Gericht verurteilt Urteil gegen die Deutsche Bank
Von Michael Flämig, MünchenDie Verurteilung der Deutschen Bank durch das Oberlandesgericht (OLG) München im Jahr 2012, die zu einer Vergleichszahlung von 925 Mill. Euro an die Rechtsnachfolger des Medienkonzerns Leo Kirch führte, fußt auf einer falschen These. Diese Feststellung ist Kern des schriftlichen Urteils des Landgerichts München, das fünf Monate nach Ende des Strafprozesses gegen fünf ehemalige Manager der Bank vorliegt. Der Prozess habe ergeben, dass die Beweismittel “die zentrale These des OLG nicht bestätigten”, schreiben Richter Peter Noll und seine Kollegen in dem 268-seitigen Urteil. Sein Senat hatte die Angeklagten daher freigesprochen von dem Vorwurf, vor dem OLG falsch ausgesagt zu haben. Der damalige Vergleich stand nicht zur Debatte, er bleibt rechtsgültig.Das OLG habe damals seine Rechtsauffassung einer sittenwidrigen Schädigung von Kirch durch die Bank auf der These aufgebaut, so stellt Noll fest, dass das Kreditinstitut ein Interesse an einem Beratungsmandat von Seiten der Kirch-Gruppe gehabt habe. Mehr noch: Der damalige Vorstandschef Rolf Breuer habe ein TV-Interview mit Bloomberg im Februar 2002 dazu genutzt, dieses Interesse – durch Andeutungen über eine fehlende Kreditwürdigkeit von Kirch – durchzusetzen.Es “bestand ein solches Interesse in Wirklichkeit nicht”, stellt dagegen das Landgericht fest: “Keiner der Angeklagten verfolgte das Ziel, ein Mandat von Dr. Kirch zu erlangen.” Noll argumentiert, in einer Vorstandssitzung am 29. Januar 2002 sei laut Protokoll keineswegs das Anstreben eines Mandats von Kirch beschlossen worden, sondern diese Möglichkeit nur erwogen worden – vor allem, um einen Interessenkonflikt bei einer etwaigen Annahme von Drittmandaten zu vermeiden. Die Fragen im Interview seien erwiesenermaßen nicht abgesprochen worden, stellt das Gericht fest. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, “dass sich Dr. Breuer in wenigen Sekunden entschlossen haben könnte, einen perfiden Plan umzusetzen”.Überlegungen von Investmentbankern der Deutschen Bank, die ein Kirch-Geschäft umrissen hatten, misst Noll keine Bedeutung bei. Er weist auf eine Zeugenaussage hin, die dies als “big picture bullshit” bezeichnete – also als Projektüberlegungen mit geringer Umsetzungschance, von denen zudem die meisten Angeklagten nichts erfuhren. Schwammige KonditionalitätNicht miteinander in Einklang zu bringen seien die Angaben der Angeklagten hinsichtlich der “Konditionalität”, stellt Noll fest – also der Frage, ob Breuer den Kunden Kirch unmittelbar nach der Diskussion des Vorstands ansprechen sollte oder erst, wenn ein Dritter eine Beratung in Sachen Kirch-Übernahme von der Bank haben wollte. Die divergierenden Aussagen erklärt sich das Landgericht damit, dass die Angeklagten nicht nur aufgrund ihrer Erinnerung aussagten, sondern sich auch auf Dokumente stützten. Das Landgericht schöpft seine Einschätzung der Konditionalitätsproblematik daher aus dem Vorstandsprotokoll und stellt fest: Entgegen der vom OLG und der Anklage vertretenen Auffassung könne es nicht nur so verstanden werden, dass sofort und ohne jede Bedingung auf Kirch zugegangen werden solle. Breuer habe keinen Auftrag erhalten, Kirch wegen eines Beratungsmandats anzusprechen. Die Schlussfolgerung des Gerichts: “Vorsätzlich falsche Angaben und vorsätzlich falscher Vortrag zur Konditionalität waren daher nicht nachweisbar.” Auch die sogenannten “nicht hilfreichen Dokumente”, die die Staatsanwaltschaft wiederholt als Beleg für ihre Vorwürfe angeführt hatte, belegten in der Gesamtschau aller Beweismittel die Anklage gerade nicht.Den Vergleich über 925 Mill Euro aus dem Februar 2014 wertet Noll nicht als Anerkenntnis einer Schuld. Ein Vergleichsschluss orientiere sich nicht allein am Maßstab der objektiven Wahrheit, sondern vor allem an der Frage des Prozessrisikos. Hinzu sei die Unwägbarkeit des Revisionsverfahrens gekommen: Die tatsächlichen Feststellungen des OLG hätten nur in sehr eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterlegen.Der Staatsanwaltschaft bleiben noch rund drei Wochen Zeit zu entscheiden, ob sie nach Prüfung des schriftlichen Urteils an ihrer Revision festhält. Oberstaatsanwältin Christiane Serini, die als treibende Kraft der Ermittlungen galt, war kürzlich auf eine Stelle als Familienrichterin in Weilheim nahe München gewechselt. Inwieweit Ermittlungen gegen den Ex-Rechtsvorstand Stephan Leithner, die Anwälte der Bank und die Rechtsabteilung (sogenanntes 14er-Verfahren) fortgeführt werden, ist unklar. In der schriftlichen Urteilsbegründung von Noll finden sich tendenziell entlastende Feststellungen für diesen Personenkreis und für den ehemaligen Investment-Banking-Chef Michael Cohrs.