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Euronext und Nasdaq in erbittertem Kampf um Oslo Børs

Von Christopher Kalbhenn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 14.2.2019 Die Börsenkonsolidierung in Europa hat nur wenige selbständige Börsen übrig gelassen. Einer von ihnen ist die Oslo Børs VPS, zu der neben der norwegischen Börse auch der...

Euronext und Nasdaq in erbittertem Kampf um Oslo Børs

Von Christopher Kalbhenn, Frankfurt Die Börsenkonsolidierung in Europa hat nur wenige selbständige Börsen übrig gelassen. Einer von ihnen ist die Oslo Børs VPS, zu der neben der norwegischen Börse auch der Zentralverwahrer des Landes zählt. Sie ist überraschend zum Objekt eines erbitterten Bieterkampfes zwischen der Euronext und der Nasdaq geworden. Bislang hatte sie stets eisern an ihrer Selbständigkeit festgehalten und Avancen etwa der schwedischen OMX und der Nasdaq, die die OMX übernommen hat, abgelehnt. Auch die Euronext, die eine Beteiligung von etwas mehr von 5 % an der Oslo Børs hält, blitzte mit ihren Avancen bei dem Marktbetreiber ab. Nun aber sind die Tage der Selbständigkeit der Oslo Børs gezählt, da sie sich als Folge eines Gebots der Euronext für eine Fusion mit der Nasdaq bzw. deren schwedischer Tochter Nas- daq AB entschieden hat.Doch der Reihe nach. Auslöser der Übernahmeschlacht war die Entscheidung von Aktionären der Oslo Børs, ihre Beteiligungen zu versilbern. Im vergangenen Herbst beauftragten sie die norwegische Bank Carnegie mit einer Auktion für ihre Anteile. Euronext griff zu. Am 24. Dezember kündigte die Mehrländerbörse dann eine Barofferte von 145 nkr je Oslo-Børs-Aktie (Aufschlag von 32 % auf den vorangegangenen Schlusskurs) bzw. umgerechnet rund 625 Mill. Euro an und gab bekannt, sich bereits die unwiderrufliche Zusage von Aktionären gesichert zu haben, die (einschließlich ihres eigenen Anteils) 49,6 % an dem Unternehmen halten. Fünf Tage später teilte sie mit, nun von 50,6 % des Kapitals unterstützt zu werden. Management überrumpeltMit ihrer Aktion hat die Euronext die Führung der Oslo Børs VPS gegen sich aufgebracht. Sie fühlt sich überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt. Ablesbar ist dies an ihrem Statement zum Gegengebot der Nasdaq AB. Das Euronext-Gebot sei ein Ergebnis der von Carnegie durchgeführten Auktion im Auftrag bestimmter Minderheitsaktionäre ohne irgendeine Einbeziehung des Board und der Unternehmensleitung der Oslo Børs. Zudem hätten mehrere relevante Parteien – gemeint sind die größten norwegischen Aktionäre, die DNB Livsforsikring (19,8 %) und die Kommunal Landspensjonskasse (10 %) – nicht an der Auktion teilgenommen. Daher seien Fusionsgespräche mit der Nasdaq AB aufgenommen worden. Diese bot den Aktionären am 4. Februar 152 nkr je Aktie und sicherte sich die Annahme von 35,2 % des Kapitals, darunter die Anteile der beiden großen Ankeraktionäre. Eine Woche später legte Euronext mit einem Gebot von 158 nkr nach. Die Aktie stieg anschließend bis auf 163 nkr, weil auf noch höhere Gebote spekuliert wird.Unabhängig davon, ob der Preis noch weiter nach oben getrieben wird, ist die Lage festgefahren, und es steht ein monatelanges Tauziehen zwischen den rivalisierenden Bietern bevor. Euronext kann die Unterstützung durch eine Mehrheit der Aktionäre sowie das bislang höchste Gebot in die Waagschale werfen, wird aber von der Führung der Oslo Børs abgelehnt. Die Nasdaq hat neben der Oslo-Børs-Führung die Unterstützung auch der größten Aktionäre und weiterer kleinerer norwegischer Anteilseigner als Vorteile.Die Entscheidung darüber, wer die Börse übernehmen wird, liegt nun in der Hand des Finanzministeriums. Fällen wird es sie auf Basis der noch nicht vorliegenden Stellungnahme der norwegischen Finanzaufsicht. Für die Entscheidung gilt eine viermonatige Frist ab Einreichung des Übernahmeantrags. Euronext hat den Antrag am 29. Dezember zeitgleich mit dem Gebot bei der Aufsicht eingereicht. Allerdings kann die Prüffrist bei Bedarf verlängert werden. Das norwegische Recht hat mit dem deutschen Börsengesetz vergleichbare Vorschriften. Danach muss jede signifikante Beteiligung an einer Börse oder einem Wertpapierverwahrer vom Finanzministerium genehmigt werden. Grünes Licht des Ministeriums erfordert jede Akquisition, die direkt oder indirekt die Schwellen von 20 %, 30 % und 50 % übersteigt. Die Genehmigung kann nur erfolgen, wenn die Akquisition als nicht schädlich für ein ordnungsgemäßes und umsichtiges Management der Börse bzw. des Verwahrers erscheint.In ebendiese Kerbe schlägt die Oslo Børs. Eine Situation, in der ein Drittel oder mehr der Anteilseigner das Euronext-Gebot ablehne, werde wahrscheinlich zu einer suboptimalen Aktionärs- und Governance-Struktur führen, heißt es in der Begründung ihrer Stellungnahme zugunsten der Nasdaq. “Mehrere dieser Minderheitsaktionäre wären bedeutende norwegische Finanzinstitutionen.” Oslo Børs gehe davon aus, dass derartige Überlegungen angesichts der Tatsache, dass die Oslo Børs VPS eine entscheidende Finanzinfrastruktur von nationaler Bedeutung sei, bei der von den Behörden durchzuführenden Geeignetheitsprüfung relevant sein würden. Das norwegische Finanzministerium hat sich bisher bedeckt gehalten. Die Prüfung müsse nach Recht und Gesetz durchgeführt werden. Kriterien seien u. a. das vergangene Verhalten des Erwerbers, seine finanziellen Ressourcen und die Folgen der Übernahme für die norwegischen Finanzmärkte. Zu Letzterem hat Finanzministerin Siv Jensen erklärt, dass ein neuer Eigentümer der Börse den Zugang zu Kapital für kleine und mittelgroße Unternehmen gewährleisten müsse. Allerdings haben beide Bieter in der Vergangenheit bewiesen, dass sie dazu in der Lage sind.Ein Vorteil für die Nasdaq könnte sein, dass sie bereits die Börsen aller anderen skandinavischen sowie auch der baltischen Staaten unter ihrem Dach vereint. Schließlich sind die Volkswirtschaften der Region und damit auch ihre Finanzmärkte eng miteinander verzahnt. Es war auch ein kluger Schachzug, dass sie als Voraussetzung für das Zustandekommen der Übernahme nicht wie Euronext eine Annahme von mehr als 50 % des Kapitals gesetzt hat, sondern eine Schwelle von mehr als 90 %. Damit hat sie klargestellt, dass sie die Oslo Børs nur mit Einverständnis der norwegischen Ankeraktionäre übernehmen will.