Ertragsabrieb überschattet Wende der Deutschen Bank
Seit Jahren spart die Deutsche Bank gegen einen Ertragsschwund an – der vor zweieinhalb Wochen angekündigte Radikalschnitt reicht daher weiter als die vorherigen Pläne. Zur Vorlage der Quartalszahlen zeigt das Management Tatendrang, doch ein abermaliger Ertragsschwund stimmt Aktionäre pessimistisch.jsc Frankfurt – Wie lässt sich eine skeptische Investorenschar von einem weitreichenden Umbau mit Kosten in Milliardenhöhe und ungewissem Ausgang überzeugen? Das Management der Deutschen Bank setzt auf demonstrative Entschlossenheit. Die anstehenden Kosten von geschätzt 7,4 Mrd. Euro bis 2022 sind bereits in weiten Teilen, nämlich mit 3,4 Mrd. Euro, im zweiten Quartal gebucht, was der Bank zwar einen noch höheren Verlust beschert als ohnehin schon veranschlagt, zugleich aber einen raschen Fortgang des Umbaus suggeriert. Die laufenden Kosten ohne Einmaleffekte sinken zugleich weiter und sollen auf Gesamtjahressicht unter der Marke von 21,5 Mrd. Euro bleiben. Vier Fünftel der angestrebten Einschnitte sind nach Angaben der Bank hier bereits erreicht. Und die Abbaubank startet mit geringeren Lasten als zuvor skizziert: Die Einheit Capital Release Unit (CRU) hätte zur Jahresmitte nach vorläufigen Zahlen Bilanzpositionen von 250 Mrd. Euro geführt, das sind umgerechnet in risikogewichtete Aktiva (RWA) rund 65 Mrd. Euro. Vor zweieinhalb Wochen, als die Bank ihren Umbau ankündigte, war auf Basis des Jahresendes noch von 288 Mrd. und 74 Mrd. Euro die Rede. Die Konzernführung zeigt sich optimistisch. “Wir haben keine Zeit verloren, unsere strategische Transformation auszuführen”, erklärte Konzernchef Christian Sewing am Mittwoch in einer Audiokonferenz mit Analysten. “Wir haben erklärt, dass wir eine andere Deutsche Bank schaffen.”Es ist nicht das erste Sparprogramm, das die Deutsche Bank aufgelegt hat. Bereits kurz nach Amtsantritt im April 2018 hatte Sewing Einschnitte für die Unternehmens- und Investmentbank des Konzerns angekündigt. Der Fokus des Geschäfts sollte demnach stärker auf Europa gelegt, das Zinsgeschäft in den USA deutlich verkleinert und das weltweite Aktiengeschäft auf den Prüfstand gestellt werden. Nur wenige Wochen später, anlässlich der Hauptversammlung im Mai 2018, kündigte die Bank an, bis Ende dieses Jahres 7 000 Stellen zu kürzen, was bereits in weiten Teilen vollzogen wurde. Früh geplanter RadikalumbauNun deutet Sewing an, schon viel früher weitaus radikalere Einschnitte geplant zu haben. Bereits in den vergangenen 15 Monaten, also seit seinem Amtseintritt, seien “die Grundlagen geschaffen worden”, um jetzt “buchstäblich vom ersten Tag an mit unseren Umbau zu beginnen”, teilte er in einem Brief an die Mitarbeiter am Mittwoch mit. Tatsächlich liest sich das weitreichende Paket, das die Bank vor zweieinhalb Wochen vorstellte, wie eine Zuspitzung der bereits zuvor angekündigten Maßnahmen. Die Investmentbank zieht sich aus dem Aktienhandelsgeschäft weitgehend zurück und reicht das Geschäft mit Hedgefonds und den elektronischen Aktienhandel an den Rivalen BNP Paribas weiter (vgl. BZ vom 9. Juli). Aus der Transaktionsbank und dem Geschäft mit Firmenkunden entsteht zugleich eine “Unternehmensbank”, also eine neue Konzernsparte. 18 000 Stellen sollen konzernweit gestrichen werden.Am Mittwoch wurde die Bank konkreter: Mehr als 900 Mitarbeiter haben bisher erfahren, dass ihr Arbeitsverhältnis endet oder ihre Stelle entfällt. Im zweiten Quartal fielen bereits zuvor 600 Stellen weg, unter anderen, weil sich der Konzern von seinem Privatkundengeschäft in Portugal getrennt hat. Der Stellenabbau von 18 000 soll aber nicht vorwiegend durch Verkauf von Geschäft, sondern “organisch”, also in den bestehenden Einheiten erfolgen. Darüber hinaus hält sich die Bank bedeckt, um einen geordneten Übergang zu ermöglichen. Die Gespräche mit BNP Paribas laufen derweil “planmäßig”, nach Möglichkeit soll bis Jahresende eine Lösung gefunden werden.Auch den Abbau von Bilanzpositionen hat die Bank nun bereits etwas genauer skizziert: Zu den Einheiten zählen den Angaben nach zum Marktwert erfasste Bestände, die sich demnach ohne größere zusätzliche Kosten abstoßen lassen. Faule Kredite machen keinen hohen Anteil in der Abbaueinheit aus. Bestimmte Aktienderivate sollen über eine Auktion verkauft werden, Details in einigen Wochen bekannt gegeben werden. Wie schnell das gesamte Portfolio, das erheblich Kapital bindet, tatsächlich abgeschmolzen werden kann, bleibt offen – ebenso, wie hoch der Verlust ausfällt. Es ist nicht die erste Abwicklungsbank des Konzerns. Vor einigen Jahren hatte die Deutsche Bank eine solche Einheit mit Wertpapierbeständen von 128 Mrd. Euro auf den Weg gebracht, ehe die Bad Bank Ende 2016 aufgelöst wurde.Die harte Kernkapitalquote von 13,4 % zur Jahresmitte wird durch den Umbau im Jahresverlauf voraussichtlich weiter schrumpfen, soll aber nicht unter die Marke von 13 % rutschen. Bedingt durch regulatorische Vorgaben könnte sie dann aber ab dem kommenden Jahr weiter fallen. Die Deutsche Bank strebt eine Mindestmarke von 12,5 % an und will eine Kapitalerhöhung vermeiden, wie sie vor zweieinhalb Wochen erklärt hatte. Zu weiteren Details will sich die Bank unter anderem bei der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal am 30. Oktober äußern.Die Aktie der Bank ging am Morgen in die Knie, ehe sie sich im Tagesverlauf etwas erholte und mit einem Minus von 1,85 % auf 7,00 Euro aus dem Xetra-Handel ging. So weitreichend das Sparprogramm der Bank auch ist, so deutlich zeigte sich auch diesmal wieder ein bekanntes Problem: Die Erträge bröckeln. Nicht nur die Gesamterträge sind rückläufig: Sie gaben im ersten Halbjahr im Vergleich zur ersten Hälfte 2018 um 7 % auf knapp 12,6 Mrd. Euro nach. Auch die wohlwollende Rechnung, die nur das wesentliche Geschäft einer “Kernbank” umfasst, zeigt einen Rückgang, und zwar um 3 % auf 11,9 Mrd. Euro. Sorgenkind InvestmentbankDie Bank unterteilt die Konzernsegmente je nach Kontrollierbarkeit in zwei Hälften: Das Geschäft der Privat- und Firmenkundenbank, die auch die Postbank umfasst, die Transaktionsbank und die Fondstochter DWS sind demnach leichter zu kontrollieren. Die Erträge blieben mit 8,0 Mrd. Euro im ersten Halbjahr hier in etwa stabil. Die Investmentbank, gerechnet ohne die stabilere Transaktionsbank, gilt nach Lesart der Deutschen Bank als marktsensibel. Die Erträge gaben hier um 21 % auf 4,35 Mrd. Euro nach, weil das Emissionsgeschäft, die Beratung und der Handel jeweils absackten. Die Kreditbestände wachsen derweil fast überall stetig und erreichen konzernweit 419 Mrd. Euro per Ende Juni.Das Ergebnis gibt bereits einen Vorgeschmack, wie anfällig die Konzernsegmente künftig sind. Die geplante Unternehmensbank übernimmt also künftig mit der Transaktionsbank und der Firmenkundenbank die stabilen Segmente, während die dann gestutzte Investmentbank das durchweg volatile Geschäft umfasst und im Konzern weniger Gewicht haben dürfte.Während die Erträge in den vergangenen Jahren gesunken sind, sollen sie nun wieder zulegen, wie die Bank vor zweieinhalb Wochen skizziert hat. Die Pläne erscheinen angesichts der nun vorgelegten Zahlen ambitioniert. Bis 2022 sollen die wesentlichen Konzerneinheiten, die der Kernbank zugeschlagen sind, Erträge von jährlich 25 Mrd. Euro erwirtschaften – nach 22,8 Mrd. Euro im Jahr 2018. Zugleich sollen die bereinigten Kosten um 6 Mrd. Euro auf jährlich 17 Mrd. Euro sinken. Ob die Aufwand-Ertrag-Quote wie geplant auf unter 70 % fallen wird, eine Kapitalerhöhung vermieden werden kann und den Aktionären ab 2022 Kapital in Höhe von 5 Mrd. Euro in Form von Aktienrückkäufen und Dividenden zur Verfügung gestellt wird, hängt von der Entwicklung der Kosten und Erträge ab.Der Druck, dem sich das Management ausgesetzt sieht, war auch am Mittwoch zu spüren. “Die Leistung ist nicht genug und spiegelt auch nicht unser Potenzial wider”, sagte Finanzvorstand James von Moltke Analysten mit Blick auf die Unternehmens- und Investmentbank. Sewing demonstrierte derweil Zuversicht auch auf eigene Weise. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Manager ein Paket Deutsche-Bank-Aktien erworben hat. Über das Engagement des Managers war bereits zuvor spekuliert worden.