„Es findet eine zunehmende Polarisierung statt“
Im Gespräch: Ulrich Höller
„Es findet eine zunehmende Polarisierung statt“
Der ABG-Geschäftsführer befürwortet die Umwandlung von Büro in andere Nutzungen – Markt muss um ein Fünftel schrumpfen
Ein Rückgang von 20% bei Büroimmobilien ist eine durchaus dramatische Entwicklung. So die Einschätzung von Ulrich Höller, geschäftsführender Gesellschaft der ABG Real Estate Group. Der erfahrene Immobilienmanager spricht dabei immer weniger von einem Markt, sondern von divergierenden Teilmärkten.
Von Wolf Brandes, Frankfurt
„Man muss sich einmal vorstellen, was es bedeutet, wenn ein Fünftel der Quadratmeter vom Markt genommen werden“, sagt Ulrich Höller im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Entscheidender Treiber des Niedergangs seien die sich ändernden Arbeitswelten, also der Trend zu Homeoffice und mobilem Arbeiten. Der erfahrene Immobilienmanager und ABG-Chef spricht dabei immer weniger von einem Markt. „Es findet eine zunehmende Polarisierung statt.“ Auf der einen Seite gebe es Top-Objekte in sehr guter Lage und mit sehr guter Ausstattung. Das seien die zukunftsgerichteten Büroimmobilien, die steigende Mieten erwarten ließen. Auf der anderen Seite – manchmal in derselben Straße – stehen Stranded Assets. „Objekte, die als Büroimmobilie keine Zukunft mehr haben.“
60 Euro sind nicht übertrieben
Die Qualität entscheid über Wohl und Wehe eines Objektes. Das zeigt sich auch an den Mieten. „In Frankfurt werden die Spitzenmieten bald 60 Euro pro Quadratmeter anvisiert. In Top-Lagen mit einer Top-Ausstattung geht das“, so Höller. Übertrieben seien solche Preise keineswegs. „Die Investoren und Entwickler brauchen dieses Mietwachstum auch, denn die Baukosten sind im Verhältnis in den letzten zehn Jahren deutlich stärker gestiegen.“ Attraktive Immobilien seien stark gefragt, weil die Unternehmen den Mitarbeitern Top-Büroflächen in guter Lage bieten müssten, damit diese dauerhaft in die Büros zurückkommen.

Bei sehr guten Objekten ist der deutsche Markt inzwischen sehr eng. „Bevor der Immobilienmarkt wieder in Gang kommen wird, dürfte um die besten Objekte ein echter Wettbewerb entstehen.“ Das liege auch daran, dass das Angebot in den nächsten Jahren nicht zunehmen werde. „Es wird daher zu einer Knappheit bei den Top-Lagen und Top-Objekten kommen“, sagt der Chef der ABG.
Bekannt für Projekte
Sein Unternehmen ist bekannt für Projektentwicklungen, die ungeachtet der schwierigen Lage am Immobilienmarkt fortgesetzt werden. Ein Beispiel ist die Revitalisierung des ehemaligen BHF-Hauses in Frankfurt. Das zweite Standbein der ABG ist das Assetmanagement. Hier kauft und verwaltet das Unternehmen für institutionelle Investoren Bestandsobjekte. Das Volumen liegt bei rund 3,4 Mrd. Euro.
Projektentwicklungen kollabiert
Während beispielsweise eine hohe Vorvermietungsquote das Fortsetzen von Projekten ermöglicht, sind andere Entwickler ins Straucheln gekommen. „Viele Projektentwicklungen sind zum Höhepunkt des Marktes angestoßen worden. Mit einem hohen Einstandspreis sind Projektentwicklungen selbst bei niedrigen Zinsen extrem herausfordernd – und jetzt ist der Markt kollabiert“, sagt Höller.
Er sieht wenig Hoffnung für Problemfälle. „Wir haben im Moment überhaupt kein Umfeld für Finanzierungen, der Markt ist aktuell restriktiv. Ohne ein besseres Umfeld wird man auch neue oder brachliegende, gestoppte Projektentwicklungen nicht vorantreiben können. Auf absehbare Zeit ist nur bei wenigen Entwicklungen ein Durchbruch zu erwarten.“
Die Aufarbeitung der Insolvenzen, die durch die lange Phase der Inaktivität noch zunehmen könnten, werde wegen der Vielzahl an beteiligten Stakeholdern viel Zeit in Anspruch nehmen. Trotz aller Schwierigkeiten ist Höller überzeugt: Langfristig bleibe das Büro eine Kern-Assetklasse für die meisten Investoren. „Der übertriebene Abgesang auf das Büro ist unbegründet.“
Es geht um die Trianons dieser Welt
Nicht nur der Markt, auch die Regulierung setzt der Immobilienwirtschaft zu. „Auch in den Topstandorten stellt sich die Frage, ob alle Immobilien eine nachhaltige Zukunft haben. Die Rede ist von den Trianons dieser Welt, 30 bis 40 Jahre alte Bürotürme ohne eine im Ansatz moderne energetische Sanierung“, sagt Höller mit Blick auf die Insolvenz der Betreibergesellschaft des Frankfurter Hochhauses. Er ist aber auch überzeugt davon, dass solche Objekte in Toplagen dank der Nachfrage in eine zukunftsorientierte Form überführt werden können.
Aber längst nicht alle Büroobjekte haben eine Zukunft. „Wir werden viele Immobilien sehen, die nicht klassischen ESG-Kriterien entsprechen. Ein Teil wird von Investoren absorbiert, die Risiko tragen wollen und bewusst niedrige Qualität kaufen. Auch Mieter werden sich für diese Objekte finden.“ Es werde aber einfach nicht so sein, dass man in den nächsten zehn Jahren alle Büroimmobilien ESG-tauglich mache. „Diese theoretische Annahme ist unrealistisch!“
Abriss und Neubau ist tabu
Bei den Stranded Assets stelle sich die Frage, ob sie einer neuen Nutzung zugeführt werden können. „Der klassische Reflex war früher Abriss und Neubau. Aus Gründen der Nachhaltigkeit ist das aber heute nicht mehr die erste Wahl.“
Beispiel Bürostadt Niederrad
Ein positives Beispiel einer erfolgreichen Konversion von Büroimmobilien zu Wohnraum sei die Bürostadt Niederrad in Frankfurt. Die erste Umwandlungswelle ist einige Jahre her, habe aber gut funktioniert und könnte für heute wegweisend sein. „Aber es geht nicht nur um Umnutzung von leer stehenden Büros zu Wohnflächen, sondern auch um den zu erwartenden Comeback von Werkswohnungen.“
Der Staat schafft es nicht
Neben Wohnen gehe es bei der Umwandlung auch um neue Nutzungen, wie beispielsweise Schulen oder Datencenter. „Die öffentliche Hand wird es in den kommenden Jahren nicht schaffen, ein entsprechendes Angebot an Schulen bereitzustellen. Weil der Staat das nicht alles bauen kann, wäre es eine natürliche Logik, auch leer stehende Bürogebäude in Schulen umzuwandeln.“
Dass nicht jede Idee der Immobilienwirtschaft funktioniert, zeigt sich aber gerade auch an einem Spezialfall des Segments Wohnen – wo es eigentlich eine riesige Nachfrage gibt. „Schwierig sind Wohntürme. Allein durch die Baukosten sind Wohntürme im Luxusbereich anzusiedeln, das hilft bei der Wohnungsnot nur bedingt“, meint Höller. Die Zukunft der Wohntürme sieht er eher im Bereich Hotel oder anderen gewerblichen Wohnkonzepten.