Finanzbranche setzt im neuen Jahr auf Wohnen statt auf Gewerbe
Finanzbranche setzt auf Wohnen statt Gewerbe
Aus Sicht von Investoren und Maklern werden sich die Immobilienmärkte im neuen Jahr unterschiedlich entwickeln
Der Immobilienmarkt dürfte aus Sicht der Branche im kommenden Jahr wieder in Schwung kommen. Dabei ist das Vertrauen in die Stabilität von Wohnimmobilien deutlich stärker ausgeprägt als für Büros und Einzelhandelsobjekte, zeigen diverse Markteinschätzungen. Der Ruf des deutschen Marktes leidet bereits.
jsc Frankfurt
Der Immobilienmarkt wird sich im neuen Jahr aus Sicht der Finanzbranche unterschiedlich entwickeln. Während Wohnimmobilien und das Nischensegment Logistik von Marktbeobachtern und Maklern mehr Vertrauen erfahren, fallen Büroobjekte und Einzelhandelsimmobilien in der Gunst zurück, wie am Montag in verschiedenen Branchenberichten deutlich wurde.
So unterteilt die LBBW-Tochter Berlin Hyp den Markt in Objekte mit „Chancen“ einerseits und in „Sorgenkinder“ andererseits. In die Top-Kategorie sortiert die Bank hier auf Grundlage einer Branchenumfrage die Anlageklassen Wohnen, studentisches Wohnen und Logistik ein. Mit 30%, 31% und 33% erwartet hier jeweils rund ein Drittel der befragten Immobilienexperten eine Verbesserung der Lage, während jeweils deutlich weniger Personen eine Verschlechterung voraussehen.
„Sorgenkinder“ Büro und Einzelhandel
Als „Sorgenkinder“ führt die Bank die Kategorien Büro und Einzelhandel auf, wo mit 47% und 54% jeweils ungefähr die Hälfte der Befragten eine Verschlechterung erwartet. Lediglich die Segmente Hotels und Pflegeimmobilien zeigen ein ungefähr ausgewogenes Verhältnis aus optimistischen und pessimistischen Antworten. Die Berlin Hyp befragte Mitte Dezember rund 250 Immobilienfachleute aus dem In- und Ausland.

Auch verschiedene Maklerhäuser zeigen sich mit Blick auf Wohnobjekte optimistisch: So sieht Colliers für Wohnimmobilien, die von institutionellen Investoren erworben werden, eine Marktbelebung voraus. Brach das Transaktionsvolumen im zurückliegenden Turnus um 39% auf 8,8 Mrd. Euro ein, so seien im neuen Jahr mehr als 10 Mrd. Euro wieder möglich. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte könnte sich der Markt aus Expertensicht beleben. „Insgesamt ist das Interesse an Wohnimmobilien auf Investorenseite weiterhin hoch“, schreibt die Gesellschaft.
Büros stehen in Krise zum Verkauf
Zwar erwartet Colliers auch für gewerbliche Immobilien eine Belebung der Transaktionsvolumina: Nach 24,1 Mrd. Euro im vergangenen Jahr seien im laufenden Turnus wieder 30 Mrd. Euro möglich. Der Grund dafür sei aber ein hoher Verkaufsdruck. Allein die 2023 verzeichneten Insolvenzen von Projektentwicklern zögen ein Transaktionsvolumen von mehr als 5 Mrd. Euro in den sieben größten deutschen Städten nach sich. Hinzu kommen weitere „Portfoliobereinigungen“.
Rivalin Jones Lang LaSalle (JLL) äußert sich ähnlich: Im laufenden Turnus müssen voraussichtlich viele Finanzierungen erneuert werden, „die möglicherweise nicht erfolgreich abgeschlossen werden können“, schreibt das Unternehmen. Wer weiterhin an Büroimmobilien glaube, könne nun aber bei Distressed Assets zugreifen. Ähnlich wie Colliers meldete JLL einen Einbruch der Transaktionsvolumina im zurückliegenden Jahr – vor allem, weil Büroobjekte kaum noch gefragt waren.
Mehr Transaktionen
BNP Paribas Real Estate sieht zwar ebenfalls für Büroobjekte wieder mehr Transaktionen voraus: Die deutsche Wirtschaft werde voraussichtlich „spätestens ab den Sommermonaten wieder Fahrt aufnehmen“, schreiben die Experten. Die Büromärkte dürften hier „mit leichter Verzögerung positiv reagieren“. Für Wohnimmobilien sind die Immobilienberater der französischen Großbank jedoch etwas positiver eingestellt. Hier steigen die Umsätze laut Prognose bereits im ersten Halbjahr „zunächst leicht“, während für das zweite Halbjahr mit einer „deutlichen Belebung“ zu rechnen sei.
Eine unterschiedliche Entwicklung hatte unlängst bereits der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) ausgemacht. Für den Gesamtmarkt zeichne sich eine Stabilisierung des Marktes ab, wie Verbandspräsident Gero Bergmann Ende November sagte. „Bei Wohnimmobilien dürfte sie deutlich früher einsetzen als bei Gewerbeimmobilien.“ Während die Maklerhäuser typischerweise das Transaktionsvolumen melden, konzentriert sich der VDP auf die Preisentwicklung. Demnach verbilligten sich Wohnimmobilien binnen Jahresfrist bis zum dritten Quartal 2023 um 6,3%, während die Preise für Gewerbeimmobilien um 10,3% nachgaben.
Vertrauen bröckelt
Die schwierige Lage am Gewerbeimmobilienmarkt belastet die Finanzbranche an vielen Stellen. Einige Banken wie BayernLB, Helaba, oder Pfandbriefbank haben die Risikovorsorge in der gewerblichen Immobilienfinanzierung zuletzt spürbar erhöht. Offene Immobilienfonds wiederum, die meist einen Schwerpunkt auf Büroimmobilien haben, verzeichnen seit August unterm Strich Abflüsse. Allein im November flossen laut Bundesbank 276 Mill. Euro aus Publikumsfonds ab. Die Insolvenz des Signa-Konzerns schließlich, der zahlreiche Immobilien in Deutschland besitzt und entwickelt, belastet viele Banken und Versicherer.
Der Ruf leidet
Der Ruf des Standorts Deutschland leidet bereits: Mehr als ein Drittel der Branchenexperten bewertet den deutschen Markt für Gewerbeimmobilien im europäischen Vergleich als weniger attraktiv, wie Berlin Hyp weiter festhält. „Offenbar wird die Situation in Deutschland – womöglich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung hierzulande – als negativer wahrgenommen als die der Nachbarländer.“