Frankfurt

EZB forciert Kampf gegen Klimakrise

Seit ihrem Amtsantritt Ende 2019 dringt EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf eine aktivere Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel. In der Notenbank ist das umstritten – vor allem wenn es um eine explizit „grüne“ Geldpolitik geht. Jetzt gründet die EZB erst einmal ein Zentrum für den Klimawandel.

EZB forciert Kampf gegen Klimakrise

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) bündelt intern die Arbeit verschiedener Geschäftsbereiche zum Thema Klimawandel in einem neuen Zentrum und forciert damit ihr Engagement gegen die Erderwärmung. „Das Zentrum für Klimawandel stellt die Struktur bereit, die wir brauchen, um das Thema mit der Dringlichkeit und Entschlossenheit anzugehen, die es erfordert“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Montag auf einer Online-Konferenz des Institute for Law and Finance (ILF) der Frankfurter Goethe-Universität. Sie untermauerte zudem die Bedeutung des Klimawandels in der laufenden Überprüfung der EZB-Strategie – und womöglich auch für die künftige Geldpolitik.

Weidmann warnt

Weltweit wird derzeit über die Rolle der Zentralbanken im Kampf gegen den Klimawandel diskutiert und gestritten. Das gilt gerade im Euroraum. Der mögliche Beitrag der EZB gegen die Erderwärmung ist ein kontroverses Thema in der Strategieüberprüfung der Notenbank. Lagarde setzt sich für eine stärkere Rolle der EZB ein und liebäugelt auch mit einem „grünen QE“, also der Bevorzugung grüner Titel bei den Milliarden schweren Anleihekaufprogrammen. Sie wähnt dabei die breite Öffentlichkeit hinter sich. Andere Euro-Notenbanker wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnen indes vor einer Überforderung der Geldpolitik.

Gestern nun kündigte Lagarde erst einmal das neue Zentrum für Klimawandel an. Die neue Einheit soll aus rund zehn Mitarbeitern bestehen und noch Anfang dieses Jahres ihre Arbeit aufnehmen, wie es in einer separaten Erklärung der EZB hieß. Das Zentrum soll auf dem Fachwissen aller EZB-Teams aufbauen, die bereits an klimarelevanten Themen arbeiteten. Seine Aktivitäten sollen in Arbeitsgruppen organisiert werden, die von der Geldpolitik bis hin zur Aufsicht reichen, so die EZB.

Lagarde betonte in ihrer Rede auf der ILF-Konferenz, dass die EZB im Bereich der Bankenaufsicht und Finanzstabilität bereits konkrete Schritte unternommen habe, und verwies unter anderem auf die für 2022 geplanten Banken-Stresstests, bei denen die Klimarisiken einen Schwerpunkt bilden sollen. Sie hob zudem hervor, dass die EZB den Anteil grüner Anleihen in ihrem Eigenmittelportfolio im vergangenen Jahr auf 3,5% erhöht habe und plane, diesen weiter zu erhöhen. Solche Maßnahmen sind auch unter den Euro-Notenbankern konsensfähig.

Umstrittener ist dagegen die Frage nach einer „grünen“ Geldpolitik. Bundesbankpräsident Weidmann lehnt es ab, in der Geldpolitik aktiv klimapolitische Ziele zu verfolgen. Diese Warnung untermauerte er gestern in seiner Rede auf der ILF-Konferenz. Er befürchtet Interessenkonflikte mit dem Mandat der Preisstabilität und sorgt sich um die Unabhängigkeit der Notenbank.

Lagarde betonte hingegen, dass der Klimawandel auch das Preisstabilitätsmandat der EZB und den Instrumentenkasten der Notenbank tangiere – deswegen sei er auch ein zentrales Thema bei der Strategieüberprüfung. Der Klimawandel könne etwa durch extreme Wetterereignisse kurzfristig zu Volatilität in der Produktion und der Inflation führen und auch langfristige Auswirkungen auf Wachstum und Inflation haben, wenn er nicht angegangen werde. Was die geldpolitischen Instrumente betreffe, sei einerseits auch die Bilanz des Eurosystems selbst durch die Anleihekäufe Klimarisiken ausgesetzt, so die Notenbankerin. Zudem könnten andererseits verschiedene Faktoren, die mit dem Klimawandel zusammenhingen, die Produktivität und den Gleichgewichtszins belasten, was den Spielraum für die konventionelle Politik verringern könne.

EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta sprach sich unterdessen gestern dafür aus, die EZB solle mit dem Klimawandel zusammenhängende Finanzrisiken stärker berücksichtigen. Aus seiner Sicht könnte die EZB mit einer eigenen Analyse dieser Gefahren dazu beitragen, dass solche Risiken künftig angemessener bewertet werden. Das betreffe beispielsweise die Sicherheiten, die Banken stellen müssen, um Zentralbankkredite zu erhalten.

Lagarde betonte grundsätzlich, dass Europa der Bekämpfung des Klimawandels Priorität eingeräumt und Ziele, Strategien und Vorschriften eingeführt habe, um den Übergang zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft zu unterstützen. „Das Eurosystem ist zwar kein Entscheidungsträger in diesen Bereichen, sollte aber seine potenzielle Rolle bei der Umstellung prüfen“, sagte Lagarde.

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