"Eine ganz elegante Lösung"
Hans-Christoph Hirt, Director des Deutsche-Bank-Aktionärs Hermes Equity Ownership Services (EOS), heißt den Wechsel an der Spitze des Instituts gut, mahnt aber eine “überzeugendere” Erklärung der Strategie an. Hermes vertritt die Interessen von rund 40 Pensionsfonds, die zusammen knapp ein halbes Prozent der Deutsche-Bank-Anteile auf sich vereinen.- Herr Hirt, wann war Ihnen klar, dass die Tage von Jürgen Fischen und Anshu Jain als Co-Chefs der Deutschen Bank gezählt sind?Das ist konkret schwer zu sagen. Aber das Zeichen, das die Aktionäre auf der Hauptversammlung setzten, als fast 40 % gegen die Entlastung stimmten, war schon sehr deutlich und deshalb sicherlich ein Meilenstein auf dem Weg zur Erneuerung des Vorstands. Auch durch die Redebeiträge wesentlicher Aktionäre wurde deutlich, welch signifikante Bedenken es im Aktionariat gegenüber dem Vorstand gab. Dass dies nun so schnell zu weitreichenden personellen Veränderungen geführt hat, war allerdings nicht absehbar.- Haben Sie wie die breite Öffentlichkeit am Sonntagnachmittag vom Wechsel erfahren oder gab es zuvor schon Signale?Nein, es wäre nicht nur gegen die Regeln guter Corporate Governance gewesen, sondern auch ein Gesetzesverstoß, wenn jemand vorgewarnt worden wäre. Wir haben es wie alle anderen durch die Mitteilung der Bank erfahren.- Man kann lesen, wichtige Anteilseigner hätten schon vor der Hauptversammlung ihre Entlastung des Vorstands abhängig gemacht von einer Zusage des Aufsichtsrates, eine neue Spitze zu suchen.Falls es solche Verständigungen gegeben hat, halte ich sie für extrem fragwürdig und möglicherweise einen Gesetzesverstoß. Wir haben vor der Hauptversammlung sehr deutlich gefordert, dass sich der Aufsichtsrat die Besetzung des Vorstands noch einmal sehr genau anschauen sollte, vor dem Hintergrund der Leistungen in den letzten drei Jahren und der neuen Strategie. Wir haben uns außerdem dazu entschieden, gegen die Entlastung des Vorstands zu stimmen, um dieser Forderung formal Nachdruck zu verleihen. All dies nach zahlreichen Gesprächen in den letzten Jahren. Es ist wichtig, im Sinne guter Corporate Governance auch in schwierigen Situationen konstruktiv und offen zu kommunizieren.- Taugt denn die Neubesetzung an der Spitze mit John Cryan?Wir denken, das ist eine sehr sinnvolle Lösung. Er hat langjährige Erfahrung im Bankensektor, zum Beispiel – in einer sehr schwierigen Phase – als Finanzvorstand bei UBS. Diese operative und Führungserfahrung in einer Bank ist sicher ein Muss. John Cryan hat darüber hinaus aber noch einen Vorteil: Einerseits kommt er zwar als Außenstehender, andererseits aber hat er schon seit zwei Jahren Erfahrung im Aufsichtsrat des Instituts sammeln können, als Leiter des Prüfungsausschusses und als Mitglied des Risikoausschusses. Er kennt die Bank also schon sehr gut und muss sich nicht erst noch einarbeiten. Hinzu kommt, dass er als Aufsichtsrat auch an der Entwicklung der neuen Strategie beteiligt war und sie mit abgesegnet hat. Auch das ist ein Vorteil gegenüber jemandem, der von außen kommt und möglicherweise den Anspruch hätte, das alles noch einmal in Frage zu stellen.- Wäre im Sinne eines Neuanfangs ein komplett externer Kandidat nicht besser gewesen?Bei der Komplexität eines Instituts wie der Deutschen Bank ist eine komplett externe Lösung ohne eine Übergangsphase nur sehr schwer machbar. Sie wäre mit sehr hohen Risiken verbunden gewesen. John Cryan kommt von außen und ist damit nicht mit den Altlasten des Instituts verbunden. Aber er hatte die Chance, sich als Aufsichtsrat zwei Jahre lang einzuarbeiten. Das ist eine ganz elegante Lösung.- Wie muss es nun weitergehen bei der Bank?Aus unserer Sicht ist dies relativ simpel: Zuerst muss es jetzt bald den schon zu Jahresbeginn angekündigten Investorentag geben, auf dem die Strategie im Detail erklärt wird, insbesondere die Kernfrage, wie bei der Deutschen Bank in Zukunft nachhaltig Wert geschaffen wird. Dann müssen klare Ziele gesetzt werden – kurz-, mittel- und langfristig. Und schließlich geht es an die Umsetzung der Strategie. Wir haben nicht die Erwartung, dass nun noch einmal eine große Strategiediskussion stattfinden wird, sondern dass jetzt die Umsetzung der Strategie im Vordergrund steht, nachdem sie überzeugender den Aktionären erklärt worden ist.- Wird die Aktie nun neu bewertet?Nach dem, was man heute gesehen hat, sind die personellen Veränderungen bei den Aktionären gut angekommen. Aber man sollte kurzfristige Schwankungen im Aktienkurs nicht überbewerten. Wichtig sind jetzt die detaillierte Präsentation der Strategie und dann deren Umsetzung. Die Investoren, die wir vertreten, interessiert, wie die Deutsche Bank in der Zukunft nachhaltig Wert schafft, und die damit verbundene langfristige Entwicklung des Aktienkurses – nicht kurzfristige Schwankungen.- Sollte nach den Kapriolen der zurückliegenden Monate der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner ebenfalls zurücktreten?Nein, das ist nicht angezeigt und wäre wenig zielführend. Seit Herbst vergangenen Jahres hat es nun eine ganze Reihe von Veränderungen im Vorstand gegeben, die damit nun erst einmal abgeschlossen sein sollten. Außerdem wurde unter Einbindung des Aufsichtsrats eine neue Strategie erarbeitet. Aus unserer Sicht macht er gute Arbeit. Aber der Aufsichtsratsvorsitzende ist natürlich dadurch, dass er jetzt seit drei Jahren im Amt ist, den Strategieprozess eng begleitet und die neue Strategie abgesegnet sowie Herrn Cryan als CEO-Nachfolger ausgesucht hat, jetzt auch selbst mehr in der Pflicht, als er es vorher war.—-Das Interview führte Bernd Neubacher.