Flowers macht jetzt auch in Fintech
Von Björn Godenrath, FrankfurtJames Christopher Flowers lässt sich nicht so leicht abschrecken. Auch wenn er mit so gut wie allen seiner Investments in Deutschland Schiffbruch erlitten hat, von Geschäften mit der Finanzbranche in dem Landstrich zwischen Flensburg und Berchtesgaden kann der US-Milliardär einfach nicht die Finger lassen. Sein neuestes Investment hört auf den Namen Kreditech und gehört, wie der Name schon nahelegt, zur Spezies der Fintechs. Das sind jene auf Finanztechnologie spezialisierten Start-ups, die den Banken weltweit Beine machen, ihr Geschäft zu digitalisieren. Risiko eine Nummer kleinerDass Flowers’ Auge auf die Hamburger Kreditech gefallen ist, kommt nicht von ungefähr, gilt die von Sebastian Diemer mitgegründete und als CEO geführte Gesellschaft doch als exponiertester Vertreter der deutschen Szene, der als solcher auch US-Gelder in signifikantem Volumen anziehen kann. Eine Serie von Brückenfinanzierungen weckte zuletzt aber Zweifel an der Tauglichkeit des Kreditech-Geschäftsmodells, das bislang mit starker Schlagseite auf Mikrokredite in ost- und südeuropäischen Ländern setzt. Künftig sollen die Ausleihungen eine Nummer größer sein und das Risiko eine Nummer kleiner.Herz einer solchen Fintech-Unternehmung ist die Risiko- und Bonitätsmaschine, die neben herkömmlichen Finanzstammdaten (am Markt käuflich zu erwerben) auf die mit dem eigenen Big-Data-Filter gewonnen Scoring-Profile zurückgreift. Mitunter gehören Social-Media-Profile dazu, der Nutzen soll für eine Kreditentscheidung aber eher untergeordnet sein, so ein Internet-Kreditvermittler kürzlich im Hintergrundgespräch.Kreditech jedenfalls will in Schwellenländern wachsen, die noch kein Schufa-System kennen, und dort, auf unbetretenem Terrain, mit den Algorithmen ihrer Bonitätsprüfung punkten – in einem routinierten PR-Schwenk wird für das Schwellenländer-Engagement schon mal das Schlagwort “finanzielle Inklusion” – aktiviert. Für kommendes Jahr steht Brasilien auf der Expansionsliste – die können derzeit jeden Real gebrauchen, der ins Land fließt.Dass Kreditech noch hohe Fehlbeträge einfährt, darf dabei nicht irritieren. Und Flowers ist ein Finanzinvestor, der gerne mal die höhere Risikoklasse fährt. Das hat seinen Investoren mitunter empfindliche Verluste beschert. Sein über J. C. Flowers 2006 aufgesetzter zweiter Fonds wies per Ende August eine negative Nettorendite von 13 % aus, was das 7 Mrd. Dollar schwere Vehikel ans unterste Ende der Performance-Skala befördert. Zusammen mit Credit Suisse als Berater erwägt Flowers eine Restrukturierung des am Ende seines Zyklus angelangten Vehikels. Er will mehr Zeit für das Losschlagen von Ladenhütern gewinnen und überlegt, die Fondsinvestoren mit einem Abschlag auf ihr ursprüngliches Commitment auszuzahlen und zudem zusätzlich Cash von neuen Geldgebern zu injizieren, um eine wertschonende Abwicklung des Flowers II zu ermöglichen. Ein klitzekleines ProblemDass dieses Vehikel so böse unter Wasser steht, liegt nicht zuletzt an den gut 2 Mrd. Dollar, die Flowers in Deutschland bei der ehemaligen Hypo Real Estate und der HSH Nordbank versenkt hat. Es war eine bittere Zeit für den ehemaligen Goldman-Sachs-Partner, der seine Selbständigkeit als Finanzinvestor mit einem Milliardengewinn bei der japanischen Shinsei Bank begann und bei Ausbruch der Finanzkrise im September 2008 von den Wall-Street-Größen zu Hilfe gerufen wurde, um Deals zur Rettung des Sektors zu stemmen. Der Legende nach hatte Flowers nach Einsicht in die austrocknende Liquiditätsplanung von AIG seinen alten Goldman-Sachs-Kollegen Hank Paulson, seinerzeit US-Finanzminister, beiseite gezogen und auf das klitzekleine AIG-Problem aufmerksam gemacht. Auch beim Kauf von Merrill Lynch durch Bank of America komplett in Aktien war er auf der Erwerberseite in seiner alten Rolle als M & A-Berater aktiv, bei Lehman Brothers studierte er unmittelbar vor dem großen Knall die Bücher. Und für 90 % an Bear Sterns wollte er 3 Mrd. Dollar auf den Tisch legen, bekam aber nicht die Finanzierung zusammen und damit auch keine Unterstützung der liquiditätsstiftenden Notenbank Federal Reserve.Seitdem wird geunkt, Flowers sei vor allem für die Deals bekannt, die er nicht gemacht habe. Diesen Spott kann man leichter ertragen, wenn man wie der 57-Jährige über ein Vermögen von mehr als 1 Mrd. Dollar verfügt. Schachspieler Flowers kommt immer mit einem gewissen Nerd-Charme daher – wobei er heute locker behaupten kann, mit der Hipster-Brille seiner Zeit schon immer voraus gewesen zu sein. Zwischenzeitlich war er mal von New York nach London umgesiedelt, kehrte aber vergangenes Jahr zurück in den Big Apple. Das Feriendomizil des Segelfreunds – kein ungewöhnliches Hobby für den Sohn eines Marineoffiziers – liegt an der Küste von Maine, ein rauer Streifen Natur. Wenn er sich in Europa aufhält, schippert er am liebsten durch kroatische Buchten. Neuer Fonds gut im PlusFür Entspannung bei Flowers dürfte auch gesorgt haben, dass sein jüngster, 2,6 Mrd. Dollar schwerer dritter Fonds zweistellig im Plus liegt und der Wind damit gedreht haben sollte. Flowers hat stärker diversifiziert und mehr in die europäische Assekuranz investiert, auch die Beteiligungen an britischen Banken und Finanzdienstleistern werfen Rendite ab.Für sein Kreditech-Investment schlägt die Stunde der Wahrheit beim angestrebten Börsengang, der frühestens im Sommer 2016 stattfinden könnte, wahrscheinlich am Frankfurter Finanzplatz. Denn dann ist die Exit-Gelegenheit für Risikokapitalgeber wie Flowers gekommen. Dass der jetzt auch in Fintech macht, dürfte sich schnell herumsprechen.