PERSONEN

Eine "illustre Figur" setzt Duftmarken

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.6.2019 Er bezeichnet sich als "Unternehmer mit gesellschaftlichem Engagement": Ulrich Caspar. Im Mai wurde er für fünf Jahre zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main...

Eine "illustre Figur" setzt Duftmarken

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtEr bezeichnet sich als “Unternehmer mit gesellschaftlichem Engagement”: Ulrich Caspar. Im Mai wurde er für fünf Jahre zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main gewählt, zu deren Bezirk auch der Hochtaunus- und der Main-Taunus-Kreis gehören und die rund 112 000 Mitgliedsunternehmen zählt. Nicht zuletzt – das kommt ihm im neuen Amt zugute – ist sein Lebenslauf von einem langjährigen und vielfältigen politischen Engagement geprägt: Stadtbezirksvorsteher, Ortsbeiratsmitglied, Ortsvorsteher, ehrenamtlicher Stadtrat in seiner Heimatstadt Frankfurt, Abgeordneter des Umlandverbandes, von 2003 bis Anfang 2019 Abgeordneter im Hessischen Landtag, seit 1975 CDU-Mitglied.Am Finanzplatz ist Caspar wiederholt als mit tiefem Detailwissen ausgestatteter Kenner der internationalen Börsenszene und entschiedener Kritiker der geplanten (und gescheiterten) Fusionen der Deutschen Börse mit der damaligen Nyse Euronext (2011) und der London Stock Exchange (2016) positiv aufgefallen und zu einer gewissen Berühmtheit gelangt. Er warnte so eindringlich wie überzeugend vor einer Schwerpunktverlagerung ins Ausland. Im Fall Nyse warf er der Deutschen Börse vor, die Öffentlichkeit über die Machtverhältnisse zu täuschen.Die Vita des Diplom-Betriebswirts macht deutlich, dass der Mann keiner großen Vorstellungsrunde bedarf – viele kennen ihn einfach längst aus dieser oder jener Funktion. Dennoch ist es nach einer solchen Wahl üblich und angemessen, einmal auf große Tour zu gehen, viele Hände zu schütteln und die eine oder andere programmatische Duftmarke zu setzen. “IHK-Präsident Caspar auf Antrittsbesuch bei Landrat Krebs” oder “IHK-Präsident Caspar trifft Stadtrat Frank” sind daher in diesen Wochen typische Schlagzeilen, mit denen die Interessenvertretung der Gewerbetreibenden aufwartet. Jetzt machte die “illustre Figur” in der Stadt und auf dem Land, wie Veranstalter Steffen Ball (Kommunikationsagentur Ballcom) den 63-Jährigen einführte, Station in der Rechtsanwaltskanzlei Beiten Burkhardt beim “Rhein-Main Journalisten-Stammtisch”. Verfahren beschleunigen Im Mittelpunkt stehen an diesem Abend zwei Themen: die Lage am Wohnungsmarkt und die gleichermaßen nicht mit dem Wachstum der Bevölkerung und der Beschäftigung – 100 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Frankfurt in den letzten zehn Jahren – Schritt haltende Entwicklung der Infrastruktur. Was den Wohnungsmangel angeht, konstatiert Caspar eine “etwas merkwürdige Diskussion” und weist die verbreitete Behauptung eines Marktversagens (als Alibi für immer mehr staatliche Eingriffe) zurück. Von Mitgliedsunternehmen, die liebend gerne bauen würden, höre er, in Rhein-Main könnten binnen zwei Jahren durchaus 100 000 Wohnungen errichtet werden. Warum passiert das nicht? “Es liegt schlicht und einfach daran, dass die öffentliche Hand, die zuständig ist für die Baulandausweisung, an dieser Stelle versagt.” Ein Grund seien hohe Kinderbetreuungskosten, die neue Baugebiete für die Kommunen nach sich zögen, ein anderer die langen Verfahrensdauern.Der IHK-Präsident, der 1981 sein international tätiges Unternehmen Econo Consultations Immobilien- und Unternehmensberatungsgesellschaft gegründet hat und auch darüber hinaus über umfassende Erfahrungen gerade in Wohnungsbau und Projektentwicklung verfügt, macht sich, auch mit Blick auf den nötigen Abbau des Investitionsstaus bei der Infrastruktur, für eine Beschleunigung nach dem Muster der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit stark. Hier ermöglichten Gesetze schnelles Planen und Bauen. “Genau dieses Recht sollten wir in den Ballungszentren in den nächsten zehn Jahren anwenden, um den Infrastrukturstau abzubauen und für den Wohnungsbau notwendige Flächen auszuweisen.” Wäre das nicht undemokratisch? Die Beschleunigung der Verkehrsprojekte habe ja “nicht irgendeine Diktatur erfunden, sondern ein demokratisch legitimiertes Parlament”, und zwar offenbar rechtlich einwandfrei.Caspar, verheiratet und Vater von vier Kindern, zeigt sich als praktisch denkender Mensch. Bei der Bewältigung der Verkehrsströme sei nicht die Breite der Straßen oder die Zahl der Spuren das Problem. Die Rückstaus kämen von den Kreuzungen. Warum also nicht die Kapazität durch Tunnellösungen drastisch erhöhen? Stattdessen nähmen Politiker mancherorts Geld dafür in die Hand, Infrastruktur zurückzubauen. Würden im Zentrum aber zunehmend Staus erzeugt, so dass Kunden und Lieferanten nicht mehr mit dem Auto ans Ziel kämen, müsse man sich nicht wundern, wenn Unternehmen oder auch die IHK selbst über Standortverlagerungen nachdächten. Wie die nach Eschborn umgesiedelte Börse? Ja, scherzt der Kammerpräsident, aus dem schönen alten IHK-Gebäude könne man dann eine Art Börsenmuseum machen. Und im Ernst: Der Autoverkehr, der verdrängt werden soll, und die Umweltbelastung nähmen derweil umso stärker zu, weil viele mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr zur Arbeit kämen.