge gegeben hatte, die nicht verzinste Mindestreserve bei der Europäischen Zentralbank (EZB) auf 5% oder sogar 10% der Kundeneinlagen anzuheben. Von ihm habe man so etwas allerdings nie gehört. "Und ich denke auch nicht, dass das irgendeine Mehrheitsmeinung im EZB-Rat darstellen könnte." Nach Einschätzung von Nagel sind im EZB-Rat derzeit ohnehin andere Themen wichtiger als die Debatte um eine Mindestreserve – die aber ohnehin schon immer auch ein geldpolitisches Instrument gewesen sei. Vor der Einführung des Euro sei die Reserve aus geldpolitischen Erwägungen heraus immer wieder angepasst worden. Und im Euroraum habe diese insgesamt 13 Jahre schon bei 2% gelegen.

VDP-Präsident Gero Bergmann (Foto: VDP)

VDP-Präsident Gero Bergmann hatte sich auf dem Empfang zuvor über zu starke Regulierung beklagt und auch eine mögliche Anhebung der Mindestreservepflicht scharf kritisiert. Bergmann nannte die Debatte nicht nachvollziehbar und befremdlich. "Die Kreditvergabemöglichkeiten würden dadurch noch weiter eingeschränkt werden. Das passt nicht in eine Zeit, in der mit der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft und des Gebäudebestands sowie der Schaffung bezahlbaren Wohnraums solch enorme Investitionen anstehen." Nach Einschätzung des VDP-Präsidenten wäre eine Anhebung auch für die Realwirtschaft absolut schädlich. "Und es beschleicht mich das Gefühl, dass diese Maßnahme letztlich nur einem Zweck diene soll: die Zentralbank-Bilanz entlasten – und zwar zu Lasten der Kreditinstitute", monierte er.

Bergmanns Forderungen nach einer gezielten Überprüfung des Regulierungsrahmens – "nach 15 Jahren Dauerregulierung" – konterte Nagel wiederum mit dem Hinweis, der Finanzsektor habe die Entwicklung der letzten Jahre gut überstanden, und die über Jahre niedrige Inflation habe letztendlich auch den Banken geholfen. Dabei seien die Institute ja nicht immer in einer so guten Verfassung wie heute gewesen – ganz im Gegenteil.

"Kognitive Dissonanz"

Die Geldpolitik und die Regulatorik habe dem Sektor vielmehr zur Seite stehen müssen, um Schlimmeres zu verhindern, betonte der Bundesbank-Chef und verwies auf "Verfehlungen und Schwierigkeiten", die es im Finanzsektor gegeben habe. Dies dürfe man heute nicht ausblenden. Nagel sagte, er habe in den Regulierungsdebatten manchmal das Gefühl, es gebe eine Art "kognitiver Dissonanz", in dessen Zuge vieles aus der Vergangenheit vergessen werde.