Im Gespräch:Oliver Behrens, CEO Flatexdegiro

„Wir haben die finanzielle Feuerkraft“

FlatexDegiro-Chef Oliver Behrens geht davon aus, dass mit dem Wegfall der Rückvergütungen einige Neobroker ins Trudeln kommen werden. Daraus könnten sich Chancen für Zukäufe ergeben, so Oliver Behrens im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

„Wir haben die finanzielle Feuerkraft“

IM GESPRÄCH: OLIVER BEHRENS

„Wir haben die finanzielle Feuerkraft"

Der FlatexDegiro-Chef forciert nach Erledigung regulatorischer Hausaufgaben die strategische Weiterentwicklung des Frankfurter Brokers

bg/fed Frankfurt
Von Björn Godenrath
und Detlef Fechtner, Frankfurt

Bei FlatexDegiro war in den vergangenen Jahren für Unterhaltung gesorgt: Mit Gründer und Großaktionär Bernd Förtsch an der Spitze rebellierten die Anteilseigner gegen den langjährigen Vorstandschef Frank Niehage, der dann Ende April 2024 seinen Hut nahm. Im Oktober übernahm der langjährige Morgan-Stanley-Deutschlandchef Oliver Behrens, der FlatexDegiro in der Funktion als Produktlieferant und Aktionär begleitet hatte, den CEO-Posten beim Frankfurter Broker.

Regulatorische Aufgaben sind erledigt

Seine Mission: Altlasten abarbeiten, nachdem ein Sonderbeauftragter der BaFin das Haus erst im Herbst verlassen hatte, und FlatexDegiro strategisch weiterentwickeln. „FlatexDegiro musste bekanntermaßen einige regulatorische Hausaufgaben erledigen. Das liegt nun hinter uns. Wir konzentrieren uns auf das Geschäft und neue Produkte. Wir sind back to business“, so Oliver Behrens im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Wir haben Krypto-Produkte mit einem Preisangebot deutlich unter den üblichen Gebührenmodellen im Markt lanciert - und das rollen wir jetzt in andere europäische Länder aus.

Was sichtbar neu ist, das ist der Kryptohandel – was ja auch schon lange ein Wunsch war vom Großaktionär. Auf das, was FlatexDegiro da hingestellt hat, ist Behrens sichtbar stolz. „Wir haben Krypto-Produkte in Deutschland lanciert – mit einem Preisangebot deutlich unter den üblichen Gebührenmodellen im Markt. Wir rollen dieses Angebot auch in anderen europäischen Ländern aus, zunächst in Österreich, Niederlande, Frankreich und Spanien. Die Logik lautet, dass wir alle Produktgruppen in allen Ländern anbieten wollen, aber nicht zwingend für alle Kundengruppen. Denn wir müssen darauf achten, dass die Wertpapierprodukte für die Kunden geeignet sind.“

Die Wertpapierleihe kommt

Ein weiteres Puzzleteil im Leistungsportfolio, das Niehage schon vor Jahren geplant hatte, stellt Behrens für die kommenden Monate in Aussicht. „Wir werden die Wertpapierleihe für Privatkunden einführen, zunächst im Spätherbst in den Niederlanden. Damit können unsere Kunden in gewisser Weise zusätzlich Zinsen auf Wertpapiere erwirtschaften, was bisher nur institutionellen Anlegern möglich ist. In den Niederlanden gibt es dafür bereits die entsprechenden Rahmenbedingungen, hierzulande brauchen wir noch etwas Zeit, bevor wir die Wertpapierleihe anbieten können.“

Arbeiten an integrierter Brokerage-Plattform sollen finalisiert werden

Auch gut fünf Jahre nach der Degiro-Transaktion gibt es bei Infrastruktur und Prozessen immer noch Lücken bei der Integration. „Flatex und Degiro sind noch nicht vollständig zusammengewachsen. Wir haben natürlich Risikomanagement, Buchhaltung und andere wichtige Bereiche konsolidiert. Jetzt geht es um das Herzstück, die Brokerage-Plattform. Da haben wir in den nächsten zwei Jahren noch einige Aufgaben zu erledigen. Denn unsere Plattform muss skalierbar sein und Skaleneffekte ermöglichen.“

Die Konsolidierung im Brokermarkt ist noch nicht vollzogen. Hier kann das Ende von Payment for Order Flow (PFOF) ein Trigger sein, denn einige Geschäftsmodelle im Markt leben sehr stark davon.

Wachsender Markt

Dabei befindet sich FlatexDegiro grundsätzlich in einem florierenden Markt, entdecken doch immer mehr private Anleger das Aktiensparen, was mit dem Aufkommen der Neobroker eine neue Dynamik entstehen ließ. Es herrscht Verdrängungswettbewerb in einem wachsenden Markt – dem aber wegen regulatorischer Weichenstellungen mit dem Wegfall der Rückvergütungen Veränderungen bevorstehen. „Die Konsolidierung im Brokermarkt ist noch nicht vollzogen. Hier kann das Ende von Payment for Order Flow (PFOF) ein Trigger sein, denn einige Geschäftsmodelle im Markt leben sehr stark davon. Das heißt, es kann im nächsten Jahr Situationen geben, wo einige Anbieter einem realen Stresstest unterzogen werden.“

Lauern auf die Gelegenheit für Zukäufe

Und Behrens geht davon aus, dass nicht alle Anbieter diesem Stresstest standhalten können. „In solchen Situationen können sich Akquisitionschancen ergeben. Aber der Preis muss stimmen, damit wir Wert für unsere Aktionäre schaffen, und wir müssen auch die Integration schultern können. Wir sind profitabel und haben die finanzielle Feuerkraft, sehen aber auch ausreichend Potenzial für organisches Wachstum." Dass sich Werte für die Aktionäre schaffen lassen, das zeigt der Kursverlauf der Aktie: Im Oktober notierte das Papier bei Kursen um 14 Euro, heute steht die Aktie nahe 24 Euro – und kratzt an der Marke von 2,6 Mrd. Euro Marktkapitalisierung.

Im März stieg FlatexDegiro zusammen mit der DWS Group – wo Behrens Aufsichtsratschef ist – und Renk in den MDax auf. Ein solcher Aufstieg macht eine Aktie interessanter für institutionelle Anleger.

Der Umsatzmix wird diversifiziert

Der große Wandel im Markt, der das gesamte Wertpapiergeschäft beflügelt, ist das Entstehen der Anlegerklasse der selbstbestimmten Privatkunden. „Das Geschäft mit Privatanlegern, die ihre finanzielle Vermögensplanung selbst in die Hand nehmen wollen, birgt ein riesiges Wachstumspotenzial. Wir glauben, dass sich die Welle derer, die systematisch eigenverantwortlich mit Wertpapieren sparen, nicht aufhalten lässt. Und wir werden uns um diese Kunden kümmern. Dafür erweitern wir auch die Produktseite mit Festgeld-Angeboten sowie perspektivisch individuellen Aktiensparplänen. Außerdem wollen wir damit unseren Umsatzmix diversifizieren und weniger stark vom Handelsvolumen abhängig sein."

„Zu wenig Wertpapierbesitzer“

Noch allerdings mangelt es Behrens zufolge an Unterstützung des Wertpapiersparens durch die Politik. „Es gibt zu wenig Wertpapier- und Assetbesitzer in Deutschland und bei Spareinlagen ist die Verzinsung zu gering. Das hat zur Folge, dass das relative Vermögen der Deutschen in Europa schwindet. Das führt zu politischer Instabilität – das wiederum macht das Land weniger attraktiv für ausländische Anleger, die heute den deutschen Aktienmarkt dominieren.“

Wir brauchen eine Vermögensbildung in breiten Schichten der Bevölkerung. Es geht darum, dass jeder mit kleinen Beträgen ein vernünftiges Vermögen entwickeln kann, solange er über eine längere Zeit hinweg investiert.

Sein Credo ist, dass FlatexDegiro ihre Kunden beim Vermögensaufbau unterstützt, damit diese sich ihre eigenen finanziellen Träume realisieren können. „Da geht es nicht darum zu zocken, sondern nachhaltig zu investieren. Das gilt manchen politischen Kräften als Reichenförderung, was absurd ist. Wir brauchen eine Vermögensbildung in breiten Schichten der Bevölkerung. Es geht darum, dass jeder mit kleinen Beträgen ein vernünftiges Vermögen entwickeln kann, solange er über eine längere Zeit hinweg investiert. Ich hoffe daher auf eine neue Ehrlichkeit aller Beteiligten.“

Bislang steht aber auf der politischen Seite mit der Frühstartrente erst ein Modul für die Förderung. „Wir brauchen die private Altersvorsorge als dritte Säule. Und wir brauchen größere Beträge. Eine Frühstartrente mit zehn Euro monatlich zwischen sechs und 18 Jahren ist ein Schritt in die richtige Richtung, löst das Problem aber nicht. Wir sollten uns außerdem auf ein System der Förderung festlegen und das durchhalten.“

Das Gespräch führten Björn Godenrath und Detlef Fechtner.

FlatexDegiro ist nach Einschätzung seines Vorstandschefs „back to business“. Nach der Erledigung regulatorischer Hausaufgaben konzentriert sich der Broker auf Geschäft und Produkte. Im Herbst steht in den Niederlanden die Einführung der Wertpapierleihe für Privatkunden auf dem Programm.

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