Hongkong wird für HSBC wichtiger
Die britische Großbank HSBC erwirtschaftete zuletzt neun Zehntel ihres Vorsteuerergebnisses in Hongkong. Das könnte nicht nur die Standortfrage erneut zum Thema werden lassen. Das Institut läuft auch Gefahr, in den Streit zwischen Peking und Washington hineingezogen zu werden.Von Andreas Hippin, LondonDie britische Großbank HSBC hat zuletzt einen derart großen Teil ihres Gewinns in Hongkong erwirtschaftet, dass sich eine Beschleunigung der ohnehin geplanten Verlagerung von Geschäft nach Asien aufdrängt. Der Großteil ihrer Kleinaktionäre hat seinen Sitz in der ehemaligen Kronkolonie, die im Auftaktquartal für mehr als ein Drittel der Einlagen, 30 % der Kredite und fast neun Zehntel des Vorsteuerergebnisses stand. Dort sollte HSBC auch ihren Sitz haben, argumentiert Christopher Wood, Global Head of Equity Strategy bei der US-Investmentbank Jefferies. Für ihn war die 1993 erfolgte Verlagerung des HSBC-Firmensitzes von Hongkong nach London “eine der zwei katastrophalsten Entscheidungen in der 155-jährigen Geschichte der Bank”. Die zweite war aus seiner Sicht der Kauf von Household International in den USA 2003, der dem Institut nicht nur bei der Finanzkrise einen Platz in der ersten Reihe bescherte, sondern auch die Aufmerksamkeit der US-Finanzaufsicht.Im Februar 2016 bestätigte der HSBC-Board die Entscheidung für den Standort London, nachdem die Bank mehrfach mit dem Umzug nach Asien gedroht hatte, weil sie mit der britischen Regulierung – etwa mit der Bankenabgabe – unzufrieden war. Die Finanzaufsicht in Hongkong hatte damals signalisiert, dass sie eine positive Haltung einnehmen würde, sollte sich HSBC für eine Umsiedlung der Zentrale in die alte Heimat entscheiden. Im Auge des SturmsNun ist Hongkong ins Zentrum des Streits zwischen Peking und Washington gerückt. Wie schnell man da hineingezogen werden kann, zeigt die Aufforderung des ehemaligen Hongkonger Regierungschefs Leung Chun-ying, britischen Unternehmen zu zeigen, “auf welcher Seite das Brot gebuttert ist”. Der Immobilientycoon, der stets ein härteres Vorgehen gegen die Hongkonger Demokratiebewegung gefordert hatte, verlangte eine – selbstverständlich wohlwollende – Stellungnahme der HSBC zum von Peking verordneten neuen Sicherheitsgesetz, das dem Sonderstatus der Stadt ein Ende setzen würde.Die Gewinne der Bank kämen in erste Linie aus China, doch Board und Führungskräfte bestünden fast ausschließlich aus Briten, schreibt der Vorgänger von Carrie Lam auf Facebook. “Was die politischen Probleme angeht: Diese selbst ernannte britische Bank kann in China kein Geld machen, während sie anderen westlichen Ländern folgt, die versuchen, der Souveränität und Würde des Landes und den Gefühlen seines Volks zu schaden”, schrieb “CY” Leung, der die Hongkonger aufforderte, ihre Konten bei der HSBC nicht mehr zu nutzen. Man müsse diesen Ländern klarmachen, dass Hongkong nicht ihre Kolonie sei. Damit dürfte er auf Linie des chinesischen Staatschefs Xi Jingping liegen.Schon vor der aktuellen Krise gab es eine ganze Reihe von Gründen, die gegen eine Rückkehr nach Hongkong sprachen. Die Bilanz der Großbank entsprach 2015 fast dem zehnfachen Bruttoinlandsprodukt der chinesischen Sonderverwaltungszone. Im Falle einer neuen Bankenkrise hätte Hongkong dem Institut also nicht beispringen können. Um dem vorzubeugen, wäre eine Verschärfung der Kapitalanforderungen nötig gewesen. HSBC wäre also aus dem Regen in die Traufe gekommen. Zudem belegt London seit Jahren unter den weltweit führenden Finanzzentren stets Platz 1 oder 2. Die Stadt bietet neben Rechtsstaatlichkeit und qualifizierten Arbeitskräften viel Lebensqualität. Hongkongs Superreiche schicken ihre Kinder nicht umsonst dort zur Schule. Quinn sperrt sichChief Executive Noel Quinn äußerte zuletzt mit Blick auf die vom britischen Regulierer gebremste Ausschüttung einer Schlussdividende für 2019 an die Anteilseigner kein Bedauern darüber, dass das Institut seinen Sitz nicht nach Hongkong zurückverlegt hat. Die Entscheidung sei gefallen, das Thema werde nicht wieder aufgemacht, sagte Quinn.Die Stimmen der Befürworter eines Umzugs in die alte Heimat dürften dennoch lauter werden. In der Tat spricht viel dafür, Kostenbringer wie das Retailgeschäft in Frankreich und den Vereinigten Staaten loszuschlagen und sich stärker auf das Geschäft in der Volksrepublik China zu konzentrieren. Allerdings hat das politische Risiko stark zugenommen, seitdem Peking alles daran setzt, aus Hongkong eine chinesische Stadt wie jede andere zu machen. Da könnten auch schnell Eigentumsrechte der verhassten “Kolonialisten” in Frage gestellt werden. Der laufende Abschwung wird zeigen, ob HSBC ihre dominante Position bei Unternehmenskrediten in Hongkong zum Vorteil gereicht. Die private Verschuldung und die Bewertungen von gerne als Sicherheiten hinterlegten Gewerbeimmobilien sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen.