Libor: Freiheit für die Sündenböcke
Libor-Skandal
Freiheit für die Sündenböcke
Von Andreas Hippin
Viele werden sich kaum noch an die Skandale um die Manipulation von Referenzzinssätzen wie Libor (London Interbank Offered Rate) und Euribor erinnern. Tom Hayes und Carlo Palombo sind sie im Gedächtnis geblieben. Denn sie wurden zu Sündenböcken gemacht. Es ging darum, den schönen Schein zu wahren. Die Idee, dass es kein strukturelles Problem gab, musste verteidigt werden. Deshalb mussten Schuldige her: gierige Händler, die auf eigene Rechnung unter Missachtung der Regeln agieren.
Hayes, der als „Machiavelli des Libor“ bezeichnet wurde, galt der Betrugsbekämpfungsbehörde SFO (Serious Fraud Office) als Rädelsführer einer Verschwörung solcher Händler. Er wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt. Der studierte Mathematiker hatte stets seine Unschuld betont. Er erreichte 2015 aber lediglich eine Verringerung auf elf Jahre. Mörder kommen billiger davon. Palombo hatte vier Jahre für die Manipulation der Euro Interbank Offered Rate (Euribor) erhalten.
Geschworene schlecht beraten
Die Skandale beschädigten das Image der Branche enorm. Die beteiligten Institute zahlten Geldstrafen von mehr als 9 Mrd. Dollar. Nun kassierte der Supreme Court die Urteile gegen Hayes und Palombo. Das Oberste Gericht schloss sich zwar nicht der Argumentation an, dass die beiden zu Sündenböcken für die Finanzkrise gemacht worden seien. In der 82-seitigen Urteilsbegründung bemängelt es vielmehr die Instruktionen, die in den vorangegangenen Prozessen vom zuständigen Richter an die Geschworenen ergangen seien. Dabei seien Fehler gemacht worden. Dass das SFO keine Wiederaufnahme des Verfahrens anstrebt, spricht jedoch für sich.
Die Fälle zeigen, dass komplexe Betrugsverfahren besser nicht vor Geschworenengerichte gebracht werden sollten. Auch die Doppelrolle des SFO als Ermittler und Ankläger könnte einmal kritisch hinterfragt werden. Moralisch betrachtet sind Hayes und Palombo vermutlich keine Unschuldigen. Aber das gilt auch für all die anderen Beteiligten am Libor- bzw. Euribor-Skandal, die unbehelligt davonkamen. Die Sündenböcke von ihrer Last zu befreien, war ein Gebot der Fairness. Recht so!