Hansdampf in allen Gassen
Von Sebastian Schmid, New YorkRund 11 000 Stellen will er streichen, 900 Mill. Dollar im Jahr einsparen: Mit einem Paukenschlag hat sich Michael Corbat in seiner neuen Rolle als Chief Executive der Citigroup den Investoren vorgestellt. Bei den eigenen Mitarbeitern ist eine Bekanntmachung mit dem 52-Jährigen indes wohl nicht mehr nötig. In seiner fast 30-jährigen Karriere hat Corbat nur gemeinsam mit seiner Firma den Arbeitgeber gewechselt, wenn diese übernommen wurde. Zweimal war dies der Fall. Sein erster Arbeitgeber Salomon Brothers wurde 1998 von Travelers akquiriert, die dann kurz darauf mit der Citigroup fusionierte. Zeit gewonnenAnleihe- und Derivatehandel, Vermögensverwaltung, Bad-Bank-Betreuung, Europa-Geschäft, Geschäfts- und Privatkunden-Banking – Michael Corbat hat schon in fast jeder Division der Citigroup gearbeitet. Das hat ihm dort den Ruf als Hansdampf in allen Gassen eingebracht und dürfte ihm nun dabei helfen, zu entscheiden, wo der Rotstift anzusetzen ist. Dass dieser zu selten zum Einsatz kam, war letztlich der Grund, dass Vorgänger Vikram Pandit gehen musste. Mit der Verdopplung der von Pandit geplanten Stellenstreichungen gewinnt der Harvard-Absolvent vor allem Zeit. die Kritik von Analysten und Investoren an der zögerlichen Restrukturierung war zuletzt immer lauter geworden. Zögerlich bei Citi Holdings?Ob Corbat tatsächlich der Mann an der Spitze sein kann, der rasch durchgreift, muss sich indes erst noch zeigen. In seiner bisherigen Karriere im Unternehmen wurde ihm zu forsches Vorgehen jedenfalls nicht wirklich vorgeworfen. Vor dem Aufstieg auf den Chefsessel war der ehemalige College-Footballspieler Chef von Citi Holdings, der nach der Finanzkrise gegründeten Bad Bank. Hier wurde ihm von Analysten eher vorgeworfen, zu langsam vorzugehen. Zudem habe er zu wenig Transparenz gezeigt, wenn es darum ging, wie er das Geschäft eigentlich führt. Allerdings wurde die Bilanzsumme von Citi Holdings zuletzt binnen eines Jahres um 31 % zurückgefahren. Keine schlechte Performance, ist sich Corbat sicher.Während er, ähnlich wie sein Vorgänger, nicht als aggressiver Kosteneinsparer gilt, bringt Corbat vor allem moderierende Fähigkeiten und engere Kontakte nach Washington mit. Vorzüge also, die für die Citigroup bei den anstehenden Regulierungsumsetzungen in den kommenden Jahren ebenso bedeutend sein könnten, wie eine striktere Kostenkontrolle. Dem gebürtigen Inder Pandit wurde von US-Medien stets ein eher geschäftsmäßig distanziertes Verhältnis zu Politikern und Aufsichtsbehörden nachgesagt. Corbat ist dagegen schon vor seinem neuen Job des Öfteren nach Washington gereist, um Kontakte zu pflegen. Zu allen Seiten offenZuletzt war er im Oktober dort und hat sich mit Federal Reserve Board Gouverneur Daniel Tarullo getroffen. Dieser ist eng mit der demokratischen Partei verbunden und hat bereits für den verstorbenen Senator Edward Kennedy sowie Präsident Bill Clinton als Berater gearbeitet. Im Januar 2009 wurde Tarullo vom frisch gewählten US-Präsidenten Barack Obama ins Federal Reserve Board berufen. Das Gespräch mit Tarullo mitten im Wahlkampf zeigt, dass Corbat, der den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney finanziell unterstützt hatte, politisch zu allen Seiten gesprächsfähig ist.Schon im College war seine Fähigkeit zur Beziehungspflege augenfällig. In einem Porträt des Footballstars für den “Harvard Crimson” fiel dem Autor auf, dass Corbat in seinem Wohnhaus selbst bei einfachen, älteren Angestellten extrem beliebt war. “Ich gebe ihnen ab und zu Eintrittskarten für unsere Footballspiele”, erklärte Corbat die Vorzugsbehandlung im Currier House, in dem wenige Jahre zuvor noch Bill Gates und Steve Ballmer residiert hatten. Im Football schätze er vor allem den Team-Gedanken, erklärte der in Bristol (Connecticut) geborene Wirtschaftsstudent damals. “Ich glaube nicht, dass ich ohne die anderen Spieler dahin gekommen wäre, wo ich heute bin.” Die Karriere im Investment Banking hatte er sich damals erst vorgenommen. Auch hier dürfte er weiter gekommen sein als ursprünglich erhofft.