Büroleiter des Aufsichtsrats im Zeugenstand

Fehler in einer Pflichtmeldung von Wirecard

Im Wirecard-Betrugsprozess verdichten sich die Tatvorwürfe gegen den Hauptangeklagten, Ex-Vorstandschef Markus Braun. Ein Zeuge schilderte die Umstände für eine irreführende Pflichtmitteilung des CEO vom April 2020 - zwei Monate vor dem Zusammenbruch des Zahlungsabwicklers.

Fehler in einer Pflichtmeldung von Wirecard

"Man dachte über eine Korrektur der Ad-hoc nach"

Im Wirecard-Prozess berichtet der Ex-Büroleiter des Aufsichtsrats über Fehler in einer Pflichtmitteilung von Markus Braun

Von Stefan Kroneck, München

Eigentlich sollte an diesem Verhandlungstag der frühere Finanzvorstand von Wirecard im seit Dezember 2022 laufenden Strafprozess als Zeuge erscheinen. Doch Alexander von Knoop machte kurz vor dem Termin von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, wie der Vorsitzende Richter der 4. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München, Markus Födisch, zu Protokoll gab. Die Staatsanwaltschaft München führt Knoop dem Vernehmen nach als Beschuldigten. Gegen ihn wird weiter ermittelt. Im Zeugenstand hätte der Ex-CFO vermutlich interessante Details zu den Vorkommnissen beim früheren Dax-Aufsteiger schildern können. Doch daraus wurde nichts. Er hätte sich wahrscheinlich selbst belastet. Födisch musste Knoop ausladen, wie es im Amtsdeutsch der Justiz heißt.

Als „Ersatz“ für den Verhandlungstermin trat am Mittwoch ein Zeuge in Erscheinung, der auch sehr nah am Geschehen insbesondere im Frühjahr 2020 war. Födisch befragte Julian Haag, den ehemaligen Büroleiter des Aufsichtsrats von Wirecard. Der heute 42-jährige Jurist war allerdings nur für kurze Zeit bei Wirecard tätig. Der damalige Chefaufseher Thomas Eichelmann heuerte ihn für die seinerzeit extra neu geschaffene Position an – in jener Phase, als das Dach des Zahlungsabwicklers längst brannte. Haag begann seine Tätigkeit Anfang April 2020. Nach dem Kollaps des Unternehmens war er nach eigenen Angaben bis Ende 2020 für den Insolvenzverwalter Michael Jaffé tätig. In der Zeit seines kurzen Wirkens bei Wirecard konnte er das Gerangel um den Bericht des von Eichelmann beauftragten Sonderprüfers KPMG mitverfolgen.

Prüfungshemmnis verschwiegen

In seiner Befragung durch Födisch ging Haag vor allem auf die Ereignisse rund um die dubiose Pflichtmitteilung vom 22. April 2020 ein. Diese verfasste Markus Braun, der sich nun als Hauptangeklagter vor Gericht verantworten muss. In dieser Ad-hoc-Meldung – zwei Monate vor dem Zusammenbruch – behauptete der frühere Vorstandsvorsitzende von Wirecard, bei der Sonderuntersuchung seien keine Belege für eine Bilanzmanipulation gefunden worden. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft konnte KPMG diese Beweise gar nicht finden, weil Braun selbst den Prüfern keinen umfassenden Einblick in die Bücher gewähren ließ. Diese Prüfungshemmnisse erwähnte Braun aber seinerzeit in der Meldung bewusst nicht. Zur Erinnerung: In seiner Befragung durch Födisch zu dieser irreführenden Mitteilung räumte Braun Anfang März ein, er habe damit gerechnet, dass Wirecard fehlende Unterlagen nachreichen könnte. Der Richter reagierte mit Unverständnis auf diese Aussage: „Es ist doch nicht der Maßstab, was Sie glauben."

Haag zufolge empfahl der Aufsichtsrat nach einer am 21. April 2020 stattgefundenen Gremiumssitzung dem Vorstand per E-Mail, die von KPMG in einem Zwischenbericht aufgeführten Beanstandungen öffentlich darzulegen. Dabei handelte es sich um Mängel im Kontrollsystem, das Prüfungshemmnis für den zu untersuchenden Zeitraum 2016 bis 2018 und die fehlenden Daten über das Drittpartnergeschäft (TPA).

Mit "Unverständnis" reagiert

Laut Haag reagierte der Aufsichtsrat mit Unverständnis darüber, dass Braun diese Empfehlung missachtete. „Man dachte über eine Korrektur der Ad-hoc nach; diese kam aber nicht zustande.“ Als Grund dafür verwies Haag auf die Gesetzeslage. Demnach war der Vorstand für die Ad-hoc-Meldung verantwortlich. „Der Aufsichtsrat hätte die Ad-hoc nicht korrigieren dürfen.“ Der Zeuge räumte aber ein, dass der Aufsichtsrat bei gravierenden Fehlern Vorstände hätte abberufen können. Seinerzeit unterließ das Kontrollgremium dies. Als Konsequenz daraus entzogen Eichelmann und die übrigen vier Mitglieder des Organs am 8. Mai 2020 Braun die Kapitalmarktkommunikation und übertrugen Knoop diesen Verantwortungsbereich. Aufgrund der Hektik in jener Zeit befasst sich der Aufsichtsrat wohl nicht mehr mit der Frage, ob vorsätzliche Schädigungshandlungen des Vorstands vorlagen.

Als sich nach dem veröffentlichten KPMG-Bericht im Juni 2020 asiatische Treuhandkonten von 1,9 Mrd. Euro fürs TPA-Geschäft als Luftbuchung herausstellten, ging Wirecard pleite. Neben Braun sitzen Ex-Konzernchefbuchhalter Stephan von Erffa und der frühere Wirecard-Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, auf der Anklagebank. Die Strafermittler werfen ihnen gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Marktmanipulation und Bilanzfälschung vor.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.