Flatex schluckt Rivalen Degiro für 250 Mill. Euro

Europäische Broker-Hochzeit - Großteil des Kaufpreises für holländisches Start-up in Aktien - Leichte Synergien locken - Aktie springt

Flatex schluckt Rivalen Degiro für 250 Mill. Euro

bg Frankfurt – Der europäische Markt für Online-Brokerage erfährt mit der Übernahme von Degiro durch Flatex eine Konsolidierung. Mit der Akquisition wird Flatex in mehr als 15 europäischen Ländern präsent sein. In Degiros Heimatmarkt Niederlande war Flatex erst im vergangenen Jahr eingestiegen.Als Kaufpreis wurden 250 Mill. Euro vereinbart, davon können die Deutschen 190 Mill. Euro in eigenen Aktien bezahlen. Dazu soll das Kapital um 7,5 Millionen Aktien zu einem Preis von 25,33 Euro erhöht werden und an die jetzigen Degiro-Gesellschafter gehen. Die restlichen 60 Mill. Euro bezahlt Flatex bar. 9,5 % an Degiro hat sich der Frankfurter Broker bereits gesichert. Am Aktienmarkt wurde die Transaktion freundlich aufgenommen. Die im Marktsegment Scale gehandelte Flatex legte zur Handelseröffnung 12 % zu auf 24,05 Euro, was die Marktkapitalisierung auf 455 Mill. Euro stellt. Expansion in EuropaDie Kostensynergien beziffert Flatex-Chef Frank Niehage auf 30 Mill. Euro pro Jahr. Mittelfristig stellt er einen Umsatz von 300 Mill. Euro sowie einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 150 Mill. Euro und ein Ergebnis je Aktie von 3 Euro in Aussicht.Flatex ist bislang in Deutschland, Österreich und den Niederlanden tätig. Niehage hatte aber geplant, mit der Marke Flatex außerdem nach Frankreich, Italien, Schweden und Spanien zu expandieren. In diesen Märkten ist Degiro bereits aktiv, außerdem in Großbritannien und Skandinavien. In Deutschland war Degiro vor ein paar Jahren als Billig-Broker gestartet und mit TV-Spots für den Kundenfang präsent. Skaleneffekte schaffenHeute hat Degiro europaweit 470 000 Kunden, für die im Jahr 18,6 Millionen Transaktionen abgewickelt werden. Zum Vergleich: Flatex wickelt 11,5 Millionen Transaktionen für 306 000 Kunden ab. Beide kommen dabei für sich auf einen Tradeflow von 200 Mrd. Euro pro Jahr. Aus der verbesserten Einkaufsmacht von Handels- und Wertpapierdienstleistungen aus diesem Flow soll künftig mit zusätzlich 15 bis 20 Mill. Euro ein großer Teil der angestrebten Synergien erzielt werden. Außerdem zahle Flatex bislang einen zweistelligen Millionenbetrag für Settlement-Dienste an Clearstream, so Niehage.Bei der Vermarktung des Orderflow an Dienstleister wie Lang & Schwarz erhalten die Frontend-Broker Rückvergütungen, die höher ausfallen, wenn noch mehr Geschäft angetragen wird. In den USA finanziert sich der Gratis-Broker Robinhood fast ausschließlich über die Rückvergütungen des Flow-Partners Citadel. In Deutschland sind mit Trade Republic und Just Trade erste Gratis-Broker an den Markt gegangen, auch Niehage liebäugelt mit dem Gratishandel.Weitere Synergien will Niehage daraus gewinnen, dass die Degiro-Konten künftig bei der Flatex Bank geführt werden. Degiro ist nur mit einer Lizenz als Wertpapierhandelsbank unterwegs und muss solche Dienstleistungen einkaufen. Außerdem werde das bislang bei ABN Amro geführte Kreditbuch auf Flatex verlagert, sagt Niehage. Flatex wiederum könne künftig den bislang nur bei Degiro erhältlichen Futures- und Optionshandel anbieten.Niehage will aus dem Zusammenschluss einen “europäischen Champion” schmieden, der allein 2019 kombiniert 200 000 Neukunden gewonnen habe – wenn sich das Wachstumstempo halten lässt, würde man der Millionenmarke schon 2020 nahekommen. In Deutschland kommt die neue Flatex auf einen Marktanteil von 20 %.Kostensynergien von 10 bis 15 Mill. Euro will Flatex aus der kombinierten IT in den Datencentern holen. Beide Broker haben selbstprogrammierte Plattformen, die komplementär seien. Mit der Degiro-Akquisition stellt die Marke Flatex zunächst ihre Auslandsexpansion in weitere Länder ein, da Degiro dort schon präsent ist und nun der Fokus auf Hebung der Synergien besteht. Der Konzern wird eine Zweimarkenstrategie fahren.Niehage bekundet, mit dem Degiro-Kauf habe man das Beste aus der vor fünf Monaten eingeläuteten Strategieprüfung rausgeholt. Dabei stand auch ein Verkauf des Unternehmens auf der Agenda – während Niehage und sein Team fleißig die Option Degiro verfolgten. In dem Bieterprozess habe man einige Private-Equity-Investoren sowie einen Strategen aus dem Feld geschlagen, so Niehage. Auch wenn man nun ein hohes Multiple zahle, so sei das angesichts der Synergien doch ein fairer Preis. Geringe KapitalbindungDegiro steht für operative Einnahmen von 60 Mill. Euro (Flatex: 133 Mill. Euro), aus denen ein Ebitda von 13,7 Mill. Euro (Flatex: 40,3) gezogen wird. Netto dürfte Degiro in diesem Jahr 10 Mill. Euro verdienen gegenüber 19 Mill. Euro bei Flatex. Dabei operiert Degiro als reiner Discount-Broker auf schmaler Eigenkapitalbasis von 26 Mill. Euro, während die mit Banklizenz operierende Flatex ein Eigenkapital von 186 Mill. Euro aufweist. Mit Abschluss der Transaktion werden die Degiro-Gründer 27,7 % an Flatex halten. Gründer und Großaktionär Bernd Förtsch wird von 23,6 % auf 17,1 % verwässert. Die Beteiligungsgesellschaft Heliad kommt dann auf 7 %, 45 % gelten als Free Float. – Wertberichtigt Seite 6 Personen Seite 12