"Eine Pflicht ohne Kür"

Deutsche-Bank-Aktionäre schimpfen auf außerordentlicher Hauptversammlung über die Kirch-Dauerfehde

"Eine Pflicht ohne Kür"

Was den endlosen Streit mit Anwälten aus dem Kirch-Umfeld betrifft, schlagen sich viele Aktionäre auf die Seite der Deutschen Bank. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung sparten sie nicht mit harschen Worten. Doch auch das Institut selbst wurde erneut für Skandale und strategische Fehler attackiert.Von Stefanie Schulte, Frankfurt Aktionäre verlieren zunehmend die Geduld mit den Erben Leo Kirchs und ihrem klagefreudigen Umfeld, das die gestrige außerordentliche Hauptversammlung (HV) der Deutschen Bank provoziert hat. “Formaljuristische Pflichtveranstaltung”, “beispielloser Vorgang” und “Unsinn” waren nur einige der negativen Bezeichnungen, die die Redner für das in der Frankfurter Jahrhunderthalle abgehaltene Treffen fanden.Erschienen waren nach Angaben der Bank rund 2 000 Aktionäre – nur etwa ein Drittel der auf ordentlichen Hauptversammlungen üblichen Teilnehmerzahl. Diese mussten erneut über die Wahl des Abschlussprüfers für 2012, Beschlüsse zur Gewinnverwendung und die Wahl von drei Anteilseignervertretern in den Aufsichtsrat (AR) abstimmen, um Beschlüsse der HV Ende Mai 2012 zu bestätigen, die das Kirch-Umfeld vorerst erfolgreich angefochten hatte, wogegen die Deutsche Bank allerdings Berufung eingelegt hat. Unter anderem stand die Berufung des AR-Chefs Paul Achleitner erneut zur Abstimmung – der dennoch das Treffen leitete und dieses verärgert als “Pflicht ohne Kür” bezeichnete.Mit vielen Dutzend Wortmeldungen und einer Dauer von mehr als zehn Stunden war die Versammlung – trotz einer kurzen Tagesordnung, in der unternehmensstrategische Fragen keine Rolle spielten – ähnlich lang wie die regulären Aktionärstreffen. Lange Liste von FragenMitverantwortlich hierfür waren gut ein halbes Dutzend anwesende Anwälte, die dem Umfeld der Kirch-Erben zugerechnet werden. Diese konfrontierten Vorstand und Aufsichtsrat des Instituts erneut mit zahlreichen Detailfragen. In der Vergangenheit war es den Juristen oft gelungen, einzelne HV-Beschlüsse vor Gericht unter Verweis auf eine unzureichende Beantwortung von Fragen zu kippen. Dies gilt als Teil eines Rachefeldzugs von Kirch gegen Rolf Breuer, bis 2002 Vorstandssprecher und anschließend Aufsichtsratsvorsitzender der Bank, der in einem Fernsehinterview die Kreditwürdigkeit der inzwischen insolventen Mediengruppe in Frage gestellt hatte.Die Aktionen der Anwälte führten den eigentlichen Sinn der Hauptversammlungen “ad absurdum”, monierte Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die Bank – und damit die übrigen Aktionäre – würden mit Kosten belastet, “von denen wir am Ende so rein gar nichts haben”. Nach Angaben des Deutsche-Bank-Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen kostet das außerordentliche Aktionärstreffen von Donnerstag die Bank rund 5 Mill. Euro, interne Aufwendungen – etwa durch die Beanspruchung eigener Mitarbeiter – nicht berücksichtigt.Ingo Speich, Fondsmanager der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment, prangerte auch Fehler der Deutschen Bank selbst an. Wie schon bei der ordentlichen HV 2012 nahm Speich speziell Clemens Börsig, den damals noch amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden, aufs Korn, der “die juristischen Fallstricke und Spitzfindigkeiten offenbar nicht erkannt” habe. “So eine verkorkste Hauptversammlung möchten wir heute und in der Zukunft nicht nochmal erleben”, wetterte Speich.Ein weiterer Redner forderte die Bank auf, die Wahl ihrer Rechtsvertreter, darunter die Wirtschaftskanzlei Hengeler Müller, zu überprüfen. Offenbar gelinge es den vom Institut beauftragten Juristen nicht, gegen die “bayerischen Weißbierstrategen” zu punkten, unkte der Aktionär in Anspielung auf die überwiegend in München ansässigen Kläger.Anlegerschützer Nieding machte die Tätigkeit der Kirch-Anwälte mit dafür verantwortlich, dass Aktionärsrechte immer weiter eingeschränkt würden. AR-Chef Achleitner äußerte gen Gesetzgeber den Wunsch, bei Überlegungen hinsichtlich einer Erweiterung der Mitspracherechte der Aktionäre, etwa zur Mitarbeitervergütung, die HV-Erfahrungen der Deutschen Bank zu berücksichtigen. Entschieden gegen solche Argumente wehrte sich Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK): “Wir nehmen lieber einen exzessiven Missbrauch in Kauf, als ein berechtigtes Aktionärsinteresse zu verhindern.” Nach seiner Darstellung hätte es durchaus angezeigt sein können, eine HV auf zwei Tage anzusetzen, um alle Redner zu Wort kommen zu lassen. “Kultur der Ethik” gefordertAuch diejenigen Redner, die die Deutsche Bank im Streit mit den streitlustigen Anwälten in Schutz nahmen, sparten indes nicht mit Kritik an der sonstigen Strategie des Instituts. So kündigte Nieding bereits an, auf der ordentlichen HV am 23. Mai Fragen unter anderem zu den zahlreichen Rechtsstreitigkeiten des Instituts, Vorwürfen zur Manipulation von Interbankensätzen, Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Steuerhinterziehung sowie zu Bonuszahlungen zu stellen.”Die gesamte Corporate Governance der Deutschen Bank gehört auf den Prüfstand”, sagte Speich von der Union Investment. Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutionelle Privatanleger (VIP) forderte Achleitner auf, bei der Bank “für eine Kultur der Ethik” zu sorgen.