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Herausragender Kommentar zum WpHG

Von Miriam Parmentier *) Börsen-Zeitung, 13.2.2019 Der Klassiker Assmann/U.H. Schneider, Wertpapierhandelsgesetz ist in siebter Auflage als Assmann/U.H. Schneider/Mülbert, Kommentar zum Wertpapierhandelsrecht erschienen. Das Wertpapierhandelsgesetz...

Herausragender Kommentar zum WpHG

Von Miriam Parmentier *)Der Klassiker Assmann/U.H. Schneider, Wertpapierhandelsgesetz ist in siebter Auflage als Assmann/U.H. Schneider/Mülbert, Kommentar zum Wertpapierhandelsrecht erschienen. Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) hat seit der letzten Auflage zahlreiche Änderungen erfahren, die unter anderem auf die Umsetzung der Mifid II und der Änderungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie zurückgehen. Bereits die richtlinienbasierten Änderungen verlangten über weite Strecken eine Neukommentierung, die wie gewohnt tiefe wissenschaftliche Durchdringung der schwierigen Materie mit großer Praxisnähe und im schnelllebigen Kapitalmarktrecht besonders bemerkenswerter Aktualität verbindet. Umfassend und aktuellAnzuzeigen ist jedoch in erster Linie nicht weniger als der erste umfassende Kommentar zum Wertpapierhandelsrecht in seiner neuen Gestalt. Denn das um Mülbert verstärkte Herausgebertrio leistet wahre Pionierarbeit, indem der Kommentar als erster die Vereinheitlichung weiter Bereiche des Wertpapierhandelsrechts durch unmittelbar anwendbare EU-Verordnungen seit der Finanzkrise nachvollzieht (wie vom Herausgeber Uwe H. Schneider bereits bei Erscheinen der Vorauflage vorausgesehen, vgl. AG 2012, 823) und erstmals die neue Marktmissbrauchs- (MAR), Marktinfrastruktur- (Emir) und Leerverkaufsverordnung (SSR) vollständig, die Mifir und Priip-Verordnung in allen wesentlichen Teilen kommentiert.Das erweiterte Team ausgewiesener Kapitalmarktexperten aus Wissenschaft, anwaltlicher, Bank- und Aufsichtspraxis erläutert auf nunmehr 3 450 eng bedruckten Seiten (Vorauflage 2 300) die erst jüngst in Kraft getretenen EU-Verordnungen von Grund auf. Dabei gelingt es den Kommentatoren vorzüglich, die zu einzelnen Regelungsmaterien wie z. B. Marktmissbrauch und Leerverkäufe aus der Anwendung des WpHG gewonnenen Erkenntnisse für das neue Verordnungsrecht nutzbar zu machen, so dass die Neukommentierung Kontinuität schafft und sogleich wieder Maßstäbe setzt. Gelungene SystematisierungBekanntlich werden die Unionsrechtsakte der ersten Regelungsebene auf weiteren Regelungsebenen durch eine Vielzahl nachgeordneter Rechtsakte und Erläuterungen ergänzt. Die Praxis wird es sehr zu schätzen wissen, dass der Kommentar die Rechtsakte der zweiten Regelungsebene in ihrer Vielzahl erfasst und jeweils im Zusammenhang mit der ergänzten Norm abdruckt. Das große Verdienst dieses im besten Sinne europäischen Kommentars aber liegt darin, dass er über die Bestandsaufnahme weit hinausgeht und den oft unübersichtlichen, für deutsche Begriffe allzu sehr im Konkreten verharrenden Regelungen mit dem begrüßenswerten Versuch einer Systembildung zu Leibe rückt.Exemplarisch dafür stehen die über 200 Seiten höchst sorgfältiger Kommentierung allein der in den §§ 119 ff. WpHG enthaltenen Straf- und Bußgeldvorschriften durch Wolfgang Spoerr. Er arbeitet auch den Paradigmenwechsel durch die Betonung des Enforcement-Gedankens im kapitalmarktrechtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht heraus, wie es sich im Anschluss an die Mitteilung der Europäischen Kommission von 2010 über die Stärkung der Sanktionen im Finanzdienstleistungssektor (COM(2010)716 final v. 8.12.2010) und die anschließend ergangenen Rechtsakte darbietet. Nicht nur hier regt der Kommentar auch zur rechtspolitischen Reflexion an. Ein vereinheitlichender Effekt geht ferner davon aus, dass auch die Sanktionsnormen betreffend Verstöße gegen Verordnungsbestimmungen in seiner Hand liegen, wie auch die Erläuterungen zur Tätigkeit der Aufsichtsbehörden für alle Rechtsakte von der reichen Praxiserfahrung der insofern besonders berufenen Autorin Doris Döhmel profitieren.Holger Hartenfels stellt bereits bei den Begriffsbestimmungen Bezüge zu anderen Rechtsakten her. Ihm gelingt es in seiner souveränen Kommentierung der Marktinfrastrukturverordnung Emir auf beeindruckende Weise, die komplexe Materie unter Einbeziehung der ökonomischen Zusammenhänge verständlich zu machen. Die Beiträge der Autoren können in diesem Rahmen nicht alle individuell und keinesfalls hinreichend gewürdigt werden. Wohltuend ist jedenfalls die Erörterung des gesetzgeberischen Zwecks der Unionsrechtsakte wie z. B. bei Petra Buck-Heeb zur Priip-Verordnung, welche die Tür zu einer teleologischen Auslegung der Vorschriften aufstoßen könnte. Diskurs anstoßenAber auch im Übrigen dienen durchweg vertraute Ordnungsprinzipien, Methodik und Fallgruppen dazu, dem Rechtsanwender hierzulande die Scheu vor den europäischen oder europäisch geprägten Normen zu nehmen; beispielhaft sei die höchst anspruchsvolle Kommentierung der intrikaten Vorgaben zu den Stimmrechtsmitteilungen der infolge der Änderung der Transparenzrichtlinie weitgehend neuen §§ 33 ff. WpHG durch Schneider genannt. Zur Insiderinformation zeigt Heinz-Dieter Assmann anhand seiner konsequenten Analyse des Verfahrens bis hin zur “Geltl”-Enscheidung des EuGH, wie die Rechtsprechung auf die Auslegung gerade junger Normen wie der Marktmissbrauchsverordnung einwirken kann. Denn das wahrhaft Neue dieser siebten Auflage besteht nicht allein darin, dem deutschen Rechtsanwender die europäischen Normen zu erschließen, sondern einen Diskurs über das EU-Wertpapierhandelsrecht anzustoßen, außerhalb des akuten Gesetzgebungsprozesses und in einer der drei Arbeitssprachen der EU.Der Kommentar hebt den wissenschaftlichen Diskurs über das Wertpapierhandelsrecht und damit wesentliche Bereiche des Kapitalmarktrechts auf die europäische Ebene. Beim Standardkommentar zu einem Rechtsgebiet ist dieser epochale Schritt besonders bedeutsam und richtungsweisend. Das Werk liefert, und das wie gewohnt hochkarätig, die wissenschaftliche Aufbereitung, welche die am Gesetzgebungsprozess Beteiligten (darunter im Rat selbstverständlich auch die Bundesrepublik Deutschland) nicht selbst bereitstellen können, die für die Schaffung einer wirklichen Kapitalmarktunion aber fundamental ist. Der Kommentar spart nicht mit methodischer Kritik an der (aus Sicht des an Kodifikation gewohnten deutschen Juristen) Zerrissenheit des europäischen Rechts (vgl. bereits Assmann in der Einleitung), der aus Brüssel natürlich Etliches zu entgegnen wäre. Aber er stellt der kritischen Sicht die Einladung zur konstruktiven Auseinandersetzung zur Seite und wirbt so auf vorbildliche Weise für die deutsche Kommentarkultur. Lieber Namen statt NummernGewünscht hätte sich der Benutzer, die Vorschriften jedenfalls der ersten Regelungsebene würden durchgehend beim Namen genannt, anstatt sie mit den laufenden Nummern des Gesetzgebungsverfahrens zu bezeichnen, die eine Distanz zu den Unionsrechtsakten suggerieren, welche der Kommentar in intellektueller Auseinandersetzung gerade überwindet. Drucktechnisch bringt die Materialfülle das Buch an die Grenze der Handhabbarkeit. Beigetragen hat dazu die Berücksichtigung des immer umfangreicheren Schrifttums, wobei ausländische juristische Literatur in Zukunft stärker in den Blick rücken dürfte. In vielen wichtigen Bereichen, z. B. auch zur Mifir, erschließen die Bearbeiter allerdings als Wegbereiter und Wegweiser zuvor weitgehend unerforschtes Terrain. “Herkulesarbeit”Bereits die sechs Vorauflagen zum nationalen Wertpapierhandelsgesetz wurden von der Kritik mit Fug und Recht als Herkulesarbeit bezeichnet. Allerdings waren Herkules zwölf Arbeiten auferlegt. Ausgerechnet in Kreta, wo bekanntlich Europa an Land stieg, hatte er mit der Zähmung des Minotaurus seine siebte Aufgabe zu bestehen (deren segensreiche Wirkung aber nur anhielt, solange Herkules wachte; danach verwüstete der Minotaurus Arkadien, ehe er erneut gebändigt werden konnte). Bereits jetzt ist zu hoffen, dass sich Herausgeber und Autoren auch den künftigen Mühen unterziehen, welche der (Unions-)Gesetzgeber für die Wissenschaft gewiss bereithalten wird. Zunächst möge auch der siebten Auflage wieder weitreichender Einfluss beschieden sein – in Deutschland und Europa.—-*) Dr. Miriam Parmentier, LL.M., ist Regierungsdirektorin im Bundesministerium der Finanzen. Der Beitrag gibt ausschließlich ihre persönliche Auffassung wieder.