Retail Banking

Degussa Bank konzentriert sich wieder auf das Privatkundengeschäft

Die vor der Übernahme durch die Oldenburgische Landesbank (OLB) stehende Degussa Bank hat eine digitale Filiale entwickelt. All ihre verbliebenen Tochtergesellschaften stellt das Institut derweil zum Verkauf.

Degussa Bank konzentriert sich wieder auf das Privatkundengeschäft

Retail Banking

Degussa Bank besinnt sich auf den Kern

Institut konzentriert sich vor Übernahme durch OLB wieder auf Privatkundengeschäft – Weiterentwicklung der digitalen Filiale

Die vor der Verschmelzung mit der OLB stehende Degussa Bank hat eine virtuelle Filiale entwickelt und patentieren lassen. Diese baut sie aus und will sie als Whitelabel-Produkt auch Branchen jenseits der Finanzindustrie anbieten. All ihre verbliebenen Tochtergesellschaften stellt das Institut derweil zum Verkauf.

fir Frankfurt
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Vor ihrer Übernahme durch die Oldenburgische Landesbank (OLB) entledigt sich die Degussa Bank sämtlicher verbliebener Tochtergesellschaften, wie Vorstandschef Michael Krupp im Gespräch mit der Börsen-Zeitung berichtet. Auch die hauseigene IT-Entwicklung, deren virtuelle Bankfiliale patentiert wurde, soll ins Schaufenster gestellt werden. „Wir fokussieren uns auf unser Kerngeschäft, auf das Retail Banking“, macht der im September 2021 an die Spitze des Instituts gerückte Krupp deutlich. Er hatte Jürgen Eckert abgelöst, der nach 21 Jahren als CEO Knall auf Fall abgetreten war. „Zudem verfügen wir nicht über genügend Managementkapazitäten, um uns um all unsere Tochtergesellschaften zu kümmern“, bekundet Krupp. „Auch deshalb haben wir uns dafür entschieden, sie zum Verkauf zu stellen. Dazu gehört auch der digitale Bankshop.“ Dabei handelt es sich um eine in die virtuelle Welt transferierte Zweigstelle, durch die sich Online-Besucher bewegen, Berater auswählen und sie dann direkt kontaktieren können, etwa mittels Videotelefonie. 

Kauf durch OLB steht vor Abschluss

Die Degussa Bank gehört seit 2006 über Beteiligungsgesellschaften den M.M.-Warburg-Mitinhabern Christian Olearius und Max Warburg, gegen die wegen Cum-ex-Geschäften ermittelt wird. Im September hatte die OLB angekündigt, ihnen die Degussa für 220 Mill. Euro abzukaufen unter der Maßgabe, dass das harte Kernkapital (CET1) der Degussa Bank zum Zeitpunkt des Closings bei 357 Mill. Euro liegt. Damit ergibt sich für die OLB ein negativer Goodwill von 137 Mill. Euro. Die Degussa Bank werde über erhebliche Kapitalüberschüsse verfügen, welche die OLB für weiteres organisches Wachstum verwenden kann, hatte das von der US-amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft Apollo, dem US-Pensionsfonds TRS und der britischen Investmentgesellschaft Grovepoint gehaltene norddeutsche Institut anlässlich der Ankündigung der geplanten Übernahme im September mitgeteilt. Mit dem Abschluss der Transaktion wird zur Jahresmitte gerechnet, sofern die Aufsicht grünes Licht erteilt hat.

Die Größenverhältnisse vor der Übernahme
OLBDegussa Bank
Bilanzsumme (Mrd. Euro)24,16,5
Kundenkreditvolumen (Mrd. Euro)184,7
Kundeneinlagen (Mrd. Euro)16,25,1
Mitarbeiterzahl1.454572
Kundenzahl612.000322.000
Kernkapitalquote (%)15,122,5

Als unabhängig davon will die OLB ihren beabsichtigten Börsengang verstanden wissen. Wann der vonstatten geht, ist unklar. In Finanzkreisen war Ende März spekuliert worden, dass die Vorbereitungen für das IPO, das ab Mai erwartet worden war, pausieren. Eine OLB-Sprecherin sagte seinerzeit lediglich, dass es losgehe, sobald sich ein Zeitfenster mit besseren Marktbedingungen öffne.

Die Degussa Bank hat ihr Kapital aufgestockt. Das harte Kernkapital entspricht laut Krupp zum Jahresende mit 312 Mill. Euro einer Quote von 22,5%. Der Gewinn des vergangenen Jahres in Höhe von 38 Mill. Euro werde noch draufgeschlagen, vorbehaltlich der Zustimmung der Hauptversammlung. Zum 31. Dezember 2021 hatte das harte Kernkapital laut Geschäftsbericht noch 258 Mill. Euro und ein Jahr zuvor 218 Mill. Euro ausgemacht. Im Jahr 2021 hatte die Bank den Wohnimmobilienmanager Industria verkauft, im Jahr 2022 den Versicherungsmakler Prinas Montan. „Die Gewinne aus den beiden Transaktionen wurden thesauriert, um uns alle Optionen zur Weiterentwicklung der Bank offenzuhalten“, sagt Krupp. „Vor dem Hintergrund des Verkaufs an die OLB haben wir daran nichts geändert.“

Die Verschmelzung der Degussa Bank auf die OLB verheißt erhebliche Kostensenkungen, wie der Manager sagt. „Von den knapp 110 Mill. Euro an Verwaltungskosten im vergangenen Jahr entfielen 35 Mill. bis 40 Mill. Euro auf Regulatorik, Compliance, Revision, Jahresabschlussprüfung, regulatorische und kaufmännische Projekte“, sagt Krupp zu den Aufwendungen des Frankfurter Instituts. „Diese Kostenpunkte fallen natürlich nur einmal an, wenn die Institute zusammengehen, die beide im gleichen Markt und im gleichen Geschäftsfeld tätig sind.“

Firmen im Schaufenster

Hatte Ex-Vorstandschef Eckert die Tochtergesellschaften noch als Kern eines auch durch Zukäufe aufzubauenden digitalen „Mehrwert-Universums“ angesehen, das Bankgeschäfte, Freizeitplanung und Arbeit im virtuellen Raum vereint, so geht Krupp den umgekehrten Weg. Er verkauft alles, was nichts mit dem originären Bankgeschäft zu tun hat.  Von der einst 100-prozentigen Tochter Industria hatte die Degussa nach dem Verkauf des Großteils der Anteile im Jahr 2021 an das Hamburger Immobilien- und Investmentunternehmen Becken zuletzt auch die restlichen 10,1% veräußert. Nun stehen noch mehrere zum Konzern gehörende Start-ups zum Verkauf: das Insurtech Munich General Insurance Services, das unter der Marke „Mobilversichert“ eine Plattform für Kunden- und Vertragsdaten betreibt, auf die Versicherungsvermittler und -unternehmen zugreifen können. Losschlagen will Degussa auch das Mehrwertportal Mivo Mitarbeitervorteile, das sich die Bindung von Beschäftigten an ihre Arbeitgeber zur Aufgabe gemacht hat, zudem das Fintech Placons, dessen App digitales Banking mit Lifestyle-Diensten verknüpft, und Indego, die Mittelständlern eine cloudbasierte Plattform zur digitalen Zusammenarbeit bietet.

Die Entwickler der Degussa, die den digitalen Bankshop entworfen haben, sollen ebenfalls – zumindest teilweise – abgespalten werden. „Wir separieren die Entwicklung, Weiterentwicklung und den Verkauf der Software an Dritte“, sagt Krupp. „Die Degussa Bank wird künftig ein Nutzer dieser Software, die sie bisher selbst produziert.“ Die Idee hinter dem virtuellen Bankshop ist, zu geringen Kosten dem Kunden digitale Nähe zu verschaffen. „Die persönliche Betreuung wird über diesen Weg wieder wirtschaftlich darstellbar“, befindet Krupp. Zudem könnten Mitarbeiter besser ausgelastet werden, „da sie kontaktiert werden können, ohne vor Ort sein zu müssen, sondern irgendwo in Deutschland sitzen“. Zum Jahreswechsel seien 83 digitale Bankshops in Betrieb gewesen. Die Zahl der physischen Filialen, welche die Degussa vor allem in Industrie- und Technologieparks und auf Firmenarealen betreibt, ist hingegen auf 56 geschrumpft. „Mit dieser Größenordnung fühlen wir uns wohl, wenngleich wir natürlich fortlaufend prüfen, ob sich die Standorte wirtschaftlich rechnen“, sagt Krupp. Damit sind in den vergangenen Jahren vier Fünftel der einst 300 Zweigstellen verschwunden.

Patent für Bankshop

Geht es nach Krupp, dann bietet der digitale Shop erhebliches Potenzial, egal in welcher Branche oder Region. „Wir sind deshalb, nach erfolgreicher Patentierung in den USA, gerade dabei, das Patent weltweit in verschiedenen Ländern auszurollen.“ Dass der Shop sich nicht auf das Bankwesen beschränke, bekräftigt Axel Schardt, Leiter Vertriebskanal Management & Product Owner Digitaler Bankshop der Degussa Bank. „Er bietet sich auch beispielsweise für Behörden, Krankenkassen, Versicherungen, Energie- oder Steuerberater und alle Anbieter von erklärungsbedürftigen Produkten an.“

Ihm zufolge braucht sein Team 15 Minuten, um einen digitalen Bankshop zu eröffnen, also eine virtuelle Degussa-Bank-Filiale, zum Beispiel bei Siemens oder Bayer. „Wir können diesen Kanal auch jedem beliebigen Unternehmen anbieten – als Software-as-a-Service-Lösung“, sagt Schardt. „Das ist der nächste Schritt, den wir nun gern verproben möchten. Einzige Voraussetzung ist, dass die entsprechende Firma Microsoft-Technologie verwendet.“

Auch die Verknüpfung der Online-Bankfiliale mit bankfremden Anbietern als Teil eines digitalen Ökosystems sei problemlos gegeben. „Wir haben beispielsweise ein virtuelles Stockwerk über einer Degussa-Filiale eröffnet, wo künftig digitale Events gemeinschaftlich mit Partnern stattfinden werden. Auch ein Reiseanbieter ist eingezogen.“