Finanzstabilität

Fed konkretisiert Pläne zu strengeren Kapitalvorgaben für US-Banken

Auf die US-Großbanken kommen härtere Kapitalvorgaben zu. Fed-Vizechef Michael Barr konkretisiert die geplanten Aufschläge – und will standardisierte Regeln zur Risikobewertung durchsetzen.

Fed konkretisiert Pläne zu strengeren Kapitalvorgaben für US-Banken

Fed verschärft Pläne für Kapitalvorgaben

Aufschläge von 2 Prozentpunkten für große Finanzinstitute – Stellgrößen sind Komplexität und Aktivitäten – Einheitlicher Standard zum Reporting von Risiken

Auf die US-amerikanischen Großbanken kommen die größten regulatorischen Umwälzungen seit der Finanzkrise zu. Fed-Vizechef Michael Barr konkretisiert nun Pläne für strengere Kapitalvorgaben. Zudem beabsichtigt die Bankenaufsicht, standardisierte Regeln zur Risikobewertung durchzusetzen.

Von Alex Wehnert, New York

Führende US-Banken stehen vor den größten regulatorischen Umwälzungen seit der Finanzkrise 2008. Die Federal Reserve konkretisierte nun Pläne zu strengeren Kapitalvorgaben für US-Banken. Für große Finanzinstitute könnten künftig Aufschläge von 2 Prozentpunkten oder 2 Dollar pro 100 Dollar an risikogewichteten Aktiva fällig werden, wie der für Aufsicht zuständige Vize-Chef der Notenbank, Michael Barr, am Montag im Rahmen einer Veranstaltung des Washingtoner Thinktanks Bipartisan Policy Center mitteilte. Die genaue Höhe hänge allerdings von den Geschäftsaktivitäten der Geldhäuser und ihrer Komplexität ab. „Jedwede Veränderungen werden mit einer angemessenen Einführungszeit implementiert“, versicherte Barr.

Zugleich betonte er aber, die vergangenen Monate hätten die Notwendigkeit deutlich gemacht, Banken für bekannte und unvorhergesehene Risiken zu rüsten. Im laufenden Jahr waren die Silicon Valley Bank, die Signature Bank und die First Republic Bank kollabiert, nachdem hohe nicht realisierte Verluste innerhalb ihrer Wertpapierportfolios in den Fokus der Öffentlichkeit rückten und Kunden in großem Stil Einlagen von den betroffenen Instituten abzogen – damit wurden binnen weniger Wochen drei der vier größten Bankzusammenbrüche der US-Historie Realität.

An der Wall Street geht seither die Furcht um, dass die Krise unter regionalen Geldhäusern auch auf die führenden Kreditinstitute der Vereinigten Staaten übergreifen könnte. Dies unterstrich Barr zum Wochenauftakt erneut. “Auch kleinere Banken können Stress verursachen, der auf andere Institutionen übergreift und die Finanzstabilität gefährdet“, betonte der Fed-Vize. Im Rahmen des alljährlichen Stresstests der Federal Reserve schnitten die Großbanken zuletzt zwar robust ab, die harten Kernkapitalquoten der 23 führenden US-Häuser blieben im Worst-Case-Szenario mit aggregiert 10,1% deutlich über der regulatorischen Mindestanforderung von 4,5%. Dennoch warf die Simulation Zweifel an den Prognosemodellen der Kreditinstitute auf.

Unsicherheit nach Stresstest

Bank of America stufte sich in einem internen Stresstest beispielsweise weniger wetterfest ein, als es die Fed-Resultate nahelegten. Gemäß der Simulation der Notenbank müsste das Institut bei einem Konjunkturcrash Verluste von 23 Mrd. Dollar verkraften, die harte Kernkapitalquote (CET1) würde auf 10,6% fallen. Bank of America selbst rechnete mit Verlusten von 52 Mrd. Dollar und einem CET1-Absturz auf 8,3%. Andersherum verhielt es sich bei der Citigroup: Diese traute sich zu, die harte Kernkapitalquote in einer schweren Rezession oberhalb von 10,6% zu halten – die Fed-Simulation ergab dagegen einen Rückgang auf 9,1%.

Transparent und konsistent

Barr dringt nun nicht nur auf eine „schnellere, agilere und schlagkräftigere“ Aufsicht sowie härtere Stresstests, sondern will auch einen einheitlichen Standard zum Reporting von Kredit-, Betriebs- und Trading-Risiken der Finanzinstitute einführen. Damit sollen sich die Marktteilnehmer nicht mehr auf die individuellen Einschätzungen der Geldhäuser verlassen müssen, sondern „transparentere und konsistentere“ Bewertungen vorfinden. Zudem plant der Fed-Vize strengere Konditionen für die Auszahlung von Vergütungen an Manager und höhere Liquiditätsvorschriften.

Die neuen Kapitalvorgaben, die Teil der Umsetzung des Bankenpakets Basel III in den USA sind, sollen bereits für Institute mit einer Bilanzsumme ab 100 Mrd. Dollar gelten. Zuvor waren die strengsten Regeln für global aktive Geldhäuser und solche mit mindestens 700 Mrd. Dollar an Assets reserviert. Nach Barrs Darstellung sind die meisten Banken bereits ausreichend ausgestattet, um die neuen Vorgaben erfüllen zu können.

Die restlichen Institute sollten laut dem Aufseher in der Lage sein, über ihre Gewinne in den kommenden zwei Jahren genügend Kapital aufzubauen – und dabei sogar ihre Dividenden beizubehalten. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Profitentwicklung wie in den vergangenen Jahren fortsetzt. Anleger erhoffen sich von der am Freitag beginnenden Berichtssaison zum zweiten Quartal nun besonders wichtige Fingerzeige. Zuletzt hatten allerdings selbst die größten Geldhäuser der USA eher vorsichtige Ankündigungen zum Shareholder Return gemacht. Lediglich Morgan Stanley bestätigte ein größeres Rückkaufprogramm, Analysten rechnen nach den jüngsten Anhebungen nun mit einem deutlich langsameren Dividendenwachstum.

Branche wehrt sich

Branchenvertreter warnen davor, dass die Pläne der Federal Reserve negative Effekte auf die Gesamtwirtschaft haben könnten. Denn Banken seien in der Folge voraussichtlich gezwungen, die Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen deutlich einzuschränken oder zumindest wesentlich härtere Konditionen zu stellen. Dies begrenze Investitionen in Wachstum. Auch fürchten amerikanische Investmentbanken infolge strengerer Regeln Marktanteilsverluste im Wertpapierhandel.

Die größten US-Kreditinstitute argumentieren, dass im Finanzsektor kein systemischer Mangel an Kapital vorliege – dabei verweisen sie auch darauf, dass elf große Geldhäuser im April problemlos in der Lage gewesen seien, die später kollabierte First Republic durch Einzahlungen im Gesamtvolumen von 30 Mrd. Dollar zu stützen. Nach Ansicht der führenden Banken sind die jüngsten Turbulenzen im Sektor vielmehr auf ein Versagen einiger Manager sowie der Regulierungsbehörden zurückzuführen. Barr mahnt dagegen zur Demut.

Sollten seine Pläne innerhalb der Federal Reserve sowie bei anderen Behörden wie dem staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC und dem für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständigen OCC Zustimmung finden, könnten sie noch im laufenden Monat offiziell veröffentlicht werden. Eine Umsetzung würde laut Regulierungsexperten aber mindestens Monate dauern. Branchenvertreter sollen ebenfalls die Chance erhalten, sich im Rahmen einer Marktkonsultation zu den strengeren Anforderungen zu äußern.

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