EZB stellt Carige unter Kuratel
Der neue Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, hat seinen Einstand zu Jahresbeginn mit einem Paukenschlag begangen. Einen Tag, nachdem der bisherige Chef der europäischen Bankenregulierungsbehörde EBA auf Danièle Nouy an der Spitze der für die 119 wichtigsten Banken in den Euro-Ländern zuständigen Behörde folgte, verkündete die EZB eine beispiellose Maßnahme: die Zwangsverwaltung der italienischen Carige Bank.tkb/fir Mailand/Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die angeschlagene italienische Carige Bank unter Kuratel gestellt und damit einen Präzedenzfall geschaffen. Nie zuvor habe die EZB, die 119 Banken im Euro-Währungsraum direkt beaufsichtigt, eine solche Entscheidung gefällt, hieß es am Mittwoch auf Anfrage. Die Aufseher unter Führung des gerade angetretenen Andrea Enria verpassten der Sparkasse von Genua drei kommissarische Verwalter und einen dreiköpfigen Überwachungsausschuss, nachdem der Großteil der Vorstandsmitglieder zurückgetreten war.Laut EZB sind die Bankmanager nicht zum Rückzug gezwungen worden. Vielmehr habe die Aufsicht als Reaktion auf den Rücktritt eine kommissarische Verwaltung einsetzen müssen, um die Bank zu stabilisieren. “Der Beschluss, die Banca Carige vorübergehend unter Zwangsverwaltung zu stellen, ist eine Frühinterventionsmaßnahme, die dazu dient, Kontinuität zu gewährleisten und die Zielsetzungen eines strategischen Plans umzusetzen”, teilte die EZB weiter mit. Dem neu bestellten Trio gehören zwei der zurückgetretenen Führungskräfte an, Ex-Vorstandschef Fabio Innocenzi und Ex-Verwaltungsratspräsident Pietro Modiano. Dritter im Bunde ist Raffaele Lener, ein Professor für Wirtschaftsrecht. Flankiert werden sie von einem Überwachungsausschuss, der sich aus dem Finanz- und Rechtsexperten Gianluca Brancadoro, Andrea Guaccero und Alessandro Zanotti zusammensetzt. Der EZB zufolge sieht italienisches Recht eine Zwangsverwaltung von bis zu einem Jahr vor, wobei eine Verlängerung möglich sei. Großaktionär stellt sich querAls Aufgaben der kommissarischen Verwalter nennt die EZB, Stabilität sicherzustellen, die Zentralbank auf dem Laufenden zu halten und zu gewährleisten, dass die Kapitalvorschriften wieder eingehalten werden. Genau daran hatte es zuletzt gehapert: Weil Carige offenbar nur noch eine harte Kernkapitalquote von 5,5 % hatte vorweisen können, drang die EZB auf eine Aufstockung. Spätestens Ende Dezember hatte sich abgezeichnet, dass das ohnehin angeschlagene Finanzinstitut auf eine schwere Krise zusteuert. Vor wenigen Tagen war bereits Carige-Vizepräsidentin Lucrezia Reichlin, Vertreterin der Unternehmerfamilie Malacalza, zurückgetreten. Die durch das Stahlgeschäft groß gewordenen Brüder Malacalza (Malacalza Investimenti) sind mit einem Anteil von 27,6 % Cariges größter Aktionär. Die Investmentfirma hatte sich bei der jüngsten außerordentlichen Hauptversammlung einer geplanten Kapitalerhöhung in Höhe von 400 Mill. Euro verweigert und war gemeinsam mit Vorstandschef Innocenzi bei der EZB vorstellig geworden (vgl. BZ vom 28.12.2018).Für Malacalza wäre ein öffentliches Übernahmeangebot mutmaßlich günstiger als eine Beteiligung an der Kapitalerhöhung. Die Aufstockung des Polsters ist jedoch Voraussetzung dafür, dass die vom Einlagensicherungsfonds der italienischen Privatbanken gewährte Anleihe über 320 Mill. Euro wie gefordert bis Jahresmitte zurückgezahlt werden kann. Ohne diese Anleihe hätte Carige die EZB-Kapitalforderungen nicht erfüllen können.Die Sparkasse von Genua ist Italiens zehntgrößte Bank. Vor einigen Jahren ist sie wegen ihres korrupten Managements in die Krise geschlittert. Seit 2014 hatte Carige insgesamt 2,2 Mrd. Euro bei Investoren eingesammelt und in diesem Zeitraum einen Verlust von 1,5 Mrd. Euro angehäuft – hauptsächlich wegen der Belastung durch abgeschriebene faule Kredite. Partnersuche läuftNoch ist nicht sicher, ob eine neue außerordentliche Hauptversammlung einberufen wird, um die Unternehmerfamilie Malacalza umzustimmen – oder ob sich Carige mit einer anderen Bank zusammentut. Laut Gewerkschaftsverband CGIL läuft die Partnersuche bereits. Dem Vernehmen nach soll das Modell der Banken aus Venetien – Banca Popolare di Vicenza sowie Veneto Banca – auch bei Carige Schule machen. Intesa Sanpaolo hatte die beiden Institute 2017 zum symbolischen Preis von 1 Euro übernommen. Nun heißt es, dass die Mailänder Unicredit sowie Banco Popolare di Milano, aber auch die französische BNP Paribas an einer Übernahme von Carige interessiert sein könnten. Die Börsenaufsicht Consob hat Carige am Mittwoch unbefristet vom Handel ausgesetzt. Zuletzt notierte die Aktie mit 0,16 Cent auf einem Allzeittief. Im vergangenen Jahr hat der Kurs um vier Fünftel nachgegeben.—– Personen Seite 12