LEITARTIKEL

Fusion oder Folklore

Tun sie es, oder tun sie es nicht? Die Frage wurde in diesem Jahr an dieser Stelle schon einmal gestellt. Die Antwort gab es im April, 39 Tage nachdem Deutsche Bank und Commerzbank miteinander angebandelt hatten. Sie haben es bekanntlich nicht...

Fusion oder Folklore

Tun sie es, oder tun sie es nicht? Die Frage wurde in diesem Jahr an dieser Stelle schon einmal gestellt. Die Antwort gab es im April, 39 Tage nachdem Deutsche Bank und Commerzbank miteinander angebandelt hatten. Sie haben es bekanntlich nicht getan: zusammenzugehen.Nun startet am Bankenplatz Frankfurt ein neuer Anlauf. DekaBank und Helaba tun zumindest mal eines: Sie werden im Januar Gespräche aufnehmen und je nach Lesart – da fängt der Kuddelmuddel an – über eine “vertiefte Zusammenarbeit” (Deka) respektive einen “Zusammenschluss” und die Bildung eines “leistungsfähigen Zentralinstituts der Sparkassen-Finanzgruppe” (Helaba) reden. Gibt es überhaupt eine Schnittmenge zwischen diesen schon in der Wortwahl recht unterschiedlichen Aufträgen der jeweiligen Verwaltungsräte?Doch zunächst einmal zu einem nicht totzukriegenden Vorurteil. Der Ruf nach einer Bankenkonsolidierung wird ja, etwa von Aufsichts- oder politischer Seite sowie von Kommentatoren, gerne mit der Behauptung unterlegt, gerade Deutschland sei overbanked, und die Akteure verweigerten sich der überfälligen Strukturbereinigung. Pardon, das ist Mumpitz. In Westdeutschland gab es in den 1950er Jahren weit mehr als 13 000 Banken. Heute sind es in der größeren Bundesrepublik keine 1 800 mehr. Um bei den Landesbanken zu bleiben: Die existierten noch 2003 im Dutzend (ohne DekaBank). Heute bilden diese Institute, die atypische LB Berlin nicht mitgezählt, ein Quintett. Und die Bilanzsumme der Gruppe ist in der Dekade nach der Lehman-Pleite um nicht weniger als 45 % geschrumpft. Gerade die regionalen Spitzeninstitute der Sparkassen brauchen mithin keine Belehrungen über die Notwendigkeit von Konsolidierung. Die können das.Richtig ist indes, dass es in aller Regel die Not war, die die Girozentralen den Abbau von Risiken und das Fusionieren lehrte. Notgedrungen verschwanden Badische Kommunale Landesbank, Sachsen LB, Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP), WestLB und Bremer Landesbank von der Bildfläche beziehungsweise gingen ganz oder in Teilen in anderen Häusern auf. Die aus dem Zusammenschluss der Landesbanken von Hamburg und Kiel entstandene HSH Nordbank wurde privatisiert (jetzt Hamburg Commercial Bank). Die Nord/LB bleibt derweil dank der milliardenschweren Rettung durch die Steuerzahler und die Sparkassenorganisation zumindest bis auf Weiteres eigenständig.Bei Deka und Helaba ist die Ausgangslage eine andere. Beide können zusammenarbeiten oder fusionieren, müssen es aber nicht. Wenn sie es tun, dann aus einer jeweiligen Position der Stärke. Ob sie es aber tun werden, unabhängig davon, ob später weitere Schritte zu einer einheitlichen Sparkassen-Zentralbank folgen sollen oder nicht, ist höchst fraglich. Dagegen spricht zunächst die historische Evidenz. Fast alle Versuche, die Kräfte ohne Not, also freiwillig, strategisch vorausschauend zu bündeln, sind gefloppt, ob als “Banane” (nach der geografischen Form eines Gebildes von Stuttgart bis Kiel), “Südschiene” (Helaba mit BayernLB oder LBBW), “Rhein-Main-Powerhouse” (Helaba mit LRP) oder gar “Alle unter einem Dach”, also das Vorhaben von 1989, aus dem Deka-Vorläufer Deutsche Girozentrale eine wahre Superlandesbank zu schmieden.Von der Geschichte abgesehen: Deka und Helaba trennen nicht nur die 480 Meter oder sechs Minuten Fußweg zwischen Trianon und Main Tower sowie – das wäre ja hier sogar von Vorteil – ihre unterschiedlichen, aber teilweise komplementären Geschäftsmodelle, sondern vor allem ihre Anteilseignerstrukturen. Die Landesbank gehört zu 88 % Sparkassen, überwiegend den hessischen und thüringischen, und zu kleineren Teilen den Ländern Hessen und Thüringen. Das Wertpapierhaus Deka ist komplett im Eigentum der Sparkassen, und zwar auch derjenigen in Regionen (teils mit eigenen Landesbanken), die weder bei einem neuen Spitzeninstitut mitmachen noch das Entstehen eines noch mächtigeren familieninternen Wettbewerbers in Frankfurt zulassen wollen. Das macht die Sache so komplex.Die Gremien der Deka und der aktuell mit der Umsetzung eines tiefgreifenden Effizienz- und Wachstumsprogramms beschäftigten Helaba wären gut beraten, sich nach straffen Zeitvorgaben Klarheit zu verschaffen, wie weit sämtliche Eigentümer den Weg zu einer Fusion mitzugehen bereit sind. Für Folklore müssen die Beteiligten ihren Kalender nicht strapazieren. Die 2020er Bilanztermine von Helaba (25. März) und Deka (7. April) sind bekannt. Bis dahin sollte grundsätzlich entschieden sein, ob sie es tun wollen. ——Von Bernd WittkowskiDekaBank und Helaba können, müssen aber nicht fusionieren. Die historische Evidenz und die Eigentümerstrukturen machen eine Fusion unwahrscheinlich.——