„Eine kreditsensitive Benchmark ist wichtig“
„Eine kreditsensitive Benchmark ist wichtig“
Im Gespräch: Sven Klingler
„Eine kreditsensitive Benchmark ist wichtig“
Der Professor der Frankfurt School über Libor, Sofr und den in Vorbereitung befindlichen Axi
fed Frankfurt
Der Referenzzinsatz Sofr ist für Sven Klingler kein vollständiger Ersatz für den Libor. „Ein Zweck von Libor ist gewesen, die Kosten zu reflektieren, zu denen sich Banken kurzfristig finanzieren können“, argumentiert der Professor an der Frankfurt School of Finance im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Da sei nun eine Lücke entstanden, denn es brauche eine kreditsensitive Benchmark. Denn diese gebe jedem Marktteilnehmer Orientierung über die Markterwartungen hinsichtlich der künftigen Finanzierungskosten.
Benchmarks mit unterschiedlichen Zinssätzen
Sofr könne die Lücke nicht schließen, sagt der Kapitalmarktexperte Klingler. Denn bei der neuen Benchmark handelt es sich um einen besicherten Zinssatz und eine Übernacht-Rate. Libor dagegen sei eine unbesicherte Term-Rate mit einer Perspektive von drei oder sechs Monaten. Um sich für sechs Monate Geld zu leihen, werde jedoch ein ganz anderer Zinssatz fällig als über Nacht, da dann quasi die Laufzeitprämie einberechnet werden müsse, macht Klingler deutlich.
Overnight gebe es jedoch sehr viele Transaktionen, nicht aber im Drei-Monats-Bereich, sagt Klingler. Wenn eine Benchmark auf Mehr-Monats-Transaktionen fußen soll, führe das sehr leicht zu dem Problem einer recht dünnen Datenbasis. Dies sorge wiederum dafür, dass diese anfällig sei für Manipulationen.„Das ist ja auch ein wesentlicher Grund dafür, der den Zuschlag für Sofr als Libor-Ersatz erklärt, obwohl es eine Overnight-Rate ist“, betont der Hochschullehrer. Vor allem wegen seiner Manipulationsanfälligkeit wurde der Libor im Juli 2023 abgeschafft. Denn 2009 wurde offensichtlich, dass die berichtenden Banken in den Jahren zuvor absichtlich niedrigere Zinsraten gemeldet haben.
Mehrere privatwirtschaftliche Versuche
Um den Libor zu ersetzen, hatte das von der US-Notenbank einberufene Alternative Reference Rates Committee die Umstellung von Libor auf den neuen Geldmarktreferenzzins Sofr vorgeschlagen. Das wurde im Markt auch so umgesetzt. Im Euro-Währungsraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Marktteilnehmern derweil die Umstellung von Eonia auf die Euro Short Term Rate (Estr) empfohlen. Diese wurde 2022 vollzogen.
Es habe in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von privatwirtschaftlichen Versuchen gegeben, eine kreditsensitive Benchmark zu etablieren, sagt Klingler. Insbesondere Bloomberg sei auf diesem Wege weit vorangekommen. „Marktteilnehmer fanden jedenfalls den Referenzzins, den Bloomberg entwickelt hatte, sehr gut.“ Aber sowohl die Finanzaufsicht als auch die Iosco, also die Vereinigung der internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden, habe Vorbehalte gehabt.
Problem der umgekehrten Pyramide
Die Bedenken der Aufseher gegenüber dem Bloomberg Short Term Bank Yield Index BSBY rührten nach den Worten des Frankfurt-School-Professors vor allem aus dem Problem der umgekehrten Pyramide. Damit umschreibt er, dass Kontrakte mit einem gesamten Nominalwert von Billionen von Euros auf einer Benchmark aufbauten, deren Basis gemessen an den zugrundeliegenden Daten vergleichsweise schmal sei. Das sei ein Grund dafür gewesen, warum Iosco Zweifel geäußert habe, ob die Transaktionsdaten „tiefgreifend, robust und zuverlässig genug“ sind.
Aufschlag auf den Sofr
Nun hat die Sofr Academy einen neuen Anlauf gewagt und den Axi vorgeschlagen. Axi steht für „Across the curve Credit Spread Index“. Er reflektiert die Grenzkosten der Finanzierung von Banken und anderen Marktteilnehmern. „Der Axi ist kein Zinssatz, sondern ein Aufschlag, ein Spread“, stellt Klingler klar. Er werde zum Sofr hinzuaddiert – und mache auf diese Weise den Sofr kreditsensitiver. Zugleich bleibe damit der Sofr die etablierte Benchmark. „Axi ist insofern keine Konkurrenz für Sofr, sondern ein ergänzender Baustein, den alle nutzen, die ihre Verträge kreditsensitiv gestalten wollen“, so der Kapitalmarktexperte.
Die Sofr Academy ist eine private Gesellschaft, für die Investmentbanker und Wissenschaftler arbeiten. Die Academy wird von Einzelpersonen und einem Venture Capital Funds finanziert und hat Beziehungen zur US-Bankenvereinigung, zur US-Handelskammer und zur International Swaps und Derivatives Association (ISDA). Auch eine Beratungsgesellschaft hat den Axi getestet und ist zum Ergebnis gelangt, dass er nicht gegen die Grundsätze der Iosco verstoße. Deshalb habe die US-Aufsicht nun erlaubt, testweise Kontrakte auf Sofr plus Axi aufzusetzen. Das nächste Ziel sei, ein Term Sheet zu entwickeln – also zu konkretisieren, wie Kontrakte auf Axi formuliert werden sollen.
