DIE WIEDERENTDECKUNG DER EUROPÄISCHEN BANKAKTIEN

Geldhäuser zwischen Brexit und Corona

Britischer Sektor koppelt sich von Europa ab

Geldhäuser zwischen Brexit und Corona

bet London – Eine britische Bank ist nicht unbedingt eine britische Bank, und das wirkt sich an der Börse aus. So etwa Standard Chartered, eines der größten Finanzinstitute des Landes, dessen Aktienkurs eigenen Gesetzen folgt: Seit Mitte Januar haben die Titel 12 % verloren und wollen sich nicht wieder aufrappeln. Standard Chartered ist fast ausschließlich als Kreditgeber und Bank für Geschäftskunden in Asien tätig und stark in Hongkong exponiert. Die Sorge um die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus hält die Anleger zurück.In einem gewissen Maß gilt das auch für HSBC, gemessen an den Vermögenswerten Europas größte Bank. Sie ist auch vor allem in Asien tätig und will diesen Schwerpunkt noch ausbauen, doch Teile des Geschäfts bleiben in Europa und den USA. HSBC-Aktien konnten sich von dem Januareinbruch erholen und lagen nicht weit unter einem Mitte Dezember erreichten Zwischenhoch – bis sie am Dienstag die Ankündigung der Umbaupläne zurückwarf. Das Zwischenhoch im Dezember geht auf den deutlichen Sieg von Premierminister Boris Johnson bei der Parlamentswahl zurück. Für jene Banken, die sich stärker auf den britischen Inlandsmarkt konzentrieren als Standard Chartered und HSBC, resultierte sogar ein neues oder fast ein neues Jahreshoch. Für sie zählt die heimische Konjunktur, und deren Aussichten werden vom Brexit bestimmt. Von Mitte Oktober, als die Furcht vor einem ungeregelten EU-Ausstieg grassierte, bis zum klärenden Wahlergebnis im Dezember legten Aktien der Lloyds Banking Group, der Royal Bank of Scotland und von Barclays rund ein Drittel zu.Der Ausgang der Wahl bedeute ein verlässlicheres politisches Umfeld für den Finanzplatz als jemals seit dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2014, kommentiert Standard & Poor’s. Für Euphorie besteht dennoch kein Anlass: Von dem Wahlhoch haben sich die Banken inzwischen wieder verabschiedet. Bei Lloyds beträgt das Minus seit Jahresbeginn 12 %, bei der internationaler aufgestellten Barclays 2 %. Nach dem Brexit ist eben vor dem Brexit: Zwar ist der EU-Ausstieg des Vereinigten Königreichs vollzogen, aber ob bis Ende des Jahres ein Freihandelsabkommen mit Brüssel vereinbart werden kann, ist ungewiss. Das wird für den Konjunkturverlauf entscheidend sein. Immerhin Einstiegspotenzial erkennt die UBS und betont die attraktive Bewertung der inländisch orientierten Finanzinstitute. Auch Barclays kommentiert, die Notierungen seien historisch gesehen günstig – aber das sei bei den meisten europäischen Wettbewerbern auch der Fall.