Bilanzskandal

Gericht lehnt Aussetzung des Wirecard-Prozesses ab

Im Wirecard-Prozess ist die Verteidigung von Ex-Ceo Markus Braun mit einem neuerlichen Antrag zur Aussetzung des Verfahrens gescheitert.

Gericht lehnt Aussetzung des Wirecard-Prozesses ab

Keine Aussetzung des Wirecard-Prozesses

dpa-afx München

Im Wirecard-Prozess ist die Verteidigung des angeklagten früheren Vorstandschefs Markus Braun mit einem neuerlichen Antrag zur Aussetzung des Verfahrens um den größten deutschen Bilanzskandal seit 1945 gescheitert. Die vierte Strafkammer des Landgerichts München I lehnte das am Mittwoch ab. Brauns Anwälte hatten im August einen Stopp des Prozesses mit dem Vorwurf gefordert, dass umfangreiche neue Unterlagen und Beweismittel ausgewertet werden müssten. Der Vorsitzende Richter Markus Födisch erklärte dagegen am 104. Prozesstag, es gebe keine grundlegend neue Sachlage.

Braun ist der einzige der drei wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs angeklagten früheren Wirecard-Manager, der noch in Untersuchungshaft sitzt.

Kernvorwurf der Anklage ist, dass die drei Manager gemeinsam mit mehreren Komplizen über Jahre Scheinumsätze in Milliardenhöhe erfanden. Eine Aussetzung wäre nach Strafprozessordnung keine bloße Unterbrechung: Die Hauptverhandlung müsste stattdessen von vorn beginnen.

Gegenseitige Anschuldigungen

Kronzeuge Oliver Bellenhaus – ehedem für Wirecard in Dubai tätig – attackierte sowohl Braun als auch den früheren Wirecard-Chefbuchhalter als dritten Angeklagten. Die Fälschung von Geschäftszahlen sei "nur durch die tatkräftige Unterstützung durch Herrn Dr. Braun" und den Chefbuchhalter möglich gewesen. Letzterem warf Bellenhaus vor, persönlich an der Fälschung von Geschäftszahlen beteiligt gewesen zu sein, und präsentierte eine Mail seines Mitangeklagten, die das belegen sollte.

Die Anschuldigungen waren Teil von Bellenhaus' Antworten auf einen Katalog von 273 schriftlichen Fragen, den Brauns Verteidiger vorgelegt hatten. Eine mündliche Befragung durch Brauns Verteidiger hatte Bellenhaus in der Anfangsphase des Prozesses abgelehnt. "Hier liegt schon ein krasser Verstoß gegen das Konfrontationsrecht vor", kritisierte Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm. Brauns Verteidigung weist die Anklage zurück und wirft stattdessen Bellenhaus und Komplizen vor, bis zu 2 Mrd. Euro echter Erlöse veruntreut zu haben.

Die Verteidigung des ehemaligen Chefbuchhalters beantragte "Verwertungsverbot" für Bellenhaus' Antworten. Das bedeutet, dass die Kammer die Aussagen für das Urteil nicht heranziehen soll. Richter Födisch reagierte verblüfft, da die Anwälte sich mit schriftlichen Antworten von Bellenhaus einverstanden erklärt hatten: "Genau das, was hier passiert ist, haben Sie doch selbst beantragt."

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